10. Keramik-Symposium lässt in die Zukunft blicken

Oxidkeramik und digitale Abformung im Fokus

Zirkoniumdioxidkeramik hat sich in den vergangenen Jahren zum Werkstoff der Wahl für prothetische Rekonstruktionen im Frontzahn- und Seitenzahnbereich entwickelt und wurde aufgrund günstiger, klinischer Prognosen bei geeigneten Indikationen zu einer echten Alternative für metallgetragene Kronen und Brücken. Nicht nur die farbliche Assimilation zu Schmelz wie Dentin und die hohe Biegebruchfestigkeit des Gerüsts – auch die Plaqueresistenz und die biologische Verträglichkeit ebneten der Oxidkeramik den Weg zu einer breiten Akzeptanz, wie sich anlässlich des 10. Keramik-Symposiums in Hamburg wieder zeigte.

Weisen universitäre Langzeitstudien für Zirkoniumoxid( ZrO2)-Gerüste inzwischen gute Überlebensraten aus, wird in der Fachwelt das Risiko der Verblendfrakturen (Chippings) auf ZrO2-getragenen Kronen und Brücken diskutiert. Per TED (Teledialog) wurde auf dem 10. Keramik-Symposium der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AG Keramik) das Ausmaß der Chippings erhoben (Abbildung 1). Äußerten 21 Prozent der Teilnehmer, keine Chippings zu beobachten, attestierten 62 Prozent dieses Ereignis bei rund zehn Prozent ihrer ZrO2-Restaurationen; 14 Prozent sehen Chippings bei einem Viertel ihrer Arbeiten. Obwohl die Gründe für die Verblendfrakturen noch nicht schlüssig geklärt sind, ist inzwischen literaturbelegt, dass höhere Chippingraten in den Anfangsjahren des ZrO2-Einsatzes in der Prothetik aufgetreten sind. Dafür war verantwortlich, dass die ZrO2-Gerüste im Vertrauen auf die hohe Biegebruchfestigkeit sehr grazil mit dünnen Wandstärken und mit fehlender Höckerunterstützung ausgeschliffen und dicke Verblendschichten aufgetragen wurden, die unter Kaudruck Opfer von Zugspannungen wurden.

Seit mehreren Jahren mit ZrO2-Restaurationen vertraut, fokussierte PD Dr. Susanne Scherrer, Genf, das Chipping-Thema auf die Stabilisierung der Gerüste und Höcker. Zur Vermeidung von Gerüstfrakturen sollte für Kronenkappen oder Brückengerüste der verfügbare Raum für ausreichende Wandstärken und Konnektoren genutzt werden. Hier macht es laut Scherrer keinen Sinn, mit dünnen Gerüsten Material zu sparen. Die unter dem Gesichtspunkt der Festigkeit schwächere Verblendkeramik sollte eine Schichtstärke von 1,5 mm nicht übersteigen. Auf starke Einziehungen zwischen Brückengliedern sollte verzichtet werden. Die Unterstützung der Verblendung kann dadurch erreicht werden, dass Kronenkappen anatoform gestaltet werden, das heißt der anatomischen Form folgen (Abbildung 2). Höcker müssen durch das Gerüst unterstützt werden (Abbildungen 3 und 4), damit keine Zugspannungen in der Verblendschicht entstehen. Kontaktpunkte, die sich auf einer okklusalen Cresta mesialis oder distalis befinden, sollten vermieden werden, da es dort keine Gerüstunterstützung gibt. Da Gerüst- und Verblendkeramik schlechte Wärmeleiter sind, sollte beim Sintern der Verblendschicht eine Verlängerung der Abkühlphase genutzt werden. Beim schnellen Abkühlen entstehen thermische Restspannungen (20 bis 40 MegaPascal), die unter Umständen den späteren Verbund zur Verblendkeramik beeinträchtigen. Durch ein geändertes Brennprogramm mit verlängerter Abkühlung werden Spannungen am Interface ZrO2und Verblendung abgebaut.

Sollte das Gerüst nach dem Dichtsintern nachbearbeitet werden müssen, sind grobkörnige Diamantschleifer kontraindiziert. Diese Instrumente führen zu Mikrorissen und das Beschleifen ohne Wasserkühlung löst thermische Spannungen in der Keramik aus. Deshalb sollten – falls unbedingt erforderlich – nur kleine Flächen mit Feinstkorndiamant in der flüssigkeitsgekühlten, hochdrehenden Laborturbine (KaVo) mit geringer Anpresskraft (<2 Newton) kurzzeitig bearbeitet werden. Obwohl der „Airbag“-Effekt – das heißt die Partikelausdehnung in der monoklinen Phase – einen eventuellen Rissfortschritt „zuklemmt“ oder verhindert, können früh gesetzte Mikrorisse zu späteren Gerüstfrakturen führen. Die Annahme, dass ein „Heilbrand“ nach großflächigen Korrekturarbeiten Mikrorisse durch Verschmelzen eliminiert und die Gefügedestruktion regeneriert, ist laut Scherrer durch keine Untersuchung belegt. Generell wird der Regenerationsbrand in der Fachwelt noch kontrovers diskutiert. Deshalb sind die Verarbeitungshinweise der Keramikhersteller unbedingt zu beachten.

Das Abstrahlen als Maßnahme zur Reinigung der äußeren, zu verblendenden Gerüstflächen ist ausnahmslos abzulehnen; damit soll durch mechanische Beanspruchung keine neue Energie in das ZrO2-Kristallgitter mit dem Risiko der Verschiebung des Wärmeausdehnungskoeffizienten (WAK) hineingetragen werden. Für das Gerüstreinigen ist das Abdampfen bestens geeignet. Anders verhält es sich bei den Innenflächen der Krone, die aufgrund der glatten Oberfläche keine Mikroretention aufweist. Dafür ist das Abstrahlen zur Verbesserung der adhäsiven Retention in gewissem Umfang geeignet. Scherrer empfahl 30 bis 50 μm Al2O3-Korn, 1 bar Druck, kurzzeitiges Strahlen (5 bis 10 Sekunden). Groberes Korn und höherer Strahldruck bergen die Gefahr einer mechanischen Überbeanspruchung mit der Folge einer Werkstoffermüdung.

Intraoral abformen mit der Kamera

Selbstverständlich ist, dass passgenaue und ohne weitere Korrekturen einsetzbare Restaurationen der Wunsch eines jeden Zahnarztes sind. Voraussetzung hierfür sind exakte Abformungen der Präparation und der Gebisssituation. In dieser Disziplin hat seit geraumer Zeit die Digitalisierung Einzug gehalten, wobei die Anfänge der digitalen Abformung – durch Prof. Werner Mörmann an der Universität Zürich initiiert – bis ins Jahr 1985 zurückreichen. Prof. Bernd Wöstmann, Gießen, führte aus, dass auf dem Weg zu einer exakten Restauration die Abbildung der intraoralen Situation auf einem realen oder auch virtuellen Modell einen ganz entscheidenden Schritt darstellt, da die Herstellung definitiver Restaurationen – vom Inlay bis hin zu mehrgliedrigen Brücken – nur indirekt möglich ist. Aufgrund werkstofflicher und haptischer Bedingungen ist es bis heute nicht möglich, über die klassische Abformung mit Elastomeren ein „fehlerfreies“ konventionelles (Gips-)Modell herzustellen. Damit ist auch jedes auf Basis dieser Arbeitsunterlage erzeugte, virtuelle Modell ungenau – einerlei, wie präzise der Scanvorgang an sich ist. Deshalb liegt es nahe, den Scanvorgang direkt in der Mundhöhle durchzuführen.

Nachdem der labortechnische Prozess bei der Herstellung vollkeramischer Restaurationen ohne CAD/CAM-Einsatz nur noch schwer vorstellbar ist, hat mit der Einführung lichtoptischer Scans zur intraoralen Abformung der nächste Schritt zur vollständigen Digitalisierung der Prozesskette von der Präparation bis zur Eingliederung des Zahnersatzes bereits begonnen (Cerec AC/Sirona, C.O.S. Lava/3M Espe, iTero/ Cadent-Straumann). Die Geräte ähneln sich in ihrer klinischen Handhabung, unterscheiden sich jedoch in ihren Funktionsprinzipien bei der Gewinnung dreidimensionaler Datensätze: Cerec AC nutzt für die Aufnahmeeinheit kurzwelliges Blaulicht (470 NanoMeter) und arbeitet nach dem Prinzip der Streifenlichtprojektion (Abbildung 5). Der Scanvorgang erfolgt in Form von Einzelbildern; Winkelaufnahmen erfassen Zahnareale unterhalb des Äquators und erhöhen die Wiedergabegenauigkeit. Mehrere Aufnahmen werden durch Matching zu einem Quadranten oder Ganzkiefer zusammengerechnet, ebenso Gegenbiss und Bissregistrat (Abbildung 6). Das Wavefront Sampling von C.O.S. Lava erfasst die Zahnform durch die Bewegung der Videokamera über die Zähne. Durch Positionsänderung der einzelnen Bildpunkte während der Aufnahme kann deren Abstand zur Kamera berechnet werden, wodurch eine dreidimensionale Darstellung der Zahnreihe entsteht (Abbildung 7). Der iTero Scanner arbeitet nach dem Prinzip der Laser-Triangulation. Die Aufnahme erfasst den Zahn und scannt vertikal 300 Ebenen mit jeweils 50 μm Tiefe (Abbildung 8).

Die Scan-Genauigkeit von Cerec AC und C.O.S. Lava entspricht laut Wöstmann einer konventionellen Hydrocolloid- und Polyvinylsiloxan-Abformung. Unterschiede waren nicht signifikant [DaCosta, Oper Dent 3, 2010]. Bei Messungen mit von C.O.S. Lava hergestellten Kronen-Käppchen lag der Mittelwert aller Randspalten bei 33 μm (± 16 μm). Bei den mit konventioneller Abformtechnik hergestellten Käppchen betrug der mittlere Randspalt 69 μm (± 25 μm). Vergleichbare Ergebnisse wurden im Rahmen einer klinischen Studie festgestellt [Syrek, J Dent 7, 2010]. Der mittlere, marginale Randspalt der konventionell hergestellten Kronen betrug 71 μm gegenüber 49 μm bei den mit C.O.S. Lava hergestellten Kronen. Literaturbelegt ist für Cerec 3D eine Toleranz von 40 μm (± 21 μm) [Trifkovic, Vojnosanit 2010, PubMed].

Ein weiterer Vorteil der optischen Abformung besteht darin, dass die eingescannte Präparation direkt am Bildschirm kontrolliert und gegebenenfalls vorhandene Unzulänglichkeiten direkt korrigiert werden können. Auch bieten die Scan-Verfahren gerade für Patienten mit starkem Würgereiz einen deutlichen Gewinn an Behandlungskomfort. Weniger Behandlungs- und Arbeitsschritte bedeuten auch weniger Fehlerquellen und eine bessere Standardisierung, wodurch die Vorhersagbarkeit der Behandlungsergebnisse verbessert werden kann. Bei deutlich infragingival liegenden Kronenrändern stoßen optische Scansysteme laut Wöstmann noch an ihre Grenzen, so dass hier weiterhin konventionelle Abformtechniken zum Einsatz kommen.

Digital formt genauer ab

Die Abformpräzision digital generierter Abformungen wurde von Prof. Gerwin Arnetzl, Graz, mit konventionellen Elastomer-Abdrücken in einer 3-D-Volumen-Differenzanalyse verglichen [Arnetzl, ZMK 5, 2010]. Wenn konventionelle Abformungen eine Rückstellung nach Verformung von 98,5 Prozent aufweisen, bedeutet das für eine Inlaykavität eine Passungenauigkeit von 35 bis 75 μm. Dazu addieren sich bei Gussobjekten noch Toleranzen von 46,5 μm [Lehmann, DZZ 43, 1988], so dass im indirekten Verfahren hergestellte Kronen literaturbelegte Abweichungen von 114 μm erreichen [Plekavich, J Prosthet Dent 49, 1983]. Unterschiedliche elastomere Abformtechniken verursachen zum Teil erhebliche Abweichungen. So wurde bei analoger Standardabformung eine Abweichung von 49 μm und bei einer Vergleichsabformung eine Abweichung von 122 μm festgestellt [Cox, J Prosthet Dent 87, 2002].

Digital beziehungsweise optoelektronisch erzeugte Messaufnahmen wiesen bei verschiedenen Behandlern Genauigkeitsschwankungen von 11 μm auf [Mehl, Int J Comp Dent 12, 2009]. Die Abweichungen, bezogen auf einen ganzen Quadranten, liegen bei der analogen Abformtechnik bei 72 bis 101 μm, während die Messfehlertoleranz bei digitalen Aufnahmen unter Einbeziehung von präzisionssteigernden Winkelaufnahmen in der Größenordnung von 35 μm liegt. Potenzielle Fehlerquellen bieten hierbei die Scannerjustierung, magnetische Störfelder bei der Bildverarbeitung, Bild-rauschen und die Software. Diese Daten belegen laut Arnetzl, dass digital generierte Daten bei korrekter Handhabung von Kamera oder Scanner weniger Fehler und eine größere Präzision aufweisen als die konventionelle Abdrucktechnik mit Elastomeren.

Aufgrund der Vorteile in Bezug auf Standardisierung, Qualitätssicherung und Patientenkomfort haben digitale Intraoral-Abformsysteme laut Wöstmann ein großes Zukunftspotenzial und werden in den kommenden Jahren immer zahlreicher im zahnärztlichen Alltag anzutreffen sein. Die damit geschaffenen Datensätze vereinfachen im Online-Datenaustausch die Kommunikation zwischen Zahnarzt und Zahntechniker, unabhängig von der Entfernung. Ergänzende Fazialfotos, Angaben zur Zahnfarbe, zur Individualisierung, zum Werkstoff, zum Okklusionskonzept können angehängt werden.

Manfred KernArbeitsgemeinschaft für Keramikin der Zahnheilkundeinfo@ag-keramik.de

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