KZBV-Vertreterversammlung

Neues Spiel

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Im Unterschied zu den turbulenten Koalitionsverhandlungen in Berlin präsentierten sich die Vertragszahnärzte auf ihrer Vertreterversammlung bestens sortiert. Das Parlament und der dreiköpfige Vorstand unter seinem neuen Vorsitzenden Dr. Wolfgang Eßer verabschiedeten das politische Programm für 2014. Im Zentrum: eine Präventionsstrategie, die alle Menschen über den gesamten Lebensbogen hinweg erfasst.

„Mit der neuen Regierungskoalition werden die Karten neu gemischt“, eröffnete Eßer seine Rede vor den Delegierten der KZBV-Vertreterversammlung am 6. November in Frankfurt am Main. „Deshalb haben wir unsere Positionen aus der Agenda Mundgesundheit und unsere aktuellen Forderungen für die Koalitionsverhandlungen eingebracht.“ Darüber hinaus habe die KZBV zusammen mit der Bundeszahnärztekammer einen Forderungskatalog erarbeitet, der ebenfalls mit den neuen Gesprächspartnern in der Politik diskutiert werde.

„Im Fokus unserer Arbeit steht nach wie vor die Versorgung und hier zentral der Ausbau der Präventionsstrategie“, betonte Eßer. Ziel sei, allen Menschen über den gesamten Lebensbogen hinweg einen gleichberechtigten und barrierearmen Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung zu ermöglichen. „Wir Zahnärzte sind Präventionsspezialisten geworden. Jetzt setzen wir neue Schwerpunkte in der Erarbeitung und Umsetzung von Konzepten zur Betreuung von Risikogruppen.“

Prävention für alle

Eßer bilanzierte, die Zahnärzteschaft habe mit ihrem Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ bereits erste große Erfolge errungen. Fakt sei: „Der Handlungsbedarf ist hier mittlerweile politisch anerkannt. Seit dem 1. April hat sich die Versorgung von alten und pflegebedürftigen Menschen deutlich verbessert, weil der Bema jetzt für ihre Behandlung spezielle Leistungspositionen enthält.“

Die Politik löchern

Auch beim Pflege-Neuausrichtungsgesetz sei man auf einem guten Weg: Aktuell verhandle der Vorstand mit dem GKV- Spitzenverband über die Verbesserung der aufsuchenden Betreuung, insbesondere von Patienten in Pflegeheimen. Geplant sei, dass Pflegeeinrichtungen und Zahnärzte Kooperationsverträge schließen und in diesem Rahmen Zusatzleistungen für die Pflegebedürftigen abrufen können.

„Unsere Konzepte werden überall gutgeheißen und hoch gelobt, aber wir werden die Politik quer über alle Parteien weiter löchern“, stellte der bisherige KZBV-Chef und neue Vize Dr. Jürgen Fedderwitz fest. Denn trotz dieser Fortschritte habe man eben noch ein ordentliches Stück Strecke vor sich. Eßer bestätigte: „Wir haben es zwar geschafft, dass sich der GKV-Spitzenverband unserem Anliegen öffnet, doch am Ziel sind wir noch lange nicht: Letztlich brauchen wir für alle, die nicht selbst für sich sorgen können, ein systematisches Präventionsmanagement. Ganz oben auf der Agenda steht daher für uns der Anspruch auf individualprophylaktische Leistungen für die Betroffenen gemäß Paragraf 22 a SGB V.“

Demografiefeste Medizin

Darüber hinaus müsse man im Sinne einer demografiefesten Medizin und Zahnmedizin Menschen mit Behinderungen auch den Zugang zur Versorgung erleichtern. „Wir arbeiten daher mit den Ärzten an Ideen und Konzepten zum Abbau von Barrieren in den Praxen“, führte er aus. Ein weiteres Projekt: die Bekämpfung der frühkindlichen Karies. „Wir wollen drei neue FU-Positionen für die Früherkennung von Karies in den ersten drei Lebensjahren einbringen“, berichtete Eßer. „Und erreichen, dass im Anschluss an die U5 zwischen dem sechsten und dem siebten Lebensmonat für den Kinderarzt eine Verweispflicht auf den Zahnarzt eingeführt wird.“

Das Problem Parodontitis

Bedingt durch den demografischen Wandel rückt noch ein weiteres Problem in den Fokus: „Parodontalerkrankungen nehmen zu. Parodontitis ist ab dem vierten Jahrzehnt der häufigste Grund für Zahnverlust“, erläuterte Fedderwitz. „Die Unterversorgung in der Paro ist mich ebenso augenfällig wie die mittlerweile inkomplette Therapie, die die strukturierte Nachbetreuung völlig außen vor lässt.“

Um diese Lücke zu schließen, hatte die KZBV bereits vor einigen Jahren zusammen mit der BZÄK und der Wissenschaft ein modernes Behandlungskonzept für Parodontitis entwickelt. Fedderwitz: „Nachdem sich jetzt das BMG dazu gemeldet hat und ein großer Krankenkassendachverband Handlungsbedarf sieht, haben jetzt die Patientenvertreter die Paro-Versorgung mit einem umfangreichen Prüfauftrag in den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gebracht. Eine Initiative, die der Vorstand ausdrücklich begrüßt.“

Den neuesten Stand bei der Einführung des elektronischen Heilberufsausweises und der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) schilderte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz.

Blick auf das Saarland

„Seit Sommer diesen Jahres werden elektronische Zahnarztausweise im Saarland durch die dortige Zahnärztekammer ausgegeben,“ sagte der Telematik-Experte.

Die Ausweise würden schon für den Test der qualifizierten elektronischen Signatur im Online-Rollout der ersten Stufe benötigt. Die Bundestagswahl habe auf die Prozesse und den Zeitplan keinen Einfluss.

„Nach wie vor sind die ärztlichen und die zahnärztlichen Spitzenorganisationen der Meinung, dass die Telematikinfrastruktur vor allem einen Nutzen für Patienten und Mediziner bringen muss“, verdeutlichte Buchholz. „Der medizinische Mehrwert muss im Vordergrund stehen, nicht die administrativen Anwendungen der Krankenkassen.“

Ein neues Monster

Das Bekenntnis zur Telematik-Infrastruktur impliziere aber auch, dass die Leistungserbringer für ihre eigenen Netze und Infrastrukturen verantwortlich und zuständig sind. Buchholz: „Klar ist, dass uns die Entscheidung über die Nutzung und den Zeitpunkt einer Migration unserer Netze und Infrastrukturen in die gesamte Tele- matikarchitektur obliegen muss.“

Hintergrund ist, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein zusätzliches Gremium errichten will, das unter dem Dach der gematik, aber über die Köpfe der Selbstverwaltung hinweg, Entscheidungen zu den Strukturen und Anwendungen trifft – also die Versorgungsprozesse definiert.

Buchholz: „Dieser angeblich unabhängige E-Health-Rat ist ein überflüssiges, weil paralleles Konstrukt.“ Das BMG gebe vor, mit dem Gremium die gematik stärken zu wollen. Doch im Unterschied zur gematik, die sich aus Vertretern der Ärzte, Zahnärzte und Kliniken sowie des GKV-Spitzenverbands zusammensetzt, dominieren dort – nach Vorschlagsrecht des BMG – „stimmberechtigte Experten“, während die Leistungserbringer nur noch einen gemeinsamen Vertreter einbringen sollen.

Mit der Folge, dass aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in diesem Kreis künftig andere Kriterien zählen dürften: „Die Aufträge würden der Industrie zugeschustert und wir sind diejenigen, die am Ende alles bezahlen dürfen“, klärte Buchholz auf. „Diese Entwicklung darf nicht sein – egal, wie man zur Telematik und zur elektronischen Gesundheitskarte steht!“ Eine weitere Instanz neben der gematik fördere unnötig die Bürokratie, erhöhe die Kosten und verlangsame durch absehbare Reibungsverluste die Umsetzung und den Aufbau der Telematik-infrastruktur.

Die unverzichtbare Stimme

Mit Unverständnis reagierten Vorstand und Versammlung auch auf die offenbar von einzelnen berufsständischen Organisationen und Akteuren betriebene Zerschlagung des Bundesverbands der Freien Berufe (BFB). In einem Beschluss forderte die Versammlung die Freiberufler in ihren Verbänden auf, den BFB auch in Zukunft mit allen Kräften zu unterstützen. Eine Auflösung des BFB müsse verhindert werden. „Im Konzert der großen Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände war und ist der BFB seit mehr als 60 Jahren eine unverzichtbare Stimme der freien Berufe“, heißt es in dem Beschluss.

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