Fortbildungsteil 1/2012

Xerostomie und Speicheldrüsendysfunktion

Der Speichel stellt ein wichtiges Schutzsystem für die Erhaltung der oralen und der pharyngalen Gesundheit dar. Bei gesunden älteren Menschen, die nicht wegen Allgemeinerkrankungen in ärztlicher Behandlung sind und keine Medikamente einnehmen, bleibt die Speichelfunktion bemerkenswert gut intakt. Bei über 65-Jährigen liegt die Prävalenz der Xerostomie etwa bei 30 Prozent und wird am häufigsten durch die Einnahme xerogener Medikamente verursacht. Gerade im höheren Lebensalter kann eine Verminderung des Speichelflusses zu zahlreichen Problemen führen und die Lebensqualität wesentlich beeinträchtigen. Die Therapiemaßnahmen umfassen den Austausch von Medikamenten, die Stimulation des Speichelflusses und symptomatische Maßnahmen zur Befeuchtung der Mund- und Rachenschleimhaut.

Der Speichel stellt in seiner Gesamtheit ein wichtiges Schutzsystem für die Erhaltung der oralen und der pharyngalen Gesundheit dar und dient der Aufrechterhaltung eines ökologischen Gleichgewichts im Biotop Mundhöhle. Störungen der Speichelphysiologie sind besonders bei älteren Menschen mit zahlreichen oralen und pharyngalen Problemen verbunden [Ship et al., 2002]. Die Beschwerden eines trockenen Mundes (Xerostomie) und der objektive Befund einer Dysfunktion der Speicheldrüsen mit vermindertem Speichelfluss (Oligosialie) sind ein sehr häufiger Befund bei älteren Menschen, wodurch vorübergehend oder dauerhaft orale und systemische Probleme entstehen. Beeinträchtigungen des Geschmacksempfindens und der Kaufähigkeit verändern die Essgewohnheiten und vermindern die Esslust. Patienten mit Xerostomie berichten daher oft, dass sie bestimmte Nahrungsmittel nicht mehr essen können, weil sie zu trocken oder zu klebrig sind. Die trockene Mundschleimhaut beeinträchtigt die Haftung von Prothesen. Das Tragen einer Prothese kann dann als sehr unangenehm empfunden werden, was wiederum die Kaufähigkeit zusätzlich verschlechtert [Cassolato et al., 2003]. Weil Patienten mit trockenem Mund oft Probleme bei der Nahrungs- und Getränkeaufnahme haben, hat die Xerostomie Anteil an der hohen Prävalenz von Mangelernährung bei älteren Personen. Kau- und Schluckprobleme können auch das Risiko einer Aspirationspneumonie erhöhen, und die Körperabwehr kann insgesamt geschwächt sein [Loesche et al., 1995]. Schwierigkeiten beim Sprechen können die sozialen Kontakte erschweren oder sogar zu Vereinsamung führen. Gerade im höheren Lebensalter kann also eine durch Krankheit oder Medikamenteneinnahme verursachte Verminderung des Speichelflusses die Lebensqualität wesentlich beeinträchtigen. Die Therapiemaßnahmen umfassen den Austausch von Medikamenten, die gustatorische, mastikatorische und pharmakologische Stimulation des Speichelflusses und symptomatische Maßnahmen zur Befeuchtung der Mund- und Rachenschleimhaut.

###more### ###title### Physiologie der Speicheldrüsen ###title### ###more###

Physiologie der Speicheldrüsen

Der Speichel wird von den drei großen Speicheldrüsen sowie von den kleinen, solitären Speicheldrüsen der Mundschleimhaut produziert, und die Art des Speichels variiert je nach Drüse. Der Speichel der Glandula parotis ist rein serös, der Speichel der Glandula sublingualis und der Glandula submandibularis gemischt mukoserös, der Speichel der kleinen Drüsen ist überwiegend mukös. Auch ohne äußere Einflüsse besteht eine ständige Ruhesekretion, die als unstimulierter Speichel oder Ruhespeichel bezeichnet wird. Der unstimulierte Speichelfluss unterliegt im Tagesablauf einem zirkadianen Rhythmus, hat seinen Höhepunkt am Nachmittag und ist während der Nachtruhe nur halb so hoch wie zu den Wachzeiten.

Die normale Fließrate für den unstimulierten Ruhespeichel liegt bei 0,3 bis 0,4 ml/min, aber die Variabilität ist recht groß. Der Speichel kleidet alle Oberflächen der Mundhöhle mit einem dünnen Film von etwa 0,1 mm Dicke aus. Bei einer Oberfläche der Mundhöhle von etwa 200 cm² genügen hierzu schon etwa 0,7 ml Speichel. Eine Fließrate von 0,1 bis 0,2 ml/min wird als niedrig, eine von  0,1 ml/min als sehr niedrig bewertet. Über diesen Grundbedarf hinaus kann durch bestimmte Reize der Speichelfluss stimuliert werden. Vorrangig sind dies Geschmacks- und Geruchsempfindungen sowie mechanische Reizungen der Zunge oder anderer Bereiche der Mundhöhle. Zu den mechanischen Reizen zählt in erster Linie die Kautätigkeit. Neben weiteren Mechanismen kann der Speichelfluss auch durch Hormone wie Androgene, Östrogene oder Glukokortikoide beeinflusst werden. Ein Beispiel für eine hormonelle Beeinflussung ist der stark verminderte Speichelfluss und der daraus resultierende trockene Mund in Stresssituationen.

Die normale Fließrate für den stimulierten Speichel (Tabelle 1) liegt bei 1 bis 3 ml/min, aber die Variabilität ist recht groß. Das Maximum kann etwa 7 ml/min erreichen. Als niedrige Fließrate wird eine Menge von 0,7 bis 1,0 ml/min bewertet, als Untergrenze werden weniger als 0,7 ml/min angesehen [Sreebny LM, 2000]. Von den vier Grundgeschmacksrichtungen wird der Speichelfluss am stärksten durch sauren Geschmack stimuliert. So kann mit Zitronensäure zumeist ein maximaler Speichelfluss ausgelöst werden. Im Vergleich zu Geschmacksreizen haben Geruchsreize einen geringeren Effekt. Das Kauen einer geschmackslosen Kaumasse stimuliert zwar auch den Speichelfluss, aber der Effekt ist deutlich geringer, als wenn zusätzlich ein Geschmack zugefügt wird, der wiederum dann den Reiz auslöst. Die Speicheldrüsen sind in unterschiedlich großem Maß an der Produktion von unstimuliertem und stimuliertem Speichel beteiligt. Bei unstimuliertem Speichel stammen etwa 25 Prozent aus der Glandula (Gl.) parotis, 60 Prozent aus der Gl. submandibularis, sieben bis acht Prozent aus der Gl. sublingualis und ebenfalls sieben bis acht Prozent aus den kleinen Speicheldrüsen. Nach einer starken Stimulierung des Speichelflusses ändern sich die Anteile der Drüsen. Aus der Gl. parotis stammen dann etwa 50 Prozent, aus der Gl. submandibularis 35 Prozent, aus der Gl. sublingualis sowie den kleinen Speicheldrüsen jeweils sieben bis acht Prozent. Der Anteil des von der Gl. parotis produzierten rein serösen Speichels am Gesamtspeichel verdoppelt sich also zulasten des gemischt mukoserösen Speichels der Gl. submandibularis. Die täglich produzierte Gesamtmenge an Speichel dürfte etwa 0,5 bis 0,7 Liter betragen.

Ob der Speichelfluss mit zunehmendem Alter zwangsläufig abnimmt, ist nicht eindeutig geklärt. Es gibt Hinweise, dass besonders die unstimulierte Fließrate für den Gesamtspeichel und die stimulierte Fließrate der Gl. parotis altersabhängig abnehmen. Dies würde mit Resultaten histologischer Studien übereinstimmen, in denen eine Verminderung des Anteils sekretorischen Gewebes in den Drüsenzellen mit zunehmendem Alter gezeigt werden konnte [Drummond et al., 1995]. Wenn der Anteil der Gl. parotis am Gesamtspeichel sinkt, wird die Konsistenz des Speichels zähflüssiger und schaumiger. In den meisten neueren Studien konnte allerdings bei gesunden Personen ohne Dauermedikation keine altersabhängige Verminderung des Speichelflusses gezeigt werden [Ship et al., 2002]. Verminderter Speichelfluss und ein trockener Mund bei älteren Menschen sollten deshalb keinesfalls als „normal“ angesehen werden, sondern betroffene Patienten sollten adäquat untersucht werden.

###more### ###title### Funktionen des Speichels ###title### ###more###

Funktionen des Speichels

In Tabelle 2 sind die wesentlichen Funktionen des Speichels und die beteiligten Speichelkomponenten zusammengefasst. Obgleich Mikroorganismen in der Mundhöhle nahezu ideale Bedingungen vorfinden, nehmen sie normalerweise nicht überhand. Allein durch den Speichelfluss wird eine erhebliche Anzahl von Mikroorganismen, darunter auch potenziell gefährliche, ständig von der Oberfläche der Mundschleimhäute und der Zähne entfernt und verschluckt. Ebenso werden Reste zerkleinerter Nahrung, agglutinierte Mikroorganismen und abgeschilferte Zellen der Mundschleimhaut aus der Mundhöhle abtransportiert. Die Beseitigung potenziell schädlicher Substanzen, wie zum Beispiel Zucker aus der Mundhöhle, erfolgt umso schneller, desto größer die Speichelmenge und je höher die Speichelfließrate ist. Ein verminderter Speichelfluss kann deshalb starke Auswirkungen auf das Kariesrisiko haben.

Die Puffersysteme des Speichels helfen nach dem Essen und Trinken maßgeblich, den pH-Wert in der Mundflüssigkeit und in der Plaque zu neutralisieren. Dadurch wird zum einen der Zeitraum einer direkten Einwirkung von Nahrungssäuren auf die Zahnhartsubstanz verkürzt und somit das Risiko zur Entstehung von Erosionen gesenkt. Zum anderen nehmen die Puffereigenschaften des Speichels entscheidenden Einfluss auf die Zeitdauer der Erniedrigung des Plaque-pH-Werts und damit auch auf die Entstehung von Karies nach dem Verzehr kariogener Speisen oder Getränke. Der Speichel enthält alle mineralischen Bestandteile des Zahnes in gelöster Form und ist in Bezug auf Kalzium- und PhosphatIonen übersättigt. Nach Demineralisationen stehen somit hinreichend Kalzium- und Phosphat-Ionen für eine Remineralisation zur Verfügung. Ohne diese reparierende Funktion des Speichels würden Zähne in der Mundhöhle keinen Bestand haben.

Die Beschichtung aller Oberflächen der Mundhöhle mit Muzinen und Glykoproteinen bewirkt einen mechanischen und chemischen Schutz von Epithel und Zähnen. Außerdem wird das Sprechen und Schlucken unterstützt. Darüber hinaus enthält der Speichel Substanzen mit antibakterieller Aktivität wie Lysozyme, Laktoferrin, Peroxidasen und Agglutininen, die für die richtige Balance der bakteriellen Mikroflora in der Mundhöhle sorgen. Unter physiologischen Bedingungen tragen die direkten Hemmeinflüsse auf Mundbakterien, Viren und Pilze zu einem ökologischen Gleichgewicht in der Mundhöhle bei [Nieuw Amerongen et al., 2002].

Die Andauung von Nahrung durch Amylasen des Speichels spielt bei unserer modernen Ernährung keine wesentliche Rolle mehr. Von größerer Bedeutung ist aber, dass durch Speichelkomponenten unsere Nahrung geschmacklich aufgeschlossen wird. Durch Verdünnung und Auflösung von Nahrungsbestandteilen wird ein Kontakt mit den Geschmacksknospen ermöglicht und der Speichel trägt so zu einer guten Geschmackswahrnehmung bei.

###more### ###title### Epidemiologie der Xerostomie ###title### ###more###

Epidemiologie der Xerostomie

Xerostomie bedeutet wörtlich übersetzt etwa „trockene Mundhöhle“ und ist somit eine Symptombeschreibung. Über einen trockenen Mund klagen Patienten zumeist erst, wenn die unstimulierte Speichelfließrate weniger als die Hälfte des Normalwerts beträgt. Es ist allgemein üblich, den Begriff Xerostomie für alle Formen des verminderten Speichelflusses (Oligosialie) oder des fehlenden Speichelflusses (Asialie) zu verwenden, obwohl mit dem Begriff Xerostomie primär die subjektiv empfundene Mundtrockenheit bezeichnet wird. Ein gegenüber den Normalwerten verminderter Speichelfluss wird auch Hyposalivation genannt.

Aus Deutschland liegen keine Daten zur Prävalenz von Xerostomie und Oligosialie vor.  Zusammenfassend ergibt sich aus internationalen Studien, von denen die Mehrzahl aus Skandinavien stammt, dass etwa jeder vierte Erwachsene Anzeichen für einen verminderten Speichelfluss zeigt. Bei über 65-Jährigen liegt die Prävalenz der Xerostomie etwa bei 30 Prozent und nimmt mit höherem Alter weiter zu [Ship et al., 2002]. In einer Longitudinalstudie aus Schweden wurden zu Beginn 50-Jährige alle fünf Jahre bis zum 65. Lebensjahr nach dem Gefühl der Mundtrockenheit bei Tag oder bei Nacht befragt. Es konnte ein nahezu linearer Anstieg der Prävalenz von sechs Prozent mit 50 Jahren zu 15 Prozent mit 65 Jahren beobachtet werden. Mundtrockenheit wurde häufiger bei Nacht als bei Tag empfunden, und die Prävalenz war insgesamt bei Frauen höher als bei Männern [Johannson et al., 2009].

Flink et al. [2008] fanden in der Altersgruppe von 60 bis 69 Jahren eine Prävalenz von 34 Prozent bei Frauen und 24 Prozent bei Männern von sehr niedrigem ( 0,1 ml/min) unstimuliertem Speichelfluss sowie 28 Prozent und 22 Prozent von niedrigem (0,1 bis 0,2 ml/min) unstimuliertem Speichelfluss. Der stimulierte Speichelfluss war nur bei etwa fünf Prozent der Frauen und Männer niedrig ( 1,0 ml/min) oder sehr niedrig ( 0,7ml/min). 39 Prozent der Frauen und 26 Prozent der Männer gaben an, unter Xerostomie zu leiden. Insgesamt war das Empfinden von Mundtrockenheit häufig aber nicht zwangsläufig mit sehr niedrigem unstimuliertem Speichelfluss verbunden.

Bei Patienten mit dem Sjögren-Syndrom und bei Patienten, die eine Strahlentherapie im Kopf- und Halsbereich erhalten haben, beträgt die Prävalenz der Xerostomie 100 Prozent.

###more### ###title### Ätiologie und Pathogenese der Dysfunktion ###title### ###more###

Ätiologie und Pathogenese der Dysfunktion

Der häufigste Grund für Xerostomie bei älteren Menschen ist die Einnahme von Medikamenten (Tabelle 3). Die meisten älteren Menschen nehmen mindestens ein Medikament ein, das den Speichelfluss vermindert [Schein et al., 1999]. Insgesamt können mehr als 400 Medikamente zu einer Unterfunktion der Speicheldrüsen führen, und rund 80 Prozent der am häufigsten verschriebenen Medikamente gehören zu dieser Gruppe. Von den über 65-Jährigen nehmen etwa 75 Prozent mindestens ein verordnetes Medikament regelmäßig ein. Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl der Verordnungen noch zu und damit auch die Prävalenz der Hyposalivation.

In Deutschland wurden vom Forschungsverbund „PRISCUS“ aktuelle Daten zur Multimedikation bei 2 500 über 70-Jährigen erhoben (Abbildung 3). Im Durchschnitt nahm jeder Befragte sechs verschiedene Medikamente regelmäßig ein. Bei einigen Patienten waren es durchaus über zehn Medikamente [Problem Multimedikation, Rubin 09/10]. In einer aktuellen Studie aus Österreich wird berichtet, dass über 75-jährige internistische Patienten durchschnittlich 7,5 verschiedene Medikamente einnehmen. Fast 60 Prozent der Patienten erfüllten das vorgegebene Kriterium ( 6 Medikamente) einer Polypharmakotherapie [Schuler et al., 2008].

Die am häufigsten verwendeten xerogenen Medikamente haben Parasymphatikushemmende beziehungsweise anticholinerge Wirkungen. Arzneimittel, die anticholinerg wirken, führen zu einem charakteristischen Symptomkomplex, zu dem auch die Hemmung der Speichelbildung gehört. Zu diesen Medikamenten gehören zum Beispiel die besonders häufig verordneten trizyklischen Antidepressiva, Sedativa und Tranquilizer, Antihistaminika und Antihypertonika. Auch eine Chemotherapie kann zu einer zeitlich begrenzten Verminderung des Speichelflusses führen. Die Beeinträchtigungen zeigen sich während und direkt nach der Chemotherapie. Später kann sich der Speichelfluss wieder normalisieren.

Von den in Tabelle 3 aufgeführten systemischen Erkrankungen, die zu einer Beeinträchtigung der Speichelproduktion führen, spielt das Sjögren-Syndrom die wichtigste Rolle. Die Prävalenz in Europa liegt zwischen 0,6 und 3,3 Prozent. Die Erkrankung involviert immer die exokrinen Drüsen und wird deshalb heutzutage dann diagnostiziert, wenn eine Unterfunktion der großen exokrinen Drüsen – der Tränen- und der Speicheldrüsen – verifiziert werden kann [Manthorpe und Manthorpe, 2005].

Beim Sjögren-Syndrom handelt es sich um einen Symptomkomplex aus mangelnder Sekretproduktion der Speicheldrüsen und der Tränendrüsen mit Xerostomie, Horn- und Bindehautentzündung am Auge und einer Entzündung der Tränendrüsen. Daneben tritt eine chronische Polyarthritis auf. Es kommt wahrscheinlich zur Reaktion von Autoantikörpern mit dem Gangepithel der Parotiden und der Tränendrüsen. Betroffen sind meistens Frauen in der Menopause. Zuerst kommt es zu einer Schwellung der Gl. parotis, die anschließend in eine Atrophie übergeht. Bei einem Sjögren-Syndrom ist das Risiko, an einem Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken, deutlich erhöht.

Tumore des Oropharynx haben einen Anteil von etwa acht Prozent an den jährlich diagnostizierten malignen Neoplasien. Häufig wird eine Bestrahlungstherapie durchgeführt, in deren Folge es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen kommt. Aufgrund der Lokalisation von Primärtumoren und regionalen Lymphknoten liegen bei Patienten mit Tumoren im Kopf-/Halsbereich häufig die Speicheldrüsen im Bestrahlungsfeld. Zumeist erfolgt eine fraktionierte Bestrahlung mit einer kurativen Dosis zwischen 50 und 70 Gy. Innerhalb einer Woche nach dem Start einer Bestrahlung und der Verabreichung von 10 Gy vermindert sich der Speichelfluss um 60 bis 90 Prozent. Bei einerDosis über 25 Gy kommt es zu einer dauerhaften Schädigung der Speicheldrüsen. Am meisten radiosensitiv sind die serösen Acini, gefolgt von den mukösen Acini. Der Speichel wird zähflüssig, pH-Wert und Pufferkapazität sind reduziert und die Fließrate beträgt nach Abschluss der Bestrahlungstherapie oft nur noch fünf Prozent der ursprünglichen Fließrate. Die vielfach resultierenden schweren Schäden an den Zähnen werden als Strahlenkaries bezeichnet. Erkrankungen der Speicheldrüsen können infektiös, nicht-infektiös oder neoplastisch sein. Bakterielle Infektionen der Speicheldrüsen kommen häufiger bei älteren Personen vor, die aus einem anderen Grund, wie zum Beispiel der Einnahme xerogener Medikamente oder systemischer Erkrankungen, einen verminderten Speichelfluss haben. Eine akute Parotitis tritt heute sehr selten auf. Eher findet man eine chronische Parotitis als Folge einer Obstruktion des Ausführungsgangs. Die Symptome einer bakteriellen Infektion der Speicheldrüsen sind eine Schwellung und Austritt von Pus aus den Ausführungsgängen.

Virale Infektionen vorzugsweise der Parotis können bei Personen aller Altersgruppen vorkommen, besonders aber bei immunsupprimierten Patienten. Nicht-infektiöse Erkrankungen der Speicheldrüsen werden zumeist durch Obstruktionen der Ausführungsgänge verursacht. Akut auftretende Schwellungen werden in der Regel durch Speichelsteine verursacht, chronisch auftretende Schwellungen beruhen meist auf Narbenbildung nach einer Infektion des Ausführungsgangs. Die meisten Tumore der Speicheldrüsen sind gutartig, und es handelt sich um einseitig auftretende pleomorphe Adenome. Adenome können jedoch in seltenen Fällen entarten und sollten deshalb frühzeitig entfernt werden.

Zu einer temporären Verminderung des Speichelflusses können eine Dehydrierung, wie sie bei älteren Menschen häufiger vorkommt, Mundatmung, Angstzustände und Stress sowie der Konsum von Rauschgiften oder starkes Tabakrauchen führen.

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Klinische Befunde

Zumeist ist die Diagnose „Xerostomie“ leicht zu stellen, da die Patienten aufgrund einer Selbstdiagnose den Zahnarzt aufsuchen.

Symptome:

Zahlreiche der üblichen oralen Symptome bei trockenem Mund sind mit der Einnahme von Mahlzeiten verbunden: veränderter Geschmack, Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken, besonders beim Verzehr trockener Speisen, und immer Schwierigkeiten beim Essen, wenn nicht begleitend etwas getrunken wird. Diese Probleme können zu Veränderungen der Ess- und Trinkgewohnheiten führen und können den gesamten Ernährungsstatus negativ beeinflussen. Dies kann auch zu häufigem Verschlucken und damit zur Erhöhung des Risikos für eine Aspirationspneumonie mit nachfolgender Kolonisation der Lungen mit gramnegativen Anaerobiern aus der Mundhöhle führen [Loesche et al., 1995]. Oft leiden Patienten unter Halitosis, Mundbrennen und vertragen keine scharfen Speisen. Insgesamt kann so die Lebensqualität beeinträchtigt sein, wie in mehreren Studien gezeigt werden konnte [Gerdin et al., 2005; Kandelman et al., 2008].

Beschwerden wegen Mundtrockenheit bei Nacht sind besonders häufig, weil die Speichelsekretion nachts aufgrund des zirkadianen Rhythmus sowieso schon sehr niedrig ist. Diese Probleme können bei älteren Menschen durch verminderten oralen Muskeltonus verbunden mit vermehrter Mundatmung noch verschlimmert werden.

Extra- und intraorale Befunde:

Die extra- und intraorale Untersuchung von Patienten mit Speicheldysfunktionen erbringt in der Regel zahlreiche typische Befunde beim Weich- und Hartgewebe. Extraoral finden sich trockene und rissige Lippen, die häufig von Candida Spezies kolonisiert werden (anguläre Cheilitis). Sichtbare Vergrößerungen der großen Speicheldrüsen können vorkommen bei Patienten mit Speichelobstruktionen (sekundär als Folge der Unterfunktion) und beim Sjögren-Syndrom. Manche ältere Menschen entwickeln eine akute Parotitis nach vorausgegangenen längeren Zeiträumen von Dehydration. Eine geschwollene Gl. parotis kann bis unterhalb des Mandibularwinkels ausgedehnt sein und zu einer Verlagerung des Ohrläppchens führen. Eine Schwellung der Gl. submandibularis kann medial an der Unterkante der Mandibula ertastet werden.

Bei der Untersuchung des Mundbodens findet sich zumeist kein Speichelsee. Die weiteren intraoralen Befunde schließen zahlreiche Veränderungen der Weichgewebe ein. Die Zunge sieht oft zerfurcht aus (Abbildung 7), ist trocken und klebrig. Besteht eine orale Mukositis, führt dies zu Schmerzen, und das Risiko für bakterielle Infektionen ist erhöht. Besonders bei älteren Menschen sieht man häufig als orale Infektion eine Candidiasis, die sich als anguläre Cheilitis der Lippen, erythematöse Candidiasis unter Prothesen und pseudomembranöse Candidiasis als entfernbarer weißlicher Belag auf allen oralen Schleimhäuten darstellt.

Als Resultat einer Unterfunktion der Speicheldrüsen steigt das Kariesrisiko, und es entwickeln sich oft neue kariöse Läsionen oder Sekundärkaries auch an eher untypischen Stellen. Verursacht wird dies in der Summe durch eine Verminderung der kariesprotektiven Eigenschaften des Speichels wie besonders der Pufferung von Plaquesäuren, der Förderung der Remineralisation sowie der Unterdrückung des ungezügelten Wachstums kariogener Mikroorganismen. Durch ein vermindertes Volumen des Speichels verläuft die orale Clearance stark verzögert, und den kariogenen Bakterien steht für einen längeren Zeitraum Substrat zur Säurebildung zur Verfügung. Bei einer niedrigen Fließrate kann der pH-Wert des Speichels deutlich unter pH 6 liegen und die Pufferkapazität ist aufgrund der niedrigen Bikarbonat-Konzentration sehr gering.

Wenn der Speichelfluss im Verlauf einer Strahlentherapie im Kopf-/Halsbereich nahezu gänzlich versiegt, kommt es oft unmittelbar und mit einer raschen Progression zum kariösen Zerfall der Zähne (Strahlenkaries). Der oft dramatische Verlauf einer Strahlenkaries (Abbildung 9) kann innerhalb weniger Monate zu einer vollständigen Zerstörung der Zähne führen.

Speichel gilt auch als bedeutendster biologischer Faktor in Hinsicht auf die Beeinflussung der Entstehung von erosiven Zahnhartsubstanzverlusten. Ein verminderter Speichelfluss ist bei häufiger Säurezufuhr oft mit dem vermehrten Auftreten von Erosionen verbunden. Dies kann gerade bei älteren Menschen, bei denen aufgrund jahrzehntelanger Einwirkungen von Abrasionen, Attritionen und Erosionen schon bei vielen Zahnflächen Dentin exponiert ist, zu extremen Zahnhartsubstanzverlusten führen.

Bei Prothesenträgern stellt sich oft eine besondere Problematik dar. Für die Haftung und den Tragekomfort von Total- oder Teilprothesen muss Speichel in einer adäquaten Menge, Fließgeschwindigkeit und Konsistenz vorhanden sein. Die Haftung von Totalprothesen beruht auf einem dünnen Speichelfilm zwischen Mundschleimhaut und Prothese. Ohne diesen Speichelfilm ist keine Haftung möglich, und es müssen Haftmittel zum Halt der Prothesen verwendet werden. Verminderter Speichelfluss beeinträchtigt die Adhäsion, Kohäsion wie auch Oberflächenspannung und damit insgesamt die Haftung von Prothesen. Bei Totalprothesen entsteht ohne Speichel keine Saugwirkung. Löst sich eine Totalprothese, muss jederzeit ausreichend Speichel für eine Wiederbefestigung der Prothese zur Verfügung stehen [Turner et al., 2008]. Die fehlende Stabilität einer Prothese kann in Gesellschaft zu sehr peinlichen Situationen führen. Dies kann bewirken, dass Betroffene nicht mehr im größeren Kreis sprechen oder essen wollen. Im schlimmsten Fall werden soziale Kontakte ganz vermieden und es kommt zur Vereinsamung.

Neben Kauen, Schlucken und Sprechen wird auch die Nahrungsaufnahme insgesamt beeinträchtigt. In einer amerikanischen Studie wurde der Ernährungsstatus einer Gruppe von älteren Menschen mit vermindertem Speichelfluss detailliert untersucht und mit einer entsprechenden Kontrollgruppe mit normalem Speichelfluss verglichen [Rhodus and Brown, 1990]. Es konnten signifikante Ernährungsmängel festgestellt werden, und die Autoren schließen aus den Resultaten, dass die Xerostomie in den USA wahrscheinlich einen wesentlichen Anteil an der hohen Prävalenz von Mangelernährung bei älteren Menschen hat.

###more### ###title### Therapie ###title### ###more###

Therapie

Voraussetzung für jede Form der Therapie ist zuerst einmal eine möglichst genaue Diagnose. Häufig muss dies multidisziplinär erfolgen, besonders bei älteren multimorbiden Patienten. Bei Verdacht auf eine Unterfunktion der Speicheldrüsen erfolgt die Messung der Speichelfließraten. Ergibt sich aus der Anamnese, dass die Einnahme eines oder verschiedener Medikamente ursächlich für die Speichelflussverminderung ist, sollte der behandelnde Arzt vom Patienten oder Zahnarzt darüber informiert werden. In den meisten Fällen ist die Beeinträchtigung der Speicheldrüsenfunktion untrennbar mit der gewünschten Hauptwirkung des Arzneimittels verbunden. Insofern ist das Zustandekommen dieser Nebenwirkung nicht vermeidbar. Es gibt aber auch Medikamente, für die ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen erwünschter Hauptwirkung und unerwünschter Nebenwirkung nicht erkennbar ist. In solchen Fällen ist es durchaus möglich, das therapeutische Konzept durch Ausweichen auf verwandte Substanzen zu modifizieren. Dies sollte im Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit geschehen.

Allgemeine präventive Maßnahmen:

Da bei vermindertem Speichelfluss das Kariesrisiko erhöht ist, sollten am Anfang entsprechende Basismaßnahmen durchgeführt werden. Dies beinhaltet bedarfsorientierte professionelle Zahnreinigungen, Instruktion, Motivation und Remotivation für eine adäquate Mundhygiene, die regelmäßige Anwendung einer fluoridhaltigen Zahnpaste, tägliche Anwendung einer Fluorid-Mundspüllösung oder wöchentliche Anwendung eines Fluoridgels. In schweren Fällen, wie während und nach einer Strahlentherapie, sind antibakteriell wirksame Mundspüllösungen (wie Chlorhexidindiglukonat-Lösung) einzusetzen. Bei allen Empfehlungen müssen die jeweiligen Fähigkeiten des älteren Patienten berücksichtigt werden.

Bei einer oralen Kandidose erfolgt zumeist eine Lokalbehandlung mit Antimykotika. Bei Prothesenträgern soll auf eine verstärkte Reinigung der Prothesen geachtet werden.

Pharmakologische Stimulation des Speichelflusses:

Die pharmakologische Stimulation des Speichelflusses ist nur möglich, wenn zumindest noch eine Restaktivität der Speicheldrüsen verblieben ist und die Ursache der Unterfunktion bekannt ist. Die Verordnung geeigneter Medikamente erfolgt in der Regel durch den Hausarzt oder zumindest in Absprache mit dem Hausarzt. Angeregt werden kann der Speichelfluss zum Beispiel mit den Wirkstoffen Pilocarpin, Bromhexin oder Cevimelin. Pilocarpin ist ein Parasympathomimeticum mit milden Betaadrenergen Eigenschaften. Das Präparat Salagen® ist auf dem deutschen Markt für die Indikation Sjögren-Syndrom zugelassen, die empfohlene Dosis liegt bei drei- bis viermal 5 mg täglich. Noch nicht in Deutschland auf dem Markt ist Cevimelin (Evoxac®), ein Acetylcholinderivat mit erhöhter Affinität für M1- und M3-Muscarinrezeptoren auf Speichel- und Tränendrüsenepithel. Pilocarpin und Cevimelin wurden von der US Food and Drug Administration anerkannt für die Behandlung von Xerostomie und Speicheldrüsenunterfunktion bei Patienten mit Sjögren-Syndrom und bei Patienten mit einer Strahlentherapie im Kopf-/Halsbereich. Gute Effekte auf Mundtrockenheit und trockenen Hustenreiz sind auch für Bromhexin beschrieben worden. Ein Vorteil ist die bessere Verträglichkeit gegenüber Pilocarpin, bei dem häufig vermehrtes Schwitzen, Übelkeit und Sehstörungen den Einsatz begrenzen. Deshalb ist nach Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie [Dgrh.de/tesjoeg, 2006] bei gesichertem Sjögren-Syndrom die Anwendung von Bromhexin sinnvoll.

Lokale Stimulation:

Solange noch funktionsfähiges Drüsengewebe vorhanden ist, ist eine lokale Stimulation des Speichelflusses die Methode der Wahl. Speicheldrüsen reagieren mit einer erhöhten Produktivität auf Geschmacks- und Geruchsreize sowie auf mechanische Reize der Mundschleimhaut sowie den Kauakt. Zur Förderung der Kauaktivität soll den Patienten, sofern ihnen dies möglich ist, der häufige Verzehr faserreicher, kauaktiver Nahrung empfohlen werden. So ist zumindest zu den Zeitpunkten der Einnahme von Mahlzeiten sichergestellt, dass der Speichelfluss angeregt wird. Über den Tag gesehen kann dies aber nicht zu einer ausreichenden Erleichterung führen. Zwischen den Mahlzeiten kann der Speichelfluss zum Beispiel durch Essen, Trinken oder Lutschen stark saurer Produkte angeregt werden. Hierbei kann aber unter Umständen bei häufiger Anwendung die Gefahr der Entstehung von Erosionen bestehen. Besonders Zitronensäure kann zusätzlich zu Reizungen der empfindlichen Mundschleimhaut führen. Die praktikabelste und effektivste Möglichkeit zur lokalen Stimulation ist aber das Kaugummikauen. Da das Kariesrisiko bei Patienten mit Hyposalivation erhöht ist, sollten grundsätzlich zuckerfreie Produkte empfohlen werden. Zur größten Steigerung der Speichelfließrate kommt es beim Kauen von Kaugummi mit Geschmacksstoffen. In einer Studie fanden Dawes und Mcpherson [1992] zu Beginn der Stimulation für Kaugummis mit Geschmacksstoffen eine Erhöhung der Speichelfließrate um etwa das Zehnfache, für Kaugummimasse ohne Geschmack nur eine Erhöhung um etwa das Fünffache. Nach 20 Minuten Kauen war die Fließrate immer noch 2,7-fach gegenüber der unstimulierten Fließrate erhöht.

Symptomatische Therapiemaßnahmen:

Allen Betroffenen kann empfohlen werden zu beachten, dass ausreichend getrunken wird (vorzugsweise Wasser) und dass Gewohnheiten aufgegeben oder vermindert werden, die eine Xerostomie verstärken wie Rauchen und Mundatmung. Die einfachste Empfehlung für die Patienten ist, immer eine Wasserflasche mitzuführen und häufig in kleinen Schlucken Wasser zu trinken.

Wenn eine Stimulation des Speichelflusses nicht mehr möglich ist, werden zur Linderung der Beschwerden komplexe Speichelersatzstoffe, sogenannter künstlicher Speichel, sowie die verschiedensten Lösungen zur Benetzung und Beschichtung der Mundschleimhaut empfohlen. Über geeignete Speichelersatzmittel wurde schon mehrfach in den ZM berichtet [Jaschinski, 2009; Meyer-Lückel und Kielbassa, 2003]. Prothesenträger sollten sorgfältig über geeignete Maßnahmen zur Prothesenreinigung und zur Verbesserung des Tragekomforts unterrichtet werden. Vor jedem Einsetzen sollten die Prothesen gut befeuchtet werden. Hierzu kann auch ein Speichelersatzmittel aufgesprüht werden. Vielfach ist es aber notwendig, dass die betroffenen Patienten regelmäßig Haftmittel verwenden.

Prof. Dr. Joachim Klimek

Abteilung für Zahnerhaltungskunde und Präventive Zahnheilkunde

Justus-Liebig-Universität Gießen

Schlangenzahl 14

35392 Gießen

Joachim.Klimek@dentist.med.uni-giessen.de

Prof. Dr. Joachim Klimek

1968 bis 1973 Zahnmedizinstudium in Marburg, 1974 bis 1976 Assistent in freier Praxis,1976 bis 1985 wissenschaftlicher Mitarbeiter, 1976 Promotion, 1984 Habilitation, 1985 bis 1990 OA der Abt. Zahnerhaltungskunde des Med. Zentrums für ZMK Marburg, seit 1990 Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde und Präventive Zahnheilkunde Gießen, 2003 bis 2011 Geschäftsführender Direktor des Med. Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler wissenschaftlicher Gesellschaften

Forschungsschwerpunkte: Wirkungsmechanismus fluoridhaltiger Kariostatika, De- und Remineralisation von Zahnhartsubstanzgeweben, Erosionen

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