Fortbildungsteil 1/2011

Aktuelles zum Biofilm

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Die häufigsten oralen Erkrankungen, mit denen Zahnärzte täglich zu tun haben, sind Gingivitis, Parodontitis, Karies, endodontale Infekte und Periimplantitis. So unterschiedlich diese Erkrankungen auch sind (Schädigung einerseits von Weich- andererseits von Hartgewebe), die Hauptursache liegt bei allen in den Bakterien des Zahnbelags. Der folgende Beitrag zeigt auf, was man heute alles über Zahnbelag – sprich Biofilm – weiß.

Während bestimmte Bakterienarten vor allem organische Säuren bilden und damit die Zahnhartsubstanz demineralisieren können,setzen gram-negative Bakterienarten Lipopolysaccharide und andere Toxine frei, die direkt das Weichgewebe schädigen und sekundär über eine Aktivierung des Immunsystems zu einer Gewebszerstörung führen. Zunächst zeigt sich dies im Abbau von kollagenen Fasern, später dann auch im meist irreversiblen Abbau von Knochen. Dieses Phänomen der Zahnbelagsbildung wird zwar bereits seit 100 Jahren wissenschaftlich erforscht, allerdings wuchs erst in den letzten 20 Jahren die Erkenntnis, dass Zahnbelag nicht nur eine einfache mikrobielle Ansammlung, sondern eine typische Lebensform von Bakterien darstellt. Solche Biofilme können sich prinzipiell an allen Grenzflächen bilden.

Aufgrund der Neubeschreibung des Zahnbelags als Biofilm eröffnen sich nun neue Strategien zur Bekämpfung und Manipulation von Biofilmen, wobei viele Methoden im medizinischen Bereich nicht angewandt werden können.

Biofilme als Ursache für die dentalen Erkrankungen

Man kann die meisten oralen Erkrankungen auch als bakterielle Infektionserkrankungen bezeichnen. Allerdings können die klassischen Henle-Koch-Postulate, die besagen, dass ein übertragener Keim zwangsläufig zur Infektion führt, nur in modifizierter Form auf diese Krankheiten angewandt werden [Sokransky et al., 1994].

Orale Residentflora

Die Mundhöhle ist bereits natürlicherweise mit Bakterien besiedelt, die orale Flora ist ein normaler Bestandteil der Mundhöhle. Die Besiedlung mit Bakterien beginnt beim Säugling bereits mit dem ersten Atemzug. Durch die Luft und durch die Nahrung werden in den ersten Lebensjahren „Wohnplätze“ in der Mundhöhle besiedelt – sogenannte ökologische Nischen. Nach demDurchbruch der ersten Zähne bildet sich eine charakteristische, individuelle orale Residentflora aus. Diese dient dem Körper als Schutzbarriere gegenüber dem Eindringen von pathogenen Keimen in das Körperinnere. Während das Weichgewebe vor allem durch Abschilferung seines Epithels vor Infektionen geschützt ist, liegt die Ursache für die dentalen Erkrankungen in der Anlagerung des Biofilms auf den Zahnbeziehungsweise auf den Restaurationsoberflächen, weshalb sie als Biofilm-basierte Erkrankungen bezeichnet werden.

Die dentale Plaque – eine komplexe Sache

Aus heutiger Sicht wird die dentale Plaque als bakterieller Biofilm beschrieben. Während sie alle Charakteristika des klassischen Biofilms zeigt, zeichnet sie sich mit bis zu 1 000 bakteriellen Unterarten zusätzlich durch eine besonders große Heterogenität und Artenvielfalt aus [Ten Cate, 2006; Marsh,2005]. Mit immer neuen Techniken zurIdentifizierung und Charakterisierungvon Bakterien vermehrt sich auch diegeschätzte Anzahl an Arten in der Mundhöhle. Dies bedeutet nicht, dass jedes Individuum auch alle diese Arten in seiner Mundhöhle beherbergen muss. Wie bereits zuvor erwähnt, ist die Zusammensetzung der oralen Flora individuell sehr unterschiedlich.

Von den zahlreichen Arten sind zunächst nur wenige Keime in der Lage, sich auf den Zähnen oder auf anderen harten Oberflächen der Mundhöhle anzusiedeln. Bei diesen sogenannten adhärenten Pionierarten handelt es sich vornehmlich um Streptokokken-Spezies und andere gram-positive Bakterienarten, die Mechanismen zur Haftung auf der Pellikel, einer Glykoproteinschicht, die auch als erworbenes Schmelzoberhäutchen bezeichnet wird, besitzen. Diese frühen Keime erlauben die Etablierung weiterer Keime. Wenn diese erste Keimbesiedlung nicht gestört oder mechanisch entfernt wird, so bildet sie die Basis für ein komplexes und sehr individuelles Gebilde von unterschiedlichen Bakterienarten, das bisher noch nicht abschließend erforscht ist. Modelle heben vor allem das Bakterium Fusobacterium nucleatum als „Vermittlerkeim“ hervor, das den paropathogenen Arten sowohl einen „Haftmechanismus“ als auch – durch seine Stoffwechselprodukte – ideale Lebensbedingen zur Vermehrung bietet. Als besonders weichgewebszerstörend haben sich die Bakterienarten Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis, Prevotella intermedia, Tannerella forsythensis und Treponema denticola herausgestellt, weshalb diese auch als die fünf Leitkeime der Parodontitis bezeichnet werden und mittels kommerzieller Bakterientests detektiert werden können.

Struktur und Eigenschaften

Definiert werden Biofilme als bakterielle Populationen, die in einer selbst produzierten Matrix aus extrazellulären polymeren Substanzen (EPS) eingeschlossen sind und an Oberflächen und Grenzflächen sowie untereinander anhaften [Costerton et al., 2005; Wimpenny et al., 2000]. Unter natürlich vorkommenden Bedingungen stellt der Biofilm die vorherrschende Lebensform der Bakterien dar, sie werden auch als mikrobielle Aggregate, Filme, Flocken, Beläge und Schlämme oder „Stadt der Mikroben“ bezeichnet [Watnick & Kolter, 2000].

Biofilme bilden sich unter einfachsten, aber auch extremsten Voraussetzungen: Es müssen neben den Mikroorganismen Grenzflächen zwischen mindestens zwei Phasen vorhanden sein, ausreichend Wasser und mikrobiell verwertbare Nährstoffe. Biofilme finden sich sogar in den heißesten Quellen. Sie sind die Urform des Lebens (Selektionsvorteil), es wurden in 3,2 Milliarden Jahre alten geologischen Fossilien Mikroorganismen in Biofilmen gefunden. Die Bildung von Biofilmen auf Oberflächen wird heute als universale Überlebensstrategie und als erster Schritt der Evolution zu vielzelligen Organismen gesehen [Costerton et al, 1987].

Im Gegensatz zu planktonischen Zellen weisen Bakterien, die im gemeinschaftlichen Verbund des Biofilms existieren, eine weitgehende(bis zu 500-fach höhere) Resistenz gegenüber Antibiotika und antibakteriellen Lösungen auf [Anwar et al., 1992; Donlan & Costerton, 2002], aber auch gegenüber der körpereigenen Abwehr (Phagozytose) [Jensen et al., 1990]. Diese Resistenz besteht nicht nur in einer Resistenz der Bakterienzellenselbst (gemäß der klassischen Definition des Begriffs Resistenz), sondern auch in einer rein physikalischen Barriere, die die schleimartige, geladene Matrix-Struktur bildet, sodass eine Diffusion oder Penetration durch dickere Biofilme erschwert ist. Ein Biofilm kann in unmittelbarer Nähe völlig unterschiedliche Bakterienarten und auch unterschiedliche pH-Gradienten aufzeigen. Zahlreiche Forschungsergebnisse aus der Umweltforschung oder aus der Forschung um die Biofilm-Bildung des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa (Verursacher der Komplikationen bei Mukoviszidose) lassen sich auch auf den dentalen Biofilm übertragen, viele Eigenschaften treffen aber auch möglicherweise nicht zu, da der dentale Biofilm extrem komplex ist.

Man geht von einer pilzartigen Struktur mit meist kompakter Basis aus (Abbildung 1). Je nach Alter, Dicke oder Reifung können die Randbereiche kompakt und regelmäßig, aber auch unscharf und locker sein. Auch über die Existenz von Poren, Kavernen und Gängen im dentalen Biofilm wird diskutiert. Diese sollen dem Stoffaustausch zwischen den Bakterienzellen und der Versorgung mit Wasser dienen. In eigenen Studien mit Biofilmen aus der Mundhöhle (In situ-Biofilme) konnten solche Poren nachgewiesen werden (Abbildung 2). Außerdem konnte sowohl in eigenen Labor-basierten Studien als auch in Studien anderer Arbeitsgruppen festgestellt werden, dass starke Scherkräfte offensichtlich nicht die Biofilmbildung hindern, sondern sich eben dünnere und kompaktere Biofilme bilden [Donlan & Costerton, 2002]. Übertragen auf die Mundhöhle könnte dies bedeuten, dass die Zahnbürste die Bakterien im Approximalraum, die nicht entsprechend entfernt wurden (zum Beispiel durch eine ergänzende Interdentalraumhygiene), in den Zwischenraum presst,wo sich dann möglicherweise umso kompaktere Biofilme ausbilden. Ganze „Biofilmfetzen“ können sich von reifen Biofilmen ablösen und sich an anderen Lokalisationen (gegebenenfalls auch in der Blutbahn) leicht etablieren, was als „sloughing“ oder „erosion“ bezeichnet wird.

Innerhalb des Biofilms kommt es durch einen als „Quorum sensing“ bezeichneten Prozess zu einem regen Informationsaustausch zwischenden Bakterienzellen. Der Informationsaustausch erlaubt es den Bakterien, als Reaktion auf das Erreichen einer kritischen Zelldichte Gene zu exprimieren, die den weiteren Bestand des Biofilms sichern sollen, was von essentieller Bedeutung für die Entwicklung des Biofilms ist [Parsek & Greenberg, 2000; Davey & O´Toole, 2000].

Extrazelluläre polymere Substanzen (EPS)

Die von den Bakterien selbst gebildete Struktur-Matrix, die EPS, erfüllt für die Organismen im Biofilm einige wichtige Funktionen. So sichern sie die mechanische Stabilität und den architektonischen Aufbau des Biofilms, fungieren als Wasser- und Nährstoffspeicher und binden Schlüsselenzyme im Biofilm [Branda et al., 2005; Marsh, 2005]. Durch diese Eigenschaften der EPS sind die Organismen des Biofilms vor äußeren Noxen wie mechanischer Krafteinwirkung oder Phasen des Wasser- und Nährstoffmangels weitgehend geschützt. Dabei machen die immobilisierten Bakterien nur einen kleinen Teil des Gesamtgewichts aus, der größte Teil besteht aus Wasser (70 bis 95 Prozent). Bei den EPS handeltes sich um Polysaccharide, Proteine,Lipide, Nukleinsäuren, die etwa 60 bis 95 Prozent des Trockengewichts ausmachen. Weitere Bestandteile des Biofilms sind Nährstoffe, anorganische Partikel und Gase (N, CO2 , Methan), wobei diese mit den unterschiedlichen Biofilmen variieren.

Biofilme im menschlichen Körper

Das menschliche Individuum kann man als ein Hybrid aus eukaryotischen Wirts- und prokaryotischen Bakterienzellen bezeichnen, wobei letztere um mindestens eine Zehnerpotenz überlegen sind. Typische Reservoirs für diese Bakterien stellen neben der Mundhöhle, die Haut, die Urogenitalien sowie der Magen-Darm-Trakt mit einer bakteriellen Biomasse von etwa 1,5 kg dar. Dies bedeutet, dass die Zahl der intestinalenGene die der menschlichen Gene um ein100-Faches übersteigt [Kaper & Sperandio, 2005].

In der Medizin stellt eine stabile Bakterienflora – ebenso wie in der Mundhöhle – einen Schutz vor Fremdbesiedlung dar. Die Entwicklungeiner Flora von apathogenen Keimen ist ein wichtiger Schritt für die Reifung des Immunsystems in den ersten Lebensjahren.Ebenso leisten Bakterien einen wichtigen Beitrag bei der Verdauung und Verwertung der Nahrungsmittel. Sie können aber auch zu Krankheiten führen, die lebensbedrohend sein können, wenn sie sich auf (künstlichen Oberflächen wie) Implantaten, Kathetern oder medizinischen Geräten bilden und oft nicht mehr beherrschbar sind. Hier spricht man meist von einer Antibiotika-Resistenz der Bakterien und realisiert erst nach und nach, dass nichtnur die Bakterien selbst, sondern der Biofilm eine Strategie zum „Überleben“ entwickelt hat. Man sollte daher in der Medizin von Biofilm-basierten Erkrankungen sprechen, für die klassische Dosierungen an Antibiotika nicht effektiv sein können, da sie anhand der minimal inhibierenden Konzentrationen gegenüber planktonischen Bakterien-Suspensionen errechnet wurden.

Wissenschaftliche Untersuchung

Zur wissenschaftlichen Untersuchung von Biofilmen müssen zunächst adäquate Möglichkeiten zur standardisierten Gewinnung von Biofilmen gefunden werden, aber auch geeignete Techniken und Instrumente zur Erforschung der Struktur zur Verfügung stehen.

Intraorale Schienen zur Biofilmgewinnung

Bei der Gewinnung von Biofilmen kann die Forschung auf in vitro- oder besser Laborbasierte Modelle zurückgreifen. Meist werden hier aber nur Einzelspezies erfasst. Die Kultivierung von mehreren Spezies oder einer Plaqueprobe („microcosm-models“) erfasst zwar einen größeren Teil, die natürliche orale Situation kann aber nur beschränkt nachgeahmt werden. Erst In situ-Modelle, also die Gewinnung in der Mundhöhle, erfassendie Gesamtflora in ihrer natürlichenUmgebung. Hierbei werden beliebige Trägerplättchen aus Glas, Schmelz, Dentin oderjedem anderen Material, auf denen der Biofilm wachsen soll, direkt an der Zahnoberfläche fixiert oder in individuell hergestellte, herausnehmbare Schienen eingeklebt. Dies ist sehr aufwendig, man kann in einem Probanden nur wenige Biofilme aufzüchten, insgesamt ist auch die Zahl der Probanden, die je nach Versuchsansatz über mehrere Testwochen gleiche Ernährungsbedingungen halten sollen, begrenzt. Dafür entwickeln sich aber auf den Trägerplättchen Biofilme mit dem gesamten oralen Keimspektrum in der natürlichen Situation, zum Beispiel auch in Abhängigkeit typischer Speichelproteine. Das in der Arbeitsgruppe verwendete, herausnehmbare Splintsystem mit meist bovinem Schmelz als Trägermaterial (sogenanntes In situ-Modell) hat sich bereits in zahlreichen Studien bewährt, da es eine intraorale Biofilmgewinnung unter standardisierten Bedingungen gewährleistet und somit verschiedene Beeinflussungen – sowohl durch das Trägermaterial (zum Beispiel unterschiedliche Restaurationsmaterialien, insbesondere auch Implantatmaterialien) als auch durch antibakterielle Wirkstoffe – untersucht werden können (Abbildung 3) [Auschill et al., 2001, 2002, 2004, 2005; Arweiler et al., 2004, 2008, 2010, 2011].

Goldstandard: Konfokale Laserscanning Mikroskopie

 Als Goldstandard zur mikroskopischen Untersuchung von Biofilmen hat sich in den letzten Jahren die Konfokale Laserscanning Mikroskopie (CLSM) herausgestellt. Im Gegensatz zur Elektronenmikroskopie ist kein Einbettungsvorgang nötig, der die hydratisierte Struktur des Biofilms zerstören würde. Das CLSM erlaubt die In-situ-Analyse von voll hydratisierten Biofilmen ohne eine chemische Fixation oder Einbettung. Das Mikroskopieren ist auf Objektgläsern, aber auch auf nicht transparenten Oberflächen möglich. Der Laser kann dabei durch das Objekt hindurch scannen und ähnlich der Computertomographie dünne definierte Schichten durch den Biofilm darstellen (Scans). Die digitalen Bilder können dann zu beliebigen dreidimensionalen Strukturen zusammengesetzt oder auch beliebig animiert werden.

In Abbildung 4 wurde das Plaquewachstum über 48 Stunden in einem Graustufenmodus von der ersten Adhäsion bis zum Konfluieren zu Ketten und dann zu Kolonien verfolgt. In der im letzten Bild gezeigten Phase war der Film dann so dick, dass man mit dem Durchscannen beginnen konnte.

Die zusätzliche Fluoreszenzmarkierung ergibt Informationen über Struktur und Stoffwechseleigenschaften von Bakterien, aber auch der Plaquematrix. In der Literatur findet man verschiedene Anfärbemethoden. Unsere Arbeitsgruppe nutzt seit circa zehn Jahren eine Fluoreszenztechnik bei der mittels der Farbstoffe Fluoresceindiacetat (FDA) und Ethidiumbromid (EB) eine selektive Lebend/Tot-Entscheidung getroffen werden kann [Netuschil et al., 1989; Arweiler et al., 2010] sowie die fluoreszierende In situ-Hybridisierung, die es erlaubt, ganz bestimmte Bakterienspezies im unzerstörten Biofilm zu detektieren und dreidimensional darzustellen [Al-Ahmad et al., 2007].

Neue Strategien

 Bisherige und innovative Strategien sind in der Tabelle zusammengestellt. Neben konventionellen, mechanischen Mundhygienemaßnahmen (zum Beispiel auch Störung des Biofilms durch Ultraschall) besteht die Möglichkeit, Bildung und Stoffwechsel des Biofilms auf chemischem Weg zu beeinflussen. Überwiegend handelt es sich um Wirkstoffe, die aufgrund ihrer antimikrobiellen Wirkung dazu geeignet sind, die Vitalität und das Demineralisationspotenzial der bakteriellen Biofilme zu reduzieren. Hier hat sich vor allem Chlorhexidin als Goldstandard in der Prophylaxe und Therapie von Plaque und Gingivitis herausgestellt. Daneben haben auch Fluoridverbindungen mit antibakteriellen Eigenschaften (wie zum Beispiel Amin- oder Zinnfluoride) sowie ätherische Öle eine große Bedeutung bei der Bekämpfung der Bakterien des oralen Biofilms. Solche antibakteriellen Maßnahmen machen jedoch nur dann Sinn, wenn ein Großteil des Biofilms entfernt ist und die Wirkstoffe nur noch auf einen dünnen Restbiofilm wirken müssen. Die Wirkstoffe können dann dort entweder Stoffwechselvorgänge der Bakterien stören oder direkt durch Zerstörung der Bakterienzellwand die Mikroorganismen abtöten.

 Aufgrund der Neubeschreibung des Zahnbelags als Biofilm eröffnen sich aber neue Strategien zur Bekämpfung oder Manipulation. Ein allerdings nur wenig erforschter Ansatz liegt dabei in der Entwicklung von antipathogenen (im Gegensatz zu antibakteriellen) Substanzen, die den Übergang von empfindlichen planktonischen Bakterien in eine organisierte, geschützte Biofilmstrukturverhindern können, ohne dass vitale Funktionen der Bakterien berührt oder in das Bakterienwachstum selbst eingegriffenwürde. Solche Stoffe könnten aber auchden Biofilm an der Ausbildung einer Matrix hindern oder die Matrix auflösen. Bisher sind in der Forschung bereits solche relativ kleinen Moleküle bekannt, die in das sogenannte „Quorum sensing“, also die Sprache mit der die Bakterien des Biofilms kommunizieren, eingreifen können.

Ein weiterer Ansatz ist die Prävention der Besiedlung fester Oberflächen durch antiadhäsive Maßnahmen, was bisher bei Autolacken oder Fensterscheiben als Lotus-Effekt bezeichnet wird. Auch schnell wechselnde Oberflächeneigenschaften können es dem Biofilm schwer machen, sich anzulagern. Wechselnde elektrische Ströme sind ein Beispiel, die aber in der Mundhöhle nur schwer zu realisieren sind.

Ebenso wird versucht, nichtpathogene Bakterien in die Mundhöhle einzubringen und möglichst zu etablieren, die dann die pathogenen Arten verdrängen, unschädlich machen oder eine Biofilmbildung auf harten Oberflächen verhindern könnten.

Alle genannten Maßnahmen dienen aber nicht nur der Prävention der dentalen Erkrankungen, sondern können prinzipiell auf die Gebiete Medizin, Ökologie und Technik übertragen werden.

Zusammenfassung

In Abbildung 5 ist der Scan eines Biofilms unter dem Einfluss von Chlorhexidin dargestellt, der das Wesen von Biofilmen sehr gut verdeutlich. Jedes noch so wirksame Biozid kann den Biofilm meist nur oberflächlich abtöten. Im Innern des Biofilms bleibt meistens ein vitaler Herd von Bakterien, die auch in Notzeiten zu einer Neuaufflammungvon Entzündungsgeschehen führen können. Wirksame Präventionsmethoden zur Bekämpfung der Ursache der dentalen Erkrankungen müssten daher die speziellen Eigenschaften von Biofilmen berücksichtigen.

Prof. Dr. Nicole Birgit ArweilerProf. Dr. Thorsten Mathias AuschillAbteilung für ParodontologiePhilipps-Universität MarburgGeorg-Voigt-Str. 335039 Marburgarweiler@med.uni-marburg.de

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Strategie

Ziele

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Mechanische Maßnahmen

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–Bürsten

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–Ultraschall-Bearbeitung

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–Pulverstrahl

–Entfernung des Biofilms

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–Zerstörung der Biofilmmatrix

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Antibakterielle Maßnahmen

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–Klassische antibakterielle Wirkstoffe

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–antibakterielle Fluoridverbindungen

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–Bakteriophagen, antimikrobielle

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Peptide (des eigenen Korpers)

–Verhinderung von Wachstumsvorgangen

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–Abtoten einzelner Mikroorganismen

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Antipathogene Maßnahmen

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–Stoffe (Molekule), die in das „Quorum sensing“ des Biofilms eingreifen, ohne antibakteriell zu sein

–Verhinderung der Erstbesiedlung/Adhasion

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–Verhinderung der Ausbildung/Etablierung eines Biofilms

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–Zerstorung bestehender Biofilme durch Eingriff in die Biofilmmatrix

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Antiadhasive maßnahmen

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–Oberflachen-Modification

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–Dynamische Oberflachen

„Lotus“-Effekt

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Zum Beispiel Wechselstrom

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