Medizincheck von EU-Beschäftigten

Auf dem Weg zum gläsernen Mitarbeiter

Heftarchiv Gesellschaft
pr
Während sich hierzulande Zahnärzte, Ärzte und Patientenvertreter gegen den gläsernen Patienten wehren, schrecken die EU-Institutionen nicht davor zurück, ihre Angestellten medizinisch bis aufs Mark zu durchleuchten. Das mussten auch die rund 1 500 parlamentarischen Assistenten erfahren, die in den Büros der Europaabgeordneten in Straßburg und Brüssel arbeiten.

Mittels Blut- und Urintests, Röntgen- und EKG-Untersuchungen sowie eines ausführlichen Fragebogens ermittelt die Verwaltung des Europäischen Parlaments (EP) seit Sommer vergangenen Jahres, ob die Büro-Assistenten der Abgeordneten körperlich und geistig ausreichend fit für ihren Job sind. Der Test soll zudem dazu dienen, etwaige Ansprüche bei Invalidität beziehungsweise im Todesfall zu ermitteln. Grund hierfür ist ein neues Beschäftigungsstatut.

Bei der Untersuchung handelt es sich um einen standardisierten Test, dem sich sämtliche EU-Beschäftigte vor ihrer Einstellung unterziehen müssen.

Zahlreichen Assistenten geht die Wissbegier ihres Arbeitgebers jedoch entschieden zu weit. „Hatten Sie schon einmal Hämorrhoiden?“, „Gibt es in Ihrer Familie Geisteskrankheiten?“, „Nennen Sie das Datum Ihrer letzten Periode“ oder „Haben Sie je einen Neurologen, Psychiater, Analytiker oder Therapeuten aufgesucht?“, „Wenn ja, aus welchen Gründen und nennen Sie bitte dessen Adresse“ sind nur einige der Fragen, die bei den Mitarbeitern der Europaabgeordneten Empörung auslösen.

„Die Fragen sind zum Teil willkürlich und diskriminierend und stehen in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit“, sagt beispielsweise Adeline Otto, Assistentin der Linken-Europaabgeordneten Cornelia Ernst. Mit ihrer Meinung steht Otto nicht allein da. Rund 280 Assistenten haben sich geweigert, den Fragebogen auszufüllen. Statt sich der umfassenden Untersuchung durch den Medizinischen Dienst (MD) des Parlaments auszuliefern, wollen sie ihre körperliche Fitness lieber von einem Arzt ihres Vertrauens bescheinigen lassen. Schließlich, so der Arzt und CDU-Europaabgeordnete Dr. Thomas Ulmer, könne man niemandem vorschreiben, zu welchem Arzt er gehen soll. „Das verstößt gegen die freie Arztwahl.“

Unterstützung erhalten die Boykotteure auch von anderen Abgeordneten. „Unter dem Deckmantel der gesundheitlichen Vorsorge sammelt die EU-Verwaltung Datenberge mit hochsensiblen Informationen über ihre Angestellten“, so Ernst.

Rechtlich wacklig

Die Abgeordneten der Linksfraktion im EP gaben deshalb ein Gutachten zur Beurteilung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des medizinischen Einstellungsverfahrens in Auftrag. Das Ergebnis: Die medizinische Einstellungsuntersuchung steht rechtlich auf wackeligen Füßen. So findet nach Meinung der Verfasser beispielsweise die Verpflichtung der Betroffenen, für die Beurteilung ihrer Arbeitstauglichkeit alle medizinisch dokumentierten Belege über ihren Gesundheitszustand vorzulegen, keine rechtliche Grundlage. Auch seien eine Familienanamnese ohne konkreten Verdacht und Fragen nach dem Lebensstil, wie „Was rauchen Sie?“, oder „Wie viel Sport treiben Sie?“ unzulässig.

Die Parlamentsverwaltung und den MD ficht die Kritik indessen nicht an. Sie bestehen darauf, dass sich die Assistenten dem Test unterziehen. Die Mitarbeiter, die sich dem bislang widersetzen, haben inzwischen sogar eine Mahnung vom MD erhalten, die Untersuchungen vornehmen zu lassen. Andernfalls werde der Fall der Rechtsabteilung übergeben und es drohe eine Nichtigerklärung des Arbeitsverhältnisses, so die Warnung. Noch hoffen die Assistenten, dass es nicht so weit kommt und die rechtlichen Unklarheiten zum Gesundheitscheck binnen Kurzem geklärt werden.

Petra SpielbergChristian-Gau-Str. 2450933 Köln

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