Zeitmanagement

Der unangemeldete Schmerzpatient

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Eine immer wiederkehrende Stresssituation: Der Zahnarzt steht am Morgen vor seiner Praxis. Neben den terminierten Patienten wird er auch mit einer variierenden Zahl von unangemeldeten Schmerzpatienten konfrontiert. Eine mögliche Lösung für das Problem sind „Schmerzzonen“, empfahl Dr. Hans-Willi Herrmann auf dem Berliner Zahnärztetag 2010.

Kaum ein Ereignis stört den Ablauf einer Bestellpraxis mehr, als der unangemeldete Schmerzpatient. Ist er einmal vorstellig, dreht sich alles – mehr denn je – um den Faktor Zeit. Welche Handlungsoptionen stehen in so einer Situation zur Verfügung?

Dr. Hans-Willi Herrmann ist Zahnarzt aus Bad Kreuznach. Er hat sich auf die Wurzelkanalbehandlung spezialisiert und schildert seine Erfahrungen mit unangemeldeten Schmerzpatienten: „Ungeachtet ihres ungeplanten Auftauchens möchte auch ein Schmerzpatient schmerzfrei behandelt werden, schmerzfrei die Praxis verlassen und bis zum nächsten Behandlungstermin schmerzfrei bleiben.“ Aber wann ist der richtige Zeitpunkt hierfür? Behandelt der Zahnarzt ihn sofort, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die terminierten Patienten verärgert sind und ungeduldig werden. Das Risiko besteht, dass sich das schlechte Klima auch auf das Praxisteam auswirkt – Stress scheint vorprogrammiert. Für die Praxis ergibt sich daraus eine unangenehme Konfliktsituation – meist ist es nur schwer möglich, beiden Patientengruppen gleichzeitig gerecht zu werden. Herrmann: „Der unangemeldete Schmerzpatient ist nur marginal ein zahnmedizinisches Problem. Er ist vor allem ein strukturelles Problem. (...) Jeder Zahnmediziner weiß, wie ein Schmerzpatient endodontisch zu behandeln ist. Aber wir glauben, nicht genug Zeit zu haben“. Bei angemeldeten Patienten gehe man systematisch und konventionell vor. Beim unangemeldeten Schmerzpatienten dagegen bestehe stressbedingt die Gefahr, Maßnahmen durchzuführen, die den Patienten nur unvollständig oder nur kurzfristig von seinem Schmerz befreien. Gesetzt den Fall, man entscheidet sich bei der Behandlung für eine Devitalisierung, erklärt Herrmann: „Devitalisierung ist die Kapitulation vor der Uhr“. Wenn aber Devitalisierungsmittel benutzt würden, seien fünf Dinge, die den vermeintlichen Zeitvorteil zunichte machen, unerlässlich:

• Patientenaufklärung über Risiken und Nebenwirkungen• Verhaltensmaßregeln• Kontrolltermin / Weiterbehandlungstermin festlegen• Lückenlose Dokumentation• Absolut dichter Verschluss, falls notwendig nach Kariesentfernung und definitiver Füllung

Eine alleinige Inzision ohne Wurzelkanalaufbereitung oder die bloße Trepanation seien kritisch zu hinterfragen, so Herrmann. Die Therapie sei rein symptomatisch – die Bakterien verblieben im Wurzelkanal. Werden vermeintlich zeitsparende Schnellmaßnahmen durchgeführt, besteht die Gefahr, dass der Patient bei anhaltenden Schmerzen erneut die Praxis aufsucht und den Behandlungsablauf abermals stört oder sich an eine andere Praxis wendet und danach nicht wiederkommt. Um diese Situation zu verhindern, sei es aus Sicht von Herrmann grundsätzlich besser, auch beim unangemeldeten Schmerzpatienten die Ursache des Schmerzes grundlegend zu bekämpfen. „Schmerzzonen“ sind aus der Erfahrung von Herrmann eine Lösung. Sie leisten einen Beitrag, damit das Zeitmanagement in der Zahnarztpraxis nicht gestört wird. Konkret empfiehlt er, jeweils eine halbe Stunde zum Ende des Vormittags und vor Schließung der Praxis für unangemeldete Schmerzpatienten zu blocken und - möglichst ohne Ausnahme - nur in dieser Zeit Schmerzfälle zu behandeln. Herrmann: „Der Patient wird zur Diagnostik noch mal 30 Minuten früher einbestellt.“ Innerhalb der Schmerzzone gelte die Reihenfolge: Anästhesie, Kofferdam, Trepana-tion, VITE, ELM, WK, Phys, Med, Verschluss der Trepanationsöffnung.

So könne eine gründliche Behandlung des Patienten gewährleistet werden. Zudem würden – sofern diese Vorgaben konsequent umgesetzt werden – die regulären, angemeldeten Patienten nicht unnötig verärgert. Jede Praxis müsse letztlich individuell prüfen, wie viele unangemeldete Schmerzpatienten sie pro Tag behandeln kann. Herrmann gab einen Richtwert von zwei Patienten pro Tag vor.

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