EU-Richtlinie zur Preisfestsetzung von Arzneimitteln

Ringen um mehr Transparenz

Die EU-Kommission will mit neuen Vorschriften zur Transparenz und Objektivität behördlicher Preisfindungs- und Erstattungsverfahren erreichen, dass Patienten Arzneimittel künftig überall in der EU zügig zur Verfügung stehen. Beim Marktzugang gibt es bislang große Unterschiede. Die Pharmaindustrie begrüßt die Vorschläge der Brüsseler Behörde. Einzelne Europaabgeordnete fordern darüber hinaus langfristig eine Angleichung der Arzneimittelpreise. Die Pläne müssen noch im Europaparlament und von den Regierungen beraten werden.

In vielen EU-Staaten ist die Markteinführung von Arzneimitteln aufgrund komplizierter Preisfindungs- und Erstattungsverfahren verzögert. Insbesondere Patienten in süd- und osteuropäischen Ländern erhalten häufig verspätet Zugang zu Innovationen und Generika. Dies will die Europäische Kommission durch eine Revision der Vorschriften zur Transparenz der Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungsverfahren von Humanarzneimitteln verbessern.

Nach einem Vorschlag, den die Behörde Anfang März in Brüssel vorgestellt hat, sollen innovative Produkte künftig in allen 27 EU-Staaten innerhalb von spätestens 120 Tagen (bislang 180) nach ihrer Zulassung auf dem Markt verfügbar sein. Für Generika gilt eine Fristverkürzung auf 30 Tage, sofern der Preis für das Originalpräparat bereits genehmigt worden ist. Fristüberschreitungen sollen künftig zudem strenger kontrolliert und geahndet werden.

Grund für die Verzögerungen ist, dass viele EU-Staaten Arzneimittel erst dann auf den Markt bringen, wenn die Preisregulierung abgeschlossen ist. Erhebliche Diskrepanzen gibt es nach einer Studie, die das schwedische Karolinska Institut in Zusammenarbeit mit der Stockholm School of Economics erstellt hat, zum Beispiel bei der Markteinführung von modernen Krebsmedikamenten. Patienten in Österreich, Frankreich und der Schweiz haben demnach den schnellsten Zugang zu neueren Krebstherapien, während Polen, Tschechien und Großbritannien weit hinterherhinken. Die EU-Kommission verweist zudem darauf, dass die Preisfindungs- und Kostenerstattungsentscheidungen innerhalb der EU bei innovativen Medikamenten allgemein mitunter um bis zu 700 Tage und bei Generika um bis zu 250 Tage überschritten werden.

Bei der Vorstellung des Vorschlags betonte EU-Industriekommissar Antonio Tajani: „Wir brauchen zügigere Entscheidungen über die Preisfestsetzung und Kostenerstattung von Arzneimittel, damit der Markt dynamisch bleibt und sie für die Bürgerinnen und Bürger rascher erhältlich sind.“ Die EU-Kommission erhofft sich durch eine schnellere Markteinführung von Generika zudem erhebliche Einsparungen bei den öffentlichen Gesundheitsausgaben.

Für Deutschland kaum Änderungen

Für Deutschland sind durch die Überarbeitung der Vorschriften kaum Änderungen zu erwarten. Denn neu zugelassene Arzneimittel sind hierzulande bereits mit ihrem Inverkehrbringen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. „Unwürdige Schwebezustände zu Lasten der Patienten, wie man sie mancherorts in Europa kannte, wollte in Deutschland niemand“, so Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). Diese Errungenschaft in puncto Innovationsverfügbarkeit nach Zulassung habe auch das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) nicht angetastet.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) begrüßt ferner, dass der G-BA-Beschluss zur frühen Nutzenbewertung sowie eine Einbeziehung von Therapiehinweisen in die Richtlinie vorgesehen sind.

In Deutschland werden seit Inkrafttreten den AMNOG im Januar 2011 neue Arzneimittel erstmals einer so genannten frühen Nutzenbewertung unterzogen. Die Pharmahersteller dürfen demnach den Preis für neu auf den Markt gebrachte Arzneimittel nunmehr nur noch für die ersten zwölf Monate frei festsetzen. Zugleich müssen sie bei der Markteinführung beweisen, dass ihr Produkt einen größeren Nutzen für die Patienten hat. Über den möglichen Zusatznutzen und die Verordnungsfähigkeit entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Stellt der G-BA keinen Zusatznutzen fest, dürfen die gesetzlichen Krankenkassen ab dem zweiten Jahr nach Markteinführung nur den Betrag erstatten, der für ein vergleichbares Medikament gilt. In allen anderen Fällen handelt der Spitzenverband der Krankenkassen den Preis mit dem Hersteller aus. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine Schiedsstelle über den endgültigen Preis.

Hoheit der Mitgliedstaaten

An diesem Verfahren kann die EU mit ihren neuen Vorschriften nicht rütteln, da es den Mitgliedstaaten frei steht, die Preise festzulegen und zu bestimmen, inwieweit die sozialen Sicherungssysteme entsprechende Therapien erstatten dürfen. Dies geschieht allerdings nach Maßgabe einheitlicher EU-Vorschriften, die die Transparenz und Objektivität behördlicher Preisfindungs- und Erstattungsverfahren garantieren sollen. Die überarbeiteten Regelungen sollen zudem den Druck auf säumige Staaten erhöhen, künftig zügiger über die Markteinführung von Arzneimitteln zu entscheiden.

Auch Europaabgeordnete begrüßen die neuen Vorschläge. „Die bestehende Richtlinie wurde seit rund 20 Jahren nicht geändert, so dass eine Anpassung an den heutigen Arzneimittelmarkt sinnvoll und richtig ist, da sich inzwischen manche Faktoren grundlegend geändert haben“, so der CDU-Politiker Dr. med. Peter Liese. EU-einheitliche Transparenzvorschriften seien daher im Sinne der Patienten, der Unternehmen und der Sozialsysteme in Europa.

Liese spricht sich zugleich dafür aus, die Arzneimittelpreise langfristig zu harmonisieren. „Die unterschiedlichen Preise für Arzneimittel innerhalb der EU sind weder gerechtfertigt noch sozial“, kritisiert der Europaabgeordnete. Ein erster Schritt hin zu einer Harmonisierung könne eine gemeinsame Kosten-Nutzen-Analyse von Arzneimitteln durch die EU-Staaten sein, so Liese.

Petra Spielberg

Altmünsterstr. 1

65207 Wiesbaden

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