Analyse zu Lebensqualität und Zahnersatzversorgung

Gute Hilfe für die Therapieplanung

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Die Art der prothetischen Versorgung und der Grad der oralen Lebensqualität hängen eng zusammen, ergab eine Nachanalyse aus der DMS-IV-Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ). Das heißt, festsitzender Zahnersatz bedeutet für den Patienten ein großes Plus in seinem subjektiven Mundgesundheitsempfinden. Der Zahnarzt kann diese Analyse gut als Hilfestellung einsetzen, um im Patientengespräch Fragen der Therapieplanung argumentativ zusätzlich zu untermauern.

Das Thema der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Fragen der medizinischen Versorgung hat auch in Deutschland in den letzten zehn bis 15 Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen [1] und wird mittlerweile bei den ärztlich-medizinischen Behandlungsmaßnahmen als eine völlig eigenständige Ergebnisgröße immer stärker berücksichtigt [2]. Damit ist die Messung von psychosozialen Effekten in der gesamten medizinischen Qualitätssicherungsforschung ein wichtiger Gegenstandsbereich geworden.

In der zahnmedizinischen Versorgungsforschung hat sich für entsprechende Messungen international das Instrument des Oral Health Impact Profile (OHIP) etabliert. Der OHIP [3] stellt einen „Problemindex“ zur Messung des mundgesundheitsbezogenen Lebensqualitätsempfindens dar, der in sieben Unterpunkten das Ausmaß von entsprechenden Beeinträchtigungen misst. Im Einzelnen sind dies:

• funktionelle Einschränkungen

• Schmerzen

• psychisches Unwohlsein/Unbehagen

• physische Beeinträchtigung

• psychische Beeinträchtigung

• soziale Beeinträchtigung

• Benachteiligung/Behinderung

Das Ausmaß eingeschränkter Lebensqualität [4] wird dann über eine Punktsumme ermittelt, die im OHIP-49 maximal 196 Punkte und im OHIP-14 maximal 56 Punkte erreichen kann.

In der Vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV) von 2005 [5] wurde im Rahmen der epidemiologischen Erhebungen unter anderem ein Kategorienschema eingesetzt, das die Prothetikbefunde in insgesamt sechs prothetische Versorgungsmuster nach dem Ausmaß ihrer Invasivität zusammenfasst:

• Der Proband ist vollbezahnt, ohne Lücken und Zahnersatz, subjektiv besteht kein prothetischer Versorgungsbedarf.

• Der Proband weist mindestens eine Zahnlücke auf, hat aber keinen Zahnersatz. Es besteht (normativ) Versorgungsbedarf.

• Der Proband weist mindestens eine Kronenversorgung auf, es können (unversorgte) Lücken bestehen; Implantate, Brücken oder Prothesen sind aber noch nicht vorhanden.

• Wie vor, nur ist jetzt bereits mindestens eine Brücke eingegliedert (festsitzende Versorgung); Krone(n), Implantat(e), Lücke(n) sind möglich; aber keine herausnehmbare Teilprothese oder Totalprothese.

• Der Proband hat eine herausnehmbare Teilprothese in mindestens einem Kiefer. Krone(n), Implantat(e), Lücke(n) sind möglich; aber keine Totalprothese.

• Der Proband trägt eine Totalprothese in mindestens einem Kiefer; Krone(n), Implantat(e), Lücke(n), herausnehmbare Teilprothese sind möglich.

Verknüpfungen erstellt

Durch eine spezielle Nachauswertung der DMS-Daten sollte nun bei jüngeren und bei älteren Erwachsenen der Frage nachgegangen werden, in welcher Weise die ebenfalls in der DMS IV erhobenen OHIP-Profile (OHIP-G 14) mit den obigen sechs prothetischen Leitversorgungen verknüpft sind. In Tabelle 1 sind zunächst einmal die ermittelten Vorkommenshäufigkeiten der Zahnersatzversorgungsmuster für beide Altersgruppen dargestellt. Wie die Tabelle erkennen lässt, unterscheidet sich das Muster der Zahnersatzversorgung (Leitversorgung) im Altersbezug deutlich. Während bei den jüngeren Erwachsenen rund 31 Prozent ohne jede ZE-Versorgung auskommen, schmilzt dieser Anteil bei den Senioren auf knapp 6 Prozent zusammen. Mehr oder weniger ausgedehnter Kronen- oder Brückenersatz ist bei den Jüngeren mit rund 64 Prozent prävalent und bei den Älteren nur zu rund 36 Prozent. Herausnehmbare Prothesen als Hauptform des Zahnersatzes in mindestens einem Kiefer lassen sich nur bei 4,8 Prozent der Erwachsenengruppe, aber bei 58,6 Prozent der Seniorengruppe finden.

Im Hinblick auf die durchschnittlichen Summenwerte im OHIP (Version: OHIP-G 14) zeigt sich also, dass das Muster der prothetischen Leitversorgung mit hochsignifikanten Unterschieden hinsichtlich des Ausmaßes einer eingeschränkten mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität variiert (Tabelle 2). Dabei sind einerseits höhere OHIP-Werte (als Maß eingeschränkter Lebensqualität) sehr viel stärker mit herausnehmbaren Zahnersatzversorgungsmustern verbunden und andererseits sind auch nicht versorgte Zahnlücken mit höheren Einschränkungen der oralen Lebensqualität verknüpft.

Enge Zusammenhänge

Die Nachanalyse zu den Zusammenhängen zwischen der Art der prothetischen Versorgung und dem oralen Lebensqualitätsniveau hat für beide Altersgruppen enge Zusammenhänge ergeben: Höhere OHIP-Werte sind fast linear mit dem Ausmaß der Invasivität der prothetischen Versorgungsform verknüpft. Dies spricht insofern dafür, dass festsitzende ZE-Versorgungen gegenüber herausnehmbaren ZE-Versorgungen aus Patientensicht über einen deutlichen Erlebnisgewinn verfügen. Hier ist also eine gute Übereinstimmung zwischen der Patientenseite und der klinischen Seite gegeben, wenn man die unterschiedliche Überlebensdauer der eingesetzten Therapiemittel in Betracht zieht [6]. Dieses zentrale Ergebnis kann für den alltäglichen Beratungsdialog zu Fragen der prothetischen Therapieplanung zwischen Zahnarzt und Patient unseres Erachtens hervorragend genutzt werden, wenn es darum geht, Erfahrungen von anderen Patienten beziehungsweise aus größeren Patientenstichproben im konkreten Entscheidungsprozess berücksichtigen zu wollen.

Dr. Wolfgang MicheelisInstitut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)Universitätsstr. 7350931 Kölnw.micheelis@idz-koeln.de

Univ.-Prof. Dr. Thomas Kerschbaum (i. R.)Köln

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