Mundgesundheitsziele für Deutschland

Auf den Punkt gebracht

Gesundheitsziele haben in der politischen Diskussion eine wichtige Funktion: Sie dienen dem internationalen Vergleich, der Anmahnung von notwendigen Ressourcen und der Systemsteuerung. Auch die Bundeszahnärztekammer nutzt die Formulierung von Zielsetzungen in der Mundgesundheit zur standespolitischen Positionierung. Jetzt hat sie die aus dem Jahre 2004 stammenden Mundgesundheitsziele aktualisiert und neuen Entwicklungen angepasst. Hier eine Übersicht.

Mundgesundheitsziele haben aus Sicht des Berufsstandes viele Vorteile: Sie ermöglichen eine professionsübergreifende Problemsicht, eine Verständigung über Prioritäten in der Versorgung und sie skizzieren Auswirkungen auf andere Versorgungsbereiche. Die Ziele definieren Aufgaben für den Berufsstand und bieten eine Möglichkeit, die zahnärztliche Tätigkeit sowie die gesundheits- und versorgungspolitischen Rahmenbedingungen zu bewerten. Außerdem gehen sie auf präventive Aspekte ein. Eine erfolgreiche Umsetzung der Ziele fordert allerdings volkswirtschaftliche Ressourcen ein, es sind also Finanzmittel inner- und außerhalb des Systems der GKV nötig.

Zum Hintergrund: Für den zahnärztlichen Bereich hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO zusammen mit dem Weltzahnärzteverband FDI im Jahre 2003 die „Global Goals for Oral Health by the Year 2020“ definiert. Auf dieser Basis hat die BZÄK 2004 eine aktualisierte Fassung ihrer bereits im Jahre 2000 erarbeiteten lokalen Mundgesundheitsziele veröffentlicht. Deutschland war damals das erste Land, das die neuen internationalen Zielempfehlungen von WHO und FDI auf die Besonderheiten der nationalen Ebene angepasst hatte. 2012 hat die BZÄK jetzt ihre Fassung von 2004 noch einmal grundlegend überarbeitet und auf Basis neuerer wissenschaftlicher Studien (IDZ, DAJ) und Erkenntnisse für 2020 angepasst.

Mundgesundheit weiter fördern

Das zusammengefasste Ziel für 2020 liegt darin, die Mundgesundheit weiter zu fördern und die Auswirkungen von Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen auf die Allgemeingesundheit und auf psychosoziale Entwicklungen zu reduzieren. Dabei sollten die Risikogruppen und die Früherkennung, Prävention und effiziente Behandlung oraler Erkrankungen besonders berücksichtigt werden. Beabsichtigt ist weiter, Strukturen und Programme für die Mundgesundheitsversorgung zu unterstützen, die Mundgesundheitsförderung in andere Bereiche der Gesundheitsversorgung zu integrieren und die soziale und berufsethische Verantwortung des Berufsstands weiterzuentwickeln.

Die Ziele im Einzelnen

Die Definition der BZÄK-Mundgesundheitsziele (siehe Überblick) und die Erläuterungen dazu im Einzelnen:

• Zahnhartsubstanzdefekte bei sechs- und siebenjährigen Kindern:

Nach wie vor soll der Anteil kariesfreier Zähne bei sechsjährigen Kindern bis zum Jahr 2020 mindestens 80 Prozent betragen. Diese Ziel ist nach Ansicht der BZÄK ambitioniert formuliert. Sollte der Kariesrückgang im Milchgebiss weiterhin so abgeschwächt verlaufen wie bisher, sei dieses Ziel aber nur mit großen Anstrengungen erreichbar. Der Sanierungsgrad der Milchzähne sei defizitär. Ursachen seien unter anderem der Anstieg frühkindlicher Karies (Nuckelflaschenkaries), die Polarisierung des Erkrankungsrisikos oder mangelnde Vorsorgeprogramme bei den unter Dreijährigen. Als Handlungsempfehlung schlägt die BZÄK die zugehende Betreuung bei Hochrisikogruppen, die Integration des zahnärztlichen Kinderpasses in den Mutterpass und systematische Früherkennungsprogramme vor.

• Zahnhartsubstanzdefekte bei zwölfjährigen Kindern:

Die für die zwölfjährigen Kinder vorgegebenen Zielwerte für das Jahr 2020 waren bereits 2005 erreicht und wurden 2009 bestätigt. Die BZÄK empfiehlt, den Status Quo zu stabilisieren und den Anteil der Zwölfjährigen mit hohem Kariesbefall weiter zu reduzieren.

• Zahnhartsubstanzdefekte bei 35-44-Jährigen:

Der durchschnittliche DMFT-Wert ist zurückgegangen, die Anzahl der kariösen Zähne hat sich gegenüber 1997 nahezu halbiert. Als neues Ziel empfiehlt die BZÄK, den mittleren M-T-Wert weiter zu reduzieren. Dazu sollten individualprophylaktische Maßnahmen weiter verfolgt werden, zum Beispiel die Professionelle Zahnreinigung.

• Parodontopathien:

Die Prävalenz schwerer parodontaler Erkrankungen soll unter Berücksichtigung der Risikofaktoren Rauchen, schlechte Mundhygiene, Stress und systemische Erkrankungen reduziert werden, und zwar bei 35-44-Jährigen auf 10 Prozent und bei 65-74-Jährigen auf 20 Prozent.

Die BZÄK empfiehlt, angesichts eines steigenden Risikos für parodontale Erkrankungen in zunehmendem Alter das Ziel unverändert zu belassen. Es sollte eine verstärkte Aufklärung über Ursachen und Symptome von Parodontalerkrankungen erfolgen, einschließlich häuslicher Mundhygiene und Zahnzwischenraumpflege. Präventionsstrategien sollten beginnend vom Jugend- und Erwachsenenalter bis hin zum Seniorenalter fortgeführt werden. Dazu gehöre auch eine entsprechende Qualifizierung der Mitarbeiter und die Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Parodontal- und Allgemeinerkrankungen.

• Zahnverlust und Zahnlosigkeit bei 65-74-Jährigen:

Die Reduzierung der Häufigkeit der vollständigen Zahnlosigkeit in der Altersgruppe soll auf unter 15 Prozent gesenkt werden, das Ziel bleibt gegenüber 2004 unverändert.

Zu den weiteren Mundgesundheitszielen gehört auch das Erkennen von Mundschleimhauterkrankungen und die gezielte Diagnostik von Mundschleimhautveränderungen, sowie Maßnahmen zur Reduzierung von Tabak- und Alkoholkonsum, die Erkennung von kraniomandibulären Dysfunktionen und eine gezielte mundgesundheitsbezogene Ernährungsberatung.

Gruppenprophylaxe

Vor allem will die BZÄK als neu formuliertes Ziel den gruppenprophylaktischen Betreuungsgrad in Kindergärten und Grundschulen auf 80 Prozent (siehe Tabelle) erhöhen. Dabei soll der Schwerpunkt bevorzugt auf die Hochrisikogruppen gelegt werden. Hierbei sollten der Öffentliche Gesundheitsdienst mit den niedergelassenen Zahnärzten verstärkt zusammenarbeiten.

Neu formuliert wurde auch das Ziel, die Mundgesundheit der Bevölkerung durch ein optimales Mundhygiene- und Inanspruchnahmeverhalten zu verbessern (siehe Kasten). Vor allem dem Mundgesundheitsverhalten komme bei der oralen Prävention eine große Bedeutung zu, so die BZÄK. Dazu gehöre eine gute Mundhygiene genauso wie der kontrollorientiere Zahnarztbesuch. Regelmäßige Kontrollbesuche besäßen Potenziale für ein Screening und möglichst frühzeitig seien damit auch Überweisungsmaßnahmen bei allgemeinmedizinischen Erkrankungen (zum Beispiel Diabetes mellitus) möglich.

Last but not least soll auch der Mundpflegemittelverbrauch steigen. Der Aufwand für häusliche Mundhygienemaßnahmen sollte sachgerecht sein, deshalb sollte auch der fallweise Gebrauch von Zahnseide und der Verbrauch von Zahnbürsten zunehmen, so die BZÄK.

Präventionsorientierung

Im Vordergrund der standespolitischen Bemühungen der BZÄK steht eine vorsorge- orientierte Zahn-, Mund- und Kieferheil- kunde, die eine lebensbegleitende Prävention in allen Bereichen anstrebt. Langfristig solle der Umfang restaurativer Maßnahmen im jüngeren und mittleren Lebensalter reduziert werden, um die subjektive Lebensqualität zu erhalten und die orale Gesundheit in ihrer Wechselwirkung zum Gesamtorganismus positiv zu beeinflussen. Dazu gehöre aber auch die Mitverantwortung des Patienten als Co-Produzent seiner Gesundheit. Auch bildungs-, sozial- und arbeitsmarktpolitische Entscheidungen wirken auf die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems ein und sollten nach Auffassung der BZÄK bei der Umsetzung gesundheitspolitischer Forderungen der Zahnärzteschaft berücksichtigt werden.pr

INFO

Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der BZÄK, stellte in seinem Vortrag auf dem 4. Nationalen Präventionskongress vom 27.-29. September in Dresden die Mundgesundheitsziele der BZÄK vor. Angesichts der demografischen Entwicklung sei damit zu rechen, dass Erkrankungsmöglichkeiten zunähmen und der Pflegebedarf steige, erklärte er gegenüber den zm. Aber auch das Spektrum der Krankheiten verändere sich: Hinzu kämen chronische Erkrankungen und Multimorbidität – all das lasse auch die Zahnmedizin nicht unbeeinflusst. Gefordert sei der Zahnarzt in seiner gerodontologischen und medizinischen Kompetenz. Die Schnittstellenproblematik zwischen Medizin und Zahnmedizin spiele künftig eine noch stärkere Rolle. Die Mundgesundheitsziele seien ein Baustein, eine effiziente Behandlung in konkreten, quantifizierbaren Zielen zu formulieren.

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