Psychologie für Zahnärzte

Lernprozesse in der Praxishygiene

Heftarchiv Praxis
sg
Hygienevorschriften einzuhalten ist für das Team in einer Zahnarztpraxis eine stetige Aufgabe. Mitunter übersteigt die Fülle an Informationen und Handlungsanweisungen die Aufnahmekapazität und in manchen Fällen dadurch bedingt auch den Willen einzelner Mitarbeiter. An dieser Stelle gewährt die Psychologie Einsichten in entsprechende Lernmodelle und deren Anwendbarkeit.

Grundsätzlich gilt: Jedes Teammitglied der Praxis ist in der Lage, Hygienevorschriften zu erlernen und einzuhalten. Wenn aber Instrumente und Apparate ungenügend gesäubert werden, beziehungsweise sub-optimal desinfiziert oder sterilisiert wird, ist es an der Zeit, sich einige fundamentale psychologische Lernaspekte ins Gedächtnis zu rufen, um das Team motiviert und konstruktiv zu schulen. [zum Beispiel Mamerow, 2008; Winkel, Petermann Petermann, 2006].

Neuronale Strukturen

Nüchtern betrachtet funktioniert der Mensch entsprechend seiner neuronalen Verbindungen. Es gibt Nervenzellen, Synapsen, Neurotransmitter, Aktionspotentiale und Rezeptoren. Wird eine synaptische Übertragung durch eine bestimmte Handlung besonders häufig ausgelöst, vernetzen sich die neuronalen Strukturen und die Handlung kann schneller und leichter ausgeführt werden („cells that fire together wire together“ [Zellen die gemeinsam feuern, verdrahten sich]) [Hebb, 1949].

Nehmen wir nun an, eine junge Helferin beginnt ihre Ausbildung in der Zahnarztpraxis. Das Gehirn muss lernen, dass „Operationsbesteck“ eine Sonderform der Kategorie „Besteck“ ist, das sofort gereinigt und des-infiziert werden muss. Es müssen nicht nur neue neuronale Bahnen geformt werden wie bei einer vollständig unbekannten Handlung (was einfacher wäre). Alte Bahnen – nämlich die für den Umgang mit „Essbesteck“ – müssen gleichzeitig gehemmt und abgebaut werden. Dieser Lernprozess ist langwierig: Mindestens sieben Wochen und bis zu drei Monate dauert es, bis sich neue Verknüpfungen zuverlässig gebildet haben – und das bei regelmäßiger Rückmeldung. Das erfordert viel Geduld.

Lernprinzipien beachten

Grundsätzlich wird in der Psychologie davon ausgegangen, dass jeder Mensch lernfähig ist – ohne Ausnahme. Allerdings gibt es Bedingungen, die den Lernprozess optimieren [Rogers, 1969)] (siehe Kasten).

Unter Berücksichtigung der genannten Faktoren wird die Vermittlung von Praxishygiene erleichtert. Wichtig hierbei: Die Mitarbeiter müssen den Sinn erkennen, Abläufe selbst  erarbeiten und trainieren und schließlich aus einer Eigenmotivation heraus handeln.

Um einzelne Lernerfolge identifizieren zu können, ist eine Übersicht über die Lernschritte sinnvoll.

Deklaratives Faktenwissen

Am Anfang befindet sich die als lernwillig erkannte Helferin im Stadium des Wissens. Sie muss Fakten erlernen und sich die Abfolge der Schritte einprägen.

Prozedurales Handlungswissen

Darauf aufbauend kommt sie in das Stadium der Assoziationen und praktischen Übungen. Sie eliminiert Verständnisfehler, einzelne Zwischenschritte werden zu Handlungseinheiten. Im autonomen Stadium braucht es keine gezielte Aufmerksamkeit oder verbale Beschreibung mehr. Das Besteck wird ohne Überlegung gesäubert und für die nächste Benutzung adäquat vorbereitet.

Trotz Lernerfolg fällt eventuell auf, dass die Lernfortschritte anfangs enorm waren und mit der Zeit nachlassen. Mangelnde Motivation ist nicht zwangsläufig der Grund für dieses Phänomen. Vielmehr ist es so, dass sich jede motorische und kognitive Fertigkeit zu Anfang rapide verbessert, da sozusagen „das Grobe“ erlernt wird. Für die spätere Optimierung wird immer mehr Übung nötig, um das „Feintuning“ vorzunehmen.

Lernprozess aktiv begleiten

Das Einhalten von Hygienevorschriften erfordert das Erlernen, Einprägen und Automatisieren von unzähligen Handlungs- und Gedankenabläufen. Klar strukturierte und verständliche Anweisungen erleichtern diesen Prozess. Zusätzliche Faktoren wie Motivation, Einsicht oder Interesse kommen noch hinzu und addieren sich zu den lernpsychologischen Hürden auf dem Weg zur optimalen Praxishygiene.

Ziel sollte sein, bei den Handlungsabläufen der einzelnen Teammitglieder Schwachstellen zu erkennen und die Sicht der Teammitglieder einzunehmen und hier gegebenenfalls zu steuern. Dadurch kann der Zahnarzt Verbesserungsvorschläge anregen. Vor allem aber hilft diese Sichtweise, sich weg vom emotionalen Ärger und hin zur analytischstressreduzierten Herangehensweise zu begeben.

Dr. Lea Höfel, Dipl.PsychologinZugspitzstr. 7482467 Garmisch-Partenkirchen

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