Gastkommentar

Schlechte Zeit für Streit

Der harte Diskurs zwischen Haus- und Fachärzten in der VV der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist aktuell kein gutes Signal der Selbstverwaltung an die Politik, meint Andreas Mihm, FAZ-Korrespondent in Berlin.

Was ist eigentlich mit den Ärzten los? Zu lange keinen Streit gehabt? Überschießende Energie? Zu wenig Reibungsflächen mit der Politik? Viele Fragen, wenige Antworten. Fakt ist, dass die Vertreter der Ärzteschaft wieder mal übereinander hergefallen sind. Fest steht auch, dass sie damit sich und der Körperschaft, die sie repräsentieren, keinen Gefallen getan haben.

Die Geschichte ist schnell erzählt, es ist die eines Putschversuchs. Auf einer außerordentlichen Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hat eine Gruppe von Hausarztvertretern mit Hausärzte-Vorstand Regina Feldmann einen Antrag vorgelegt, der die Spaltung der KBV und aller 17 KVen in eine für Hausärzte und eine für Fachärzte zur Folge gehabt hätte. Der Antrag wurde niedergestimmt.

Aber der wieder deutlich gewordene Riss, auch zwischen Feldmann und KBV-Vorstandschef Andreas Köhler, kulminierte in einem Abwahlantrag gegen beide. Darüber soll am 6. Dezember entschieden werden. Ob das dann geschieht, ist ungewiss. Denn der 53 Jahre alte Köhler, den Vertraute kaum mal einen Tag krank erlebt haben, erlitt am Tag nach der VV einen Herzinfarkt. Ärztepolitik kann offenbar ein Geschäft auf Leben und Tod sein.

Über die Hintergründe der Revolte wird viel spekuliert. Schon die damit in die Welt gesetzten Mutmaßungen zeigen, wie sehr das persönliche Verhältnis der die deutschen Kassenärzte leitenden und kontrollierenden Standesvertreter von Missgunst und persönlichen Animositäten geprägt sein muss.

Der Vorgang erinnert an das Jahr 2007. Damals gab es im Streit der Haus- und Fachärzte einen Abwahlantrag gegen das Führungsduo aus Köhler und dem Hausarztvorstand Ulrich Weigeldt. Weigeldt unterlag, Köhler wurde bestätigt. Weigeldt führt heute den Deutschen Hausärzteverband, der mit Selektivverträgen dem KV-System gerade in Süddeutschland erfolgreich Paroli bietet. Steht also der Hausärzteverband dahinter, weil er das KV-System ins Chaos stürzen will, um auf dessen Trümmern zu wachsen?

Oder dient das nur dem Zweck, die Allgemeinärztin Feldmann aus dem KBV-Vorstand zu entfernen? Die von ihr begleitete Reform des Hausarzt-EBM hat zu Unruhe geführt. Feldmann hatte sich im Mai 2012 knapp mit 31 von 60 Stimmen gegen den Hamburger Stephan Hofmeister durchgesetzt. Die Wortführer der Kritiker Feldmanns sitzen in der KV Hamburg.

Die scharfe Kontroverse im Ärztelager hat viele überrascht. Denn, um zumindest diesen Quell ständigen Ärgers zu beseitigen, die Finanztöpfe von Haus- und Fachärzten wurden schon getrennt. Auch war an einer anderen Dauerbaustelle der Ärzteschaft, der Systemfrage, Ruhe eingekehrt. Zuvor hatte die KBV in einer groß anlegten Befragung ermitteln lassen, dass Deutschlands Kassenärzte lieber im KV-System bleiben, als sich selbst mit den Kassen herumzuschlagen.

Vor allem überrascht, dass dieses Signal der Zerstrittenheit jetzt gegeben wurde, mitten in den Verhandlungen über die große Koalition, in denen die Gesundheitspolitiker über die Reform der ambulanten Versorgung und der ärztlichen Körperschaften beraten. Während die Ärztevertreter sich die Köpfe heiß redeten, hatten die Gesundheitspolitiker schon beschlossen, was die Kassenarztvertreter mehrheitlich verhindern wollen: dass sie ihre Versammlungen „zu gleichen Teilen aus Haus- und Fachärzten“ bilden und getrennt über „rein hausärztliche“ und „rein fachärztliche Belange“ entscheiden.

Die KV-Vertreter könnten darauf hinweisen, dass der Passus zur Aufspaltung der ambulanten Versorgung im Widerspruch steht zu vielen Forderungen nach Überwindung der Sektorengrenzen von ambulanter und stationärer Versorgung, der Einbeziehung der Apotheker und so weiter. Alles Themen, die niedergelassene Ärzte betreffen. Aber dafür fehlt ihren Funktionären gerade die Zeit. Sie sind mal wieder mit sich selbst beschäftigt.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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