Wettbewerb nach Patentablauf

Ärger um Rabattverträge

Sollen Arzneimittelrabattverträge reguliert werden, um einen fairen Wettbewerb zwischen Erstanbietern und Generika-Herstellern herzustellen? Das zumindest fordert die Generika-Branche. Der Bundesrat sieht allerdings keinen Handlungsbedarf.

Der Bundesrat hat den Vorstoß der Wirtschaftsminister der Länder vorläufig abgelehnt, Arzneimittelrabattverträge gesetzlich nachzuregulieren. Der Wirtschaftsausschuss der Länderkammer hatte durchsetzen wollen, dass Krankenkassen nach dem Ablauf eines Medikamenten-Patents zwei Jahre lang keinen Rabattvertrag mit dem Hersteller über das entsprechende Medikament schließen dürfen. Dies sollte nach Ansicht des Ausschusses verhindern, dass sich Pharmaunternehmen kurz vor Ende des Patentschutzes eines Arzneimittels große Teile des Absatzmarkts für die Zukunft sichern. Vor allem die Generika-Branche hatte im Vorfeld massiv für eine entsprechende gesetzliche Regelung plädiert.

Riesiger Markt

Denn für die Generika-Hersteller geht es um einiges: 2011 haben die gesetzlichen Krankenkassen durch Rabattverträge insgesamt knapp 1,6 Milliarden Euro gespart (AOK: 683 Millionen). Seitdem 2006 das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) und 2007 das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz die Möglichkeiten der Krankenkassen deutlich erweiterten, exklusive Rabattverträge mit Pharmaherstellern auszuhandeln, ist der Markt erheblich in Bewegung gekommen. Inzwischen schließen alle gesetzlichen Krankenkassen – allein oder im Verbund – Versorgungsverträge für Generika, also sogenannte Nachahmermittel, die nach Ablauf des Patentschutzes eines Arzneimittels als preisgünstige Kopie auf den Markt kommen, ab. „Die Rabattverträge sind das einzige Instrument, mit dem eine Krankenkasse ihre Ausgaben für Medikamente individuell, flexibel und effektiv steuern kann“, so der Chefverhandler des GKV-Marktführers AOK, Christopher Hermann.

Dieses Steuerungsinstrument nutzen die Kassen intensiv: Nach Angaben des Marktforschungsinstituts IMS Health fielen im vergangenen Jahr über 60 Prozent der patentfreien Medikamente unter einen Rabattvertrag. Durch die Einsparungen der Kassen sind die Gewinnmargen pro Packung bei Generika deutlich gesunken. Dementsprechend wichtig ist es, das Geschäft nun über die Masse zu machen – indem man bei möglichst vielen Rabattverträgen zum Zuge kommt.

Umsatzstarke Blockbuster

Hintergrund für die Diskussion im Bundesrat ist die jüngste Entwicklung auf dem Arzneimittelmarkt: Hersteller von patentierten Arzneimitteln handeln immer öfter Rabattverträge mit den Kassen aus, kurz bevor der Patentschutz ausläuft. Handelt es sich dabei um sogenannte Blockbuster mit hohem Umsatz, geht es um enorme Summen. Ende April 2012 lief beispielsweise das Patent des Bluthochdruckmittels Candesartan aus. 2010 gab es für verschiedene Arzneimittel mit diesem Wirkstoff laut Arzneiverordnungsreport rund 3,9 Millionen Verordnungen. Insgesamt gaben Krankenkassen rund 378 Millionen Euro für Candesartan-Präparate aus. Generika-Unternehmen hatten den Ablauf des Patents bereits im Visier und stiegen in die Herstellung des Wirkstoffs ein. Kurz vor Patentablauf schlossen die Originalhersteller allerdings einen Rabattvertrag mit insgesamt 125 Krankenkassen ab und sicherten sich so einen Großteil des Marktes für zwei Jahre. Die Generika-Hersteller haben das Nachsehen.

Auch die jüngste Ausschreibung eines Rabattvertrags der KKH-Allianz bietet Zündstoff: Ebenfalls Ende April hatte die Krankenkasse erstmals verschiedene patentgeschützte Wirkstoffe für einen Rabattvertrag ausgeschrieben, der zumindest teilweise deutlich über die Laufzeit des jeweiligen Patentschutzes hinausgeht. Ziel der Kasse ist offenbar, nun auch bei patentgeschützten Medikamenten mittels Rabattvertrag Einsparungen zu erzielen. Die Pharmafirmen, deren patentgeschützte Mittel bislang einen hohen Preis erzielten, sollen der Kasse also einen sofortigen Rabatt anbieten – das sich daraus ergebende Minus beim Hersteller kompensiert die Kasse, indem sie einen exklusiven Rabattvertrag für die Zeit nach Ablauf des Patentschutzes anbietet. Der jeweilige Hersteller muss also kalkulieren, ob er bereit ist, Verluste kurzfristig hinzunehmen, wenn er sich damit später für die Dauer des Rabattvertrags einen festgelegten Verkaufspreis sichert und sich nicht in Preiskonkurrenz mit Generika-Herstellern begeben muss.

Wettbewerb verhindert

Aus der Sicht der Generikahersteller sind solche Verträge nichts anderes als eine Verhinderung des Preiswettbewerbs, kritisiert der Branchenverband „Pro Generika“. „Die Ausschreibung der KKH-Allianz bedeutet eine völlig neue Qualität. Generika-Unternehmen planen ihren Markteintritt mit erheblichem Vorlauf und unter Abwägung der unternehmerischen Risiken: Investitionsentscheidungen müssen getroffen und Zulassungen beantragt werden“, so Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika. Die Unternehmen müssten sich daher darauf verlassen können, dass mit dem Ablauf eines Patents Monopolstellungen tatsächlich beendet würden und die Tür für den Generika-Wettbewerb weit geöffnet wird.

„Offenbar setzen aber viele Krankenkassen trotz der Milliardenüberschüsse immer stärker auf Strategien, die allein auf einen kurzfristigen Nutzen abzielen. Dabei nehmen sie eine Behinderung des Generika-Wettbewerbs in Kauf, der der maßgebliche Faktor bei nachhaltigen Einsparungen und damit die Grundlage der Arzneimittelversorgung in Deutschland ist.“

Bestmögliche Preise

Die gesetzlichen Krankenkassen sehen das allerdings ganz anders. Sie wollen ergebnisorientiert in Rabattverhandlungen gehen und versuchen die bestmöglichen Preise auszuhandeln – ob mit Erstanbietern oder Generika-Herstellern, ist ihnen egal. Für die führenden Großen der Generika-Branche wäre ein gesetzliches Rabattverbot für Erstanbieter „eine Lizenz zum Gelddrucken“, kommentierte Uwe Deh, Chef des AOK-Bundesverbands, und begrüßte die ablehnende Entscheidung des Bundesrats. Es gebe kein belastbares Beispiel dafür, dass durch den Rabattvertrag einer Krankenkasse mit dem Originalhersteller nach Patentablauf der Generika-Wettbewerb behindert würde. „Am Markt setzen sich die Unternehmen durch, die das beste Preis-Leistungs-Verhältnis für die Solidargemeinschaft der GKV bieten“, bringt es der AOK-Chef auf den Punkt.

Zumindest kurzfristig profitieren die Versicherten von den Verhandlungserfolgen und den Einsparungen ihrer Kassen. Ob sich die Strategie der Krankenkassen, möglichst große, sofortige Einsparungen zu generieren, allerdings auch lang- fristig bewährt, bleibt abzuwarten.

Otmar Müller

Freier gesundheitspolitischer Fachjournalist

mail@otmar-mueller.de

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