Epikondylopathia humeri lateralis

Mit Orthovolt und Photonen gegen den Tennisellenbogen

Ein Tennisellenbogen ist in der Regel allein durch ein paar gekonnte Handgriffe des Arztes zu diagnostizieren. So schmerzhaft die Erkrankung oft ist, meist ist der Patient bei entsprechender Schonung nach einigen Wochen wieder beschwerdefrei. Für chronische Verläufe stellen die Autoren hier unter anderem eine bislang wenig etablierte Behandlungsmöglichkeit vor.

Die Epikondylopathia humeri lateralis (EPH, „Epikondylitis“, „Epikondylose“, „Epikondyalgie“) ist ein erworbener, schmerzhafter Reizzustand der Insertion der Unterarmextensoren am Epikondylus humeri radialis [34, 45]. Eine Rolle spielen dabei alltägliche Belastungen und sportliche Betätigungen. In Ausnahmefällen ist auch eine Anerkennung als Berufskrankheit möglich [34]. Krankheitsauslösend sind meist stereotype und repetitive Betätigungen des pronierten Unterarms, insbesondere bei Dorsalflexion im Handgelenk [45].

Die dadurch bedingte Tonussteigerung führt zu einer Mikrotraumatisierung des Sehnenansatzes, die wiederum bei Überschreiten der lokalen Regenerationskapazität in den typischen degenerativen Veränderungen resultiert [52].

Die Inzidenz der EPH wird mit ein bis neun Prozent pro Jahr beziffert, die Prävalenz mit ein bis drei Prozent, wobei vorrangig Erwachsene ab der vierten Lebensdekade betroffen sind [46]. Man geht jedoch von einer erheblichen Dunkelziffer aus, da sich schätzungsweise nur jeder Zweite in ärztliche Behandlung begibt [41]. Als Erstbeschreiber der Erkrankung gilt der Berliner Arzt F. Runge, der 1873 über einen „Schreibkrampf“ berichtete [42].

Tennis-, Golfer-, Werferellenbogen

Der in der angloamerikanischen Literatur gebräuchliche Terminus „Tennisellenbogen“ geht auf den englischen Arzt H. Morris (1883) zurück [28], die Bezeichnung als „Epikondylitis“ wurde von dem Neurologen M. Bernhardt [1896] eingeführt [2]. Analog kann in fünf bis zehn Prozent der Fälle als „Golfer- oder Werferellenbogen“ auch die Insertion der Flexoren am Epikondylus humeri medialis betroffen sein [19, 34]. Die Inzidenz wird hierzulande mit etwa 1,5 Prozent pro Jahr angegeben [34]. Kombinationen von radialer und ulnarer Epikondylopathie sind, wenn auch selten, möglich.

Eigentlich keine Entzündung

Die Bezeichnung „Epikondylitis“ ist dahingehend irreführend [41], dass sie den entzündlichen Charakter in den Vordergrund stellt, während das histologische Bild vielmehr von den Zeichen einer hyalinen und mukoiden Degeneration sowie einer reaktiven Fibroblastenproliferation und Gefäßeinsprossungen dominiert wird [34, 41]. Rundzellinfiltrate, als Zeichen einer entzündlichen Reaktion, wurden bislang nur von einer Arbeitsgruppe beschrieben, wobei diese Patienten mit durchschnittlich sechs Kortikoidinfiltrationen vorbehandelt waren [9].

Diagnostik

Die EPH kann nach gezielter Anamnese anhand des klinischen Untersuchungsbefundes gestellt werden [13, 34]. Als beweisend gilt, wenn neben einer lokalen Druckdolenz der typische Dehnungs- oder Belastungsschmerz mittels klinischer Provokationstests auslösbar ist.

• Bewährt haben sich Thomson-Handgriff (Abbildung unten), Mittelfinger-Streck-Test oder auch der Chair-Test [19, 34, 52]. Bildgebende Untersuchungen dienen eher dem Ausschluss möglicher Differenzialdia gnosen (Tabelle 1). Radiologische Veränderungen korrelieren nicht mit der Vehemenz klinischer Beschwerden.

• Konventionell radiologisch können, vor allem bei protrahierten Verläufen, in 20 bis 25 Prozent der Fälle zarte Kalzifikationen der Muskelinsertionen bestehen [19, 34, 52].

• Die Magnetresonanztomografie, die vornehmlich zur Planung operativer Interventionen empfohlen wird, ist hochsensitiv zur Darstellung von Auftreibungen und Einrissen der Extensorensehnen und kann ein Ödem des Epikondylus zeigen. Kortikoidinfiltrationen sollten jedoch mindestens vier Wochen zurückliegen, um falsch positive Befunde zu vermeiden [40].

• Konkurrierendes Verfahren ist die Ultraschalluntersuchung, die mit 72 bis 88 Prozent zwar ebenfalls eine hohe Sensitivität, mit 36 bis 48,5 Prozent jedoch nur eine geringe Spezifität hat [25].

• Drei-Phasen-Skelettszintigrafien werden in der Routine nicht eingesetzt. Als unspezifisches Zeichen reparativer, ossärer Vorgänge kann in chronischen Fällen ein um 17 bis 33 Prozent gesteigerter 99Tc-HDP-Uptake in der Epikondylenregion nachgewiesen werden [32].

Schmerz als Leitsymptom

Klinisches Leitsymptom der EPH ist der akute oder chronische Schmerz der Epikondylenregion, der dem Verlauf der Muskulatur folgend in den Unterarm ausstrahlen kann. Der aktive Bewegungsumfang des Ellenbogengelenks kann durch eine schmerzbedingte Schonhaltung eingeschränkt sein. Aufgrund der extrakapsulären Lage der Epikondylen ist die EPH keine artikuläre Erkrankung [34], so dass der passive Bewegungsumfang typischerweise nicht eingeschränkt ist. Par- oder Dysästhesien sollten Anlass sein, eine Überlagerung durch ein Zervikalsyndrom auszuschließen.

Die Prognose der EPH ist insgesamt günstig, die Schmerzzustände sind selbstlimitierend und remittieren meist innerhalb von vier bis sechs Wochen. Jedoch sind auch chronische Verläufe über Monate bis Jahre möglich, die zu erheblichen Arbeitsausfallszeiten führen können [41].

Therapie

Das therapeutische Vorgehen sollte sich am Verlauf und an der Vehemenz der Beschwerden orientieren. Von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC) wurden 1998 Therapieleitlinien publiziert, die seit 2002 in überarbeiteter Fassung vorliegen (Tabelle 2). In Ermangelung einer ausreichenden Zahl randomisierter Studien haben sie jedoch keinen bindenden Charakter [34, 41, 52].

Primärmaßnahmen

Im Rahmen der Leitlinien wird für die Therapie akuter Verläufe (Behandlungsstufe 1) neben einer Beratung zur Vermeidung der krankheitsauslösenden Betätigungen das breit gefächerte Spektrum der konservativen Therapiemaßnahmen empfohlen. In der klinischen Routine werden lokale Infiltrationen mit Glukokortikoiden und Lokalanästhetika [53, 54], Ruhigstellungen im Gipsverband [34], Eisanwendungen [26], ent lastende Orthesen [1, 56], die lokale oder systemische Anwendung nicht steroidaler Antiphlogistika [41, 52], physikalische Therapie [22, 48], Manualtherapie [47], Lasertherapie [23], Ultraschallbestrahlungen [10] und Akupunktur [11] eingesetzt.

Neuer sind die Magnetfeldtherapie [55], die Infiltration mit Botulinumtoxin [35] oder Eigenblutinjektionen [8]. In der angloame rikanischen Literatur wird das PRICEMM-Schema favorisiert (Protection, Rest, Ice, Compression, Elevation, Medication, Modalities) [31]. Anhand von Übersichten und placebokontrollierten Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass all diese Maßnahmen nach einer Zeitspanne von etwa sechs Wochen den Placeboeffekt nicht signifikant überwiegen und somit der Einfluss der relativ hohen Spontanremissionsrate unklar bleibt [34, 41, 52].

Therapie chronischer Verläufe

Für therapierefraktäre, chronische Fälle mit Beschwerdedauer länger als sechs Monaten wird in der zweiten Behandlungsstufe eine operative Intervention oder die extrakor porale Stoßwellentherapie (ESWT) empfohlen. Jedoch besteht auch hinsichtlich der optimalen Operationstechnik keine Einheitlichkeit. Als konkurrierende operative Verfahren wurden Exzisionen des entzündlich veränderten Granulationsgewebes [9], Techniken zum Release der Unterextensoren [15, 50], Denervierungen der Epikondylenregion [59], Dekompressionen des tiefen Radialis-astes im Supinatorkanal [39], Einkerbungen des Ringbandes [3] und ein Release des Ursprungs des M. extensor carpi radialis brevis [51] beschrieben. Ernüchterung erbrachte das Ergebnis einer pro spektiven Studie, die die Effektivität zweier Operationsverfahren verglich und für beide Techniken nur eine Erfolgsquote von etwa 43 Prozent beziehungsweise 50 Prozent ermittelte [24].

Hinsichtlich der Wertigkeit der ESWT wurden seit Ende der 1990er-Jahre mehrere, teilweise placebokontrollierte Studien mit ermutigenden Ergebnissen publiziert [6, 49]. In einer großen multizentrischen Studie konnte jedoch die Wirksamkeit der ESWT nicht nachgewiesen werden [17]. Eine systematische Übersicht zeigte ferner keinen klaren Vorteil gegenüber Steroidinfiltrationen [4]. Außerdem sind die genauen Mechanismen des antinozizeptiven Effekts der ESWT weiterhin hypothetisch [4]. Im prospektiv randomisierten Vergleich erwies sich die Sehneneinkerbung mit 74,1 Prozent versus 65,5 Prozent der ESWT überlegen [36].

Option Strahlentherapie

Bezüglich des Einsatzes der Strahlentherapie zur Behandlung der EPH wurden seit dem ersten Bericht des Bonner Orthopäden A. Richarz (1922) [38] zahlreiche Arbeiten publiziert [5, 7, 12, 14, 16, 18–21, 27, 29, 30, 33, 37, 43, 44, 57, 58, 60]. Bewährt haben sich Einzeldosen von 0,5 bis 1,0 Gy, die zwei- bis dreimal pro Woche bis zu Gesamtdosen von 3,0 bis 6,0 Gy pro Behandlungsserie appliziert werden. Bei unzureichendem Ansprechen kann die Behandlung nach einem Intervall von sechs Wochen bis drei Monaten wiederholt werden. Die Behandlung kann alternativ in Orthovolttechnik an einem Röntgentherapiegerät wie auch mittels Photonen an einem Linearbeschleuniger durchgeführt werden. Eine Übersicht über die Ergebnisse von 1910 behandelten Fällen ist in Tabelle 3 zusammengefasst [5, 7, 12, 14, 16, 18–21, 27, 29, 30, 33, 37, 43, 44, 57, 58, 60]. Dabei wurde im Mittel bei 53 Prozent eine komplette Schmerzremission erzielt, bei 31 Prozent eine partielle Schmerzrückbildung, und nur 16 Prozent der Fälle blieben unbeeinflusst.

Im Gegensatz zu vielen anderen konservativen Therapiemaßnahmen erwies sich die Strahlentherapie auch hinsichtlich des mittel- bis langfristigen Ansprechens als außerordentlich effektiv [44]. So wurde nach einer Orthovoltbestrahlung mit zwei Kursen à 6 x 1,0 Gy nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 36 Monaten bei 50 Prozent eine anhaltende Schmerzfreiheit erzielt [44]; 37 Prozent hatten eine partielle Remission, sodass der Anteil der Therapieversager nur neun Prozent betrug. In der multivariaten Analyse erwiesen sich eine protrahierte Symptompersistenz sowie vorangegangene Gipsfixierungen als ungünstige Prognoseparameter.

Günstiges Nebenwirkungsspektrum

Abgesehen von passageren Beschwerdezunahmen in den Stunden nach der Bestrahlung treten aufgrund der relativ kleinen Strahlendosen keine relevanten Frühtoxizitäten wie zum Beispiel behandlungspflichtige Hautreaktionen auf. Auch die weitverbreitete Furcht vor einer möglichen Tumorinduktion, teratogenen Risiken oder gravierenden Gewebsschäden, die ein operatives Vorgehen limitieren könnten, erscheint unbegründet. So konnte anhand von Messungen gezeigt werden, dass die pro Behandlungsserie anfallenden Strahlenexpositionen die jährliche, natürliche Strahlenbelastung oder die Belastung durch diagnostische Verfahren (wie durch Schnittbilduntersuchungen oder Durchleuchtungen bedingte Expositionen) nur unwesentlich überschreiten. Dennoch sollte die Indikation zur Strahlentherapie kritisch und nur nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Auch wenn die Strahlentherapie in das bestehende Leitlinienkonzept nicht eingebunden ist, so ist sie doch eine nebenwirkungsarme und außerordentlich effektive Therapiemaßnahme zur Behandlung der EPH und eine wirksame Alternative zu den zahlreichen anderen Therapieoptionen.

Dr. med. Reinhard HeydStrahlenklinikKlinikum OffenbachStarkenburgring 6663069 OffenbachReiniheyd@aol.com

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus MMW 6/2010

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