Wissenschaftliches Highlight auf dem FDI-Kongress

Eine neue Matrix zur Kariesklassifikation

Auf dem diesjährigen FDI-Kongress in Mexico City verabschiedete die Generalversammlung ein neues Kariesklassifikations- und -managementsystem. Es soll vor allem für die Forschung, aber auch für die Praxis eine solide Grundlage bieten, um das Kariesrisiko besser abschätzen zu können.

Im FDI-Wissenschaftskommittee ist in den letzten Jahren ein neues Kariesklassifikationssystem erarbeitet worden, das auf der diesjährigen Generalversammlung verabschiedet wurde. Vor allem für die Forschung, aber auch im Praxisalltag soll es bei der Kariesdiagnostik Hilfestellung bieten.

Das neue System (siehe Abbildung) hat einen dreistufigen Aufbau. Je nach Anwendung kann man die althergebrachte Karieseinteilung (ja/nein) oder aufwendigere Unterteilungen in Schmelz-/Dentinkaries mit und ohne Kavitätenbildung anwenden. Abhängig von der beabsichtigten Anwendung ermöglichen diese verschiedenen Kariesgrade eine wesentlich frühere Diagnose der Karies mit feineren Abstufungen, wodurch sowohl bessere wissenschaftliche Aussagen über die Wirksamkeit von Prophylaxemitteln möglich sind als auch die Betreuung der Kariespatienten in der Praxis wesentlich besser gesteuert werden kann. Auch für epidemiologische Studien bietet es viele Vorteile gegenüber dem alten WHO-Schema, das zum Beispiel von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) in Deutschland noch verwendet wird, weil Veränderungen der Kariesprävalenz und Prophylaxemaßnahmen in der Gruppenund Individualprophylaxe viel präziser und früher erfasst werden können.

Vor über 100 Jahren hatte der amerikanische Wissenschaftler Greene Vardiman Black eine Kariesklassifikation zur Planung restaurativer Maßnahmen entworfen. Heute wird dieses System immer noch von vielen Zahnärzten angewendet. In den letzten Jahren gab es jedoch wesentliche Fortschritte im Verständnis der Karies. Die Entkalkung der Zahnhartsubstanz durch Säuren ist – wie man heute weiß – keine Einbahnstraße, sondern unterliegt im Mund vielen präventiven wie auch negativen Einflüssen. Die Dynamik dieser Entkalkung kann durch den Patienten und das Praxisteam beeinflusst werden. Dazu braucht es aber eine Bestimmung der Risikofaktoren. Wichtig für die Ätiologie der Karies sind auch die Übertragungswege der kariesauslösenden Bakterien bei kleinen Kindern. Klinisch führen diese neuen Erkenntnisse zu der Konsequenz, zahnschonend oder minimal-invasiv therapieren zu können, mit der Möglichkeit die Karies zu stoppen und frühe Läsionen zu remineralisieren.

Zum Hintergrund:

•  Karies ist eine multifaktorielle Erkrankung, die man verhüten kann.

•  Durch den Erkrankungsprozess kommt es zum Mineralverlust in der Zahnoberfläche und in darunter liegenden Schichten, was später zur Kavitätenbildung führt.

•  Die Erkrankung ist vorhanden, ehe es zur Kavitätenbildung kommt.

•  Die Erkrankung kann in frühesten Phasen behandelt und geheilt werden. Eine frühe Diagnose und ein Stoppen durch Remineralisation ist in vielen Fällen möglich, ohne eine Füllung legen zu müssen.

•  Wird allerdings nicht präventiv/minimalinvasiv vorgegangen, kommt es zu irreversiblen Schäden am Zahn (Kavitation) mit den lebenslangen Konsequenzen der Re-Restauration.

•  Die modifizierbaren und nicht modifizierbaren Risikofaktoren sind wichtige Faktoren der Kariesentstehung.

•  Soziale Faktoren spielen eine wichtige Rolle in der Kariesrisikobestimmung, deren Behandlung und dem Management der Läsion.

•  Die Klassifikation der Karies basiert auf den fünf Kavitätenformen, ohne Berücksichtigung des Stadiums oder der Größe der Läsion.

•  Jede neue Form der Kariesklassifikation sollte das Stadium, die Aktivität und die Größe der Läsion berücksichtigen, sowohl für Primär- wie für Sekundärkaries von Restaurationen und Versiegelungen.

•  Jede neue Kariesklassifikation sollte idealerweise für Milch- wie bleibende Zähne anwendbar sein und auch die systemischen Konsequenzen unbehandelter Karies berücksichtigen.

•  Jede neue Kariesklassifikation sollte es Entscheidungsträgern ermöglichen, den Gesundheitsstatus der Bevölkerung zu erkennen und den Behandlungsbedarf und Prioritäten in der zahnärztlichen Versorgung zu identifizieren sowie die bisherige Versorgung darzustellen.

•  Jede neue Kariesklassifikation sollte die Notwendigkeit des frühen präventiven Vorgehens und den Stopp der Läsion berücksichtigen und das Monitoring der präventiven Behandlung ermöglichen, bis hin zur Planung restaurativer Maßnahmen.

•  Das Kariesmanagement und die Überwachung der Kariesprogression sollte lokale Faktoren berücksichtigen, aber auch den allgemeinen Gesundheitszustand, die Ernährung und das Umfeld des Patienten.

Prof. Dr. Elmar ReichLeiter des Aus- und Fortbildungskomitees der FDIRolf-Keller-Platz 188400 Biberachereich@t-online.de

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