Gastkommentar

Wettbewerbsrisiko

Die Insolvenz der CityBKK hat die Kritik am Gesundheitsfonds reanimiert. Das erfordert weitere politische Entscheidungen, meint Gisela Broll, Berliner Fachjournalistin für Gesundheitspolitik.

Zunächst sah alles nach einem angenehmen Start für Daniel Bahr als neuem Bundesgesundheitsminister aus. Dann fiel in die Woche der Amtsübernahme die erste Schließung einer gesetzlichen Krankenkasse.

Direkt vor der hauptstädtischen Amtstür schlugen die Probleme auf. Im „Livestream“ konnte Bahr erleben, wie Krankenkassen trotz vermeintlichem Wettbewerb nicht gerade Schlange um die Aufnahme der freigesetzten Versicherten standen. Bei vielen Kassen herrschte offensichtlich die Vermutung, dass die vermeintlich „guten“ Risiken längst die Kasse gewechselt hatten und „übrig“ geblieben nur diejenigen waren, die vielleicht noch in einem am Reißbrett entworfenen „solidarischen“ Wettbewerb um die „bestmögliche Versorgung“ einen freudigen Willkommensgruß bei einer neuen Kasse gehabt hätten. Der ist aber nie Wirklichkeit geworden.

Die Kassen haben sich dem derzeitigen „Wettbewerb“ gebeugt, der die abstraft, die einen Zusatzbeitrag erheben (müssen). Die nun zutage tretenden Probleme offenbaren sich nicht zuletzt dadurch, dass GKVen zunächst einmal den Versuch unternommen hatten, ihrem eigenen Wettbewerbsvorteil vermeintlich nicht dienende Versicherte möglichst vom Eintritt in „ihre“ Kasse abzuhalten. Korrekt war dies nicht, rühmlich erst recht nicht. Sich dem öffentlich entfachten Zorn ungefiltert anzuschließen, greift aber zu kurz. Vielmehr sollte insbesondere nachdenklich stimmen, dass dieses Verhalten auch bei großen und als „gesund“ geltenden Krankenkassen anzutreffen war.

Der zwar durch zwei Legislaturperioden in verantwortlichen gesundheitspolitischen Positionen gestählte Bahr hat es vermieden, schwärende Fragestellungen im Zusammenhang mit dieser Kassenschließung auch nur anzusprechen. Ohne Zweifel war für die betroffenen Versicherten das „Notfallmanagement“ wichtig, das Bahr routiniert gemeistert hat, indem er unmissverständlich dem Rechtsanspruch der Versicherten auf freie und ungehinderte Wahl einer ihnen beliebenden (offenen) GKV politischen Nachdruck verliehen hat. Einhergehend kündigte er weitergehende Regelungen an, die für Versicherte im Falle einer Kassenschließung zukünftig solche negativen Erlebnisse vermeiden helfen sollen. Trotzdem wird Bahr nicht verhindern können, dass Kassen auch in Zukunft in solchen Fällen versuchen, „Dienst nach Vorschrift“ zu machen. Wie in der Pädagogik wird das Umzingeln mit reinen Strafmaßnahmen nicht ausreichen.

Die mit Schließung der CityBKK schwelende gesundheitspolitische Diskussion wurde vom CSU-Politiker Max Straubinger angestoßen, der damit auch in Unionsreihen einige Unruhe auslöste. Sieht er hier doch „ein Scheitern der beschlossenen Reform in der gesetzlichen Krankenversicherung“. Auslöser sei ein falscher Wettbewerbsgedanke, der in einer GKV nicht so umzusetzen sei. Straubinger fordert in einem Schreiben an Bahr wieder die volle Beitragshoheit für die Krankenkassen, die Abschaffung des Gesundheitsfonds sowie die Abschaffung des GKVSpitzenverbands in Verbindung mit einer weitergehenden Regionalisierung. Auch Bündnis 90/Die Grünen haben die Abschaffung des Fonds in Verbindung mit einer Rückkehr zur Finanzautonomie der Krankenkassen, aber zusätzlich den weiteren Ausbau des Risikostrukturausgleichs gefordert.

Nicht nur das BMG und die FDP, sondern auch die Union, sowohl auf Regierungsseite wie in der Fraktion, wird in eine ernsthafte Diskussion einsteigen müssen. Auch gesetzgeberisch müssen konsistente Antworten gefunden werden, wohin die gesundheitspolitische Reise gehen soll: hin zur Privatversicherung mit Bürgerversicherungselementen oder zur Bürgerversicherung mit Privatversicherungselementen? Diskussionslose Obrigkeitspolitik wird nicht der Weg in die Zukunft sein. Hier müssen alle und hier muss auch die Regierung „Farbe“ bekennen.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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