Report Familien in Baden-Württemberg

In der Pflegemühle

Pflege und Job lassen sich nur schwer vereinbaren. Das zeigt der „Report Familien in Baden-Württemberg“, den Familienministerin Katrin Altpeter (SPD) jetzt vorstellte. Ihr Fazit: Wer zu Hause Angehörige pflegt, gerät beruflich oft ins Abseits.

Fast neun von zehn pflegenden Angehörigen in Deutschland sind der Meinung, dass Pflege und Beruf nicht gut zu handeln sind. Über die Hälfte hält die Koordination für „eher schwer“ oder „sehr schwer“. Weil es immer mehr alte und pflegebedürftige Menschen gebe, gewinne die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf aber zunehmend an Bedeutung, sagt Altpeter. Beispiel Baden-Württemberg: Dort werden laut Altpeter zwei Drittel der Kranken zu Hause gepflegt, überwiegend von Frauen. Bundesweit kümmert sich nahezu jeder zehnte Beschäftigte zwischen 25 und 49 Jahren um ältere oder kranke Familienmitglieder, zwei Drittel davon außerdem noch um Kinder.

Im Übrigen klagen die Betroffenen in allen Ländern über nahezu die gleichen Probleme: Stress, eine angeschlagene Gesundheit, finanzielle Sorgen, die unbefriedigende Pflegesituation und die familiäre Belastung generell. Ihre eigenen Interessen kommen meist zu kurz: Freundschaften leiden, auf der Arbeit ist es unbefriedigend, alles in allem reiben sie sich auf. Kündigen oder die Pflege einstellen ist für die meisten keine Lösung. In Deutschland kommt es dennoch häufig vor, dass Pflegende weniger oder ganz aufhören zu arbeiten. Die – teilweise nicht unbedingt erfüllenden – Alternativen: Pflegeangebote annehmen, die Bedürftigen im Krankenhausaufenthalt pflegen oder sich im Notfall selbst krankschreiben lassen.

Blinde Chefs

Dabei könnten Arbeitgeber die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf für ihre Mitarbeiter massiv erleichtern, indem sie die Arbeitszeit entsprechend gestalten. Wenn sie etwa Gleitzeit einführen, die Kernarbeitszeit auflösen und kurzfristig Teilzeit sowie kurzzeitige Arbeitsunterbrechungen zulassen, ohne dass daraus berufliche Nachteile entstehen. Der Knackpunkt: Mehr als 60 Prozent der befragten Personaler geben zu, dass sie das Thema noch gar nicht auf der Agenda haben. Ungefähr ein Drittel der Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten unterstützt Pflegende. Ein gutes Drittel davon bietet eine Arbeitsfreistellung an, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht. Außerdem gewährt jede elfte Firma im Bedarfsfall finanzielle oder andere Hilfen, um einen Pflegedienst oder eine Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen. In den meisten Betrieben scheint die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf allerdings immer noch eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Doppelt belastet

„Immer mehr Beschäftigte setzen sich der Doppelbelastung aus. Deshalb sind betriebsinterne Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege gefragt“, fordert die Ministerin. ck

INFO

Die Familienpflegezeit

Das seit Beginn des Jahres gültige Familienpflegezeitgesetz sieht vor, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit für maximal zwei Jahre auf bis zu 15 Stunden wöchentlich reduzieren können, wenn sie einen Angehörigen pflegen. Wer beispielsweise auf 50 Prozent herunter geht, erhält als pflegender Angehöriger weiterhin 75 Prozents seines Gehalts. Steigt er wieder voll ein, bekommt er so lange 75 Prozent seines letzten Bruttoeinkommens bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist. Während der Familienpflegezeit kann dem Arbeitnehmer nicht gekündigt werden und er erwirbt Rentenansprüche. Sein Chef hat die Möglichkeit, beim Bundesfamilienamt einen zinslosen Kredit zur Refinanzierung des von ihm vorzuschießenden Gehaltsanteils zu beantragen.

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