Repetitorium

Barrett-Ösophagus und Speiseröhrenkarzinom

Heftarchiv Medizin Repetitorium
,
Peer W. Kämmerer
Liegt ein Barrett-Ösophagus vor, besteht langfristig ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Speiseröhrenkarzinoms. Durch ein entsprechendes Überwachungsprogramm lassen sich Frühformen der Erkrankung erkennen. Sie können mit guten Heilungschancen endoskopisch behandelt werden.

Bei etwa zehn bis 20 Prozent der Patienten mit einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (Gastro Esophageal Reflux Disease, GERD) kommt es langfristig zu einem Umbau der Schleimhaut in der unteren Speiseröhre. Dort wird das normale Epithelgewebe, also das Plattenepithel, durch ein weniger säure-empfindliches Zylinderepithel, so wie es auch den Magen auskleidet, ersetzt.

Liegt eine solche Veränderung vor, wird dies nach dem Erstbeschreiber, dem britischen Chirurgen Norman Rupert Barrett (1903 bis 1979), als Barrett-Ösophagus bezeichnet. Erstmals beschrieben wurde die Veränderung im Jahr 1957 als Komplikation der Refluxkrankheit. Sie wurde zunächst als Endobrachyösophagus charakterisiert, da die Umwandlung des Plattenepithels in ein Zylinderepithel mit einer gewissen Verkürzung der inneren Auskleidung der Speiseröhre verbunden ist.

Häufigkeit

Genaue Angaben zur Häufigkeit des Barrett-Ösophagus in der Bevölkerung sind schwierig, da der Schleimhautumbau per se keine Beschwerden verursacht und daher oft unbemerkt bleibt. Die Diagnose erfolgt nicht selten zufällig im Rahmen einer Gastroskopie, wobei Literaturangaben zufolge bei dieser Untersuchung in einem bis vier Prozent der Fälle entsprechende Auffälligkeiten festgestellt werden.

Bei Männern zeigen sich die Veränderungen deutlich häufiger als bei Frauen, das Verhältnis liegt bei etwa zwei zu eins.

Kurz- und langstreckige Veränderungen

Das Barrett-Epithel kann lokal eng begrenzt zungenförmig auftreten oder den gesamten inneren Umfang des Ösophagus umfassen. Streng genommen verlangt die Diagnose „Barrett-Ösophagus“ den endoskopischen Nachweis eines zirkulären, also ringförmig in der gesamten inneren Speiseröhre nachzuweisenden Umbaus der Schleimhaut in ein Zylinderepithel, ausgehend von der Z-Linie, also der physiologischen Grenze zwischen Plattenepithel und Zylinderepithel in Richtung Mundhöhle. Es handelt sich somit konkret um eine Schleimhautmetaplasie im Ösophagus, die sich auf dem Boden des vom wiederholten Reflux der Magensäure zerstörten Plattenepithels durch eine Überwucherung des Zylinderepithels entwickelt.

Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Formen unterschieden:

• Beim sogenannten Short-Segment-Barrett-Ösophagus, also der kurzstreckigen Variante, sind die Veränderungen auf etwa drei Zentimeter begrenzt.

• Beim Long-Segment-Barrett-Ösophagus, also der langstreckigen Variante, ist der Schleimhautumbau großflächiger erfolgt.

###more### ###title### Ursachen des Schleimhautumbaus ###title### ###more###

Ursachen des Schleimhautumbaus

Die genauen Ursachen der Schleimhaut veränderungen sind bislang unbekannt. Aufgrund des engen Zusammenhangs zur GERD wird davon ausgegangen, dass es durch den Säurereflux zu rezidivierenden Entzündungen im Bereich des Übergangs vom Magen zum Ösophagus kommt, was langfristig entsprechende Umbau-Reaktionen induzieren kann.

Hinzu kommen möglicherweise weitere pathogenetische Faktoren wie etwa der Einfluss eines Nikotin- und/ oder Alkohol-Abusus und wahrscheinlich auch eine genetische Prädisposition. Welche Gene das Krankheitsrisiko determinieren, ist jedoch bislang unklar, so dass nicht vorhergesagt werden kann ist, welche Patienten mit Refluxerkrankung ein Barrett-Ösophagus entwickeln werden und welche nicht. Eine monogenetische Störung wird jedoch nach derzeitiger Kenntnis ausgeschlossen, es scheint sich vielmehr um ein multifaktorielles pathogenetisches Geschehen zu handeln. Daher wird weiterhin intensiv an der Identifizierung genetischer Marker gearbeitet, nicht zuletzt auch im Hinblick auf das Entartungsrisiko des Barrett-Ösophagus.

Symptomatik entsprechend der Refluxkrankheit

Der Schleimhautumbau verursacht keine spezifischen Symptome. Allerdings leiden die Betroffenen infolge der engen Assoziation zur Refluxkrankheit sehr häufig unter Sodbrennen. Hierbei handelt es sich jedoch um ein Symptom, das in der Bevölkerung außerordentlich weit verbreitet ist: So geben rund 30 Prozent der Bundesbürger an, mindestens einmal im Verlauf eines Jahres unter relevantem Sodbrennen zu leiden.

Davon ist jeder Vierte mindestens einmal pro Woche betroffen, jeder Zehnte sogar täglich. Bei 60 bis sogar 90 Prozent der Betroffenen sind die Beschwerden chronisch und können dem Barrett-Ösophagus somit den Weg bahnen. Weitere hinweisende Symptome sind saures Aufstoßen sowie retrosternale Schmerzen. Als Alarmsymptom gilt eine Dysphagie.

Diagnosestellung erfolgt endoskopisch

Diagnostiziert wird die Störung anhand einer endoskopischen Untersuchung, wobei die Diagnose gesichert wird durch die Entnahme von Gewebeproben und den histologischen Nachweis des Zylinderepithels.

Der Nachweis einer Barrett-Metaplasie bedarf dabei nach allgemeiner Einschätzung keiner spezifischen Behandlung. Die Therapie erfolgt vielmehr symptomatisch und zielt auf die Linderung der Refluxbeschwerden ab. Die Behandlung besteht somit in aller Regel in konservativen Maßnahmen, nur in schweren Fällen ist eine Refluxchirurgie zu erwägen. Inwieweit eine endoskopische Radioablation des Barrett-Epithels sinnvoll ist und möglicherweise das Entartungsrisiko senken kann, ist derzeit noch völlig unklar.

Erhöhtes Krebsrisiko wurde lange überschätzt

Solche Maßnahmen werden diskutiert, da der Barrett-Ösophagus wegen des erhöhten Risikos der malignen Entartung der Zellen und der Ausbildung eines Adenokarzinoms der Speiseröhre gefürchtet ist. Ein solches, sich auf dem Boden des Barrett-Epithels ausbildendes Adenokarzinom wird ent- sprechend auch als Barrett-Karzinom bezeichnet. Dieses entwickelt sich üblicherweise über eine Metaplasie-Dysplasie-Karzinom-Sequenz.

Der Nachweis eines Barrett-Ösophagus gilt daher auch als Risikofaktor für die Entwicklung eines Adenokarzinoms der Speiseröhre.

Das Barrett-Syndrom wird oft auch als eine Präkanzerose bezeichnet. Allerdings wurde das Erkrankungsrisiko hinsichtlich eines Ösophaguskarzinoms offenbar lange Zeit überschätzt. Nach Erhebungen in den 70er-Jahren ging man zunächst von einer Erkrankungsrate von 0,8 Prozent pro Jahr aus und damit von einem relativen Risiko von 30 bis 40 gegenüber der Normalbevölkerung. Damit wäre von einem Fall auf 125 Patientenjahre mit Barrett-Ösophagus auszugehen.

Die Zahlen wurden inzwischen mehrfach nach unten korrigiert, unter anderem durch eine Untersuchung irischer Wissenschaftler, die eine Krankheitshäufigkeit von 0,13 Prozent pro Jahr ermittelten. Das entspricht einem Fall auf 769 Patientenjahre mit Barrett-Ösophagus. Eine aktuelle Kohorten-studie in Dänemark hat zudem jüngst gezeigt, dass auch dieser Wert offenbar noch geringfügig nach unten korrigiert werden muss. Demnach liegt das Entartungsrisiko bei 0,12 Prozent pro Jahr, so dass von einem Ösophaguskarzinom auf 860 Patientenjahre auszugehen ist. Das relative Risiko ist mit 11,3 damit gegenüber der Normalbevölkerung dennoch deutlich erhöht.

###more### ###title### Regelmäßiges Screening ###title### ###more###

Regelmäßiges Screening

Dies ist der Grund dafür, dass Personen mit nachgewiesenem Barrett-Syndrom nach wie vor zur Teilnahme an einem Überwachungsprogramm geraten wird, um sich entwickelnde Dysplasien gegebenenfalls frühzeitig zu erkennen und entfernen zu können.

Wie häufig endoskopische Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden sollten, ist allerdings umstritten, wobei generell gilt, dass ein langstreckiger Barrett engmaschigere Kontrollen erfordert als kurzstreckige Veränderungen.

Die Überwachungsmaßnahme besteht in einer endoskopischen Untersuchung der Speiseröhre mittels hochauflösender Videoendoskopie sowie der Entnahme von Gewebeproben und einer histologischen Untersuchung.

Fortschritte bei der Früherkennung

Weitere Möglichkeiten der Früherkennung bietet die Endosonografie; die Kombination der Verfahren erlaubt die Identifizierung früher Neoplasien wie auch deren Staging und darauf basierend die Planung der therapeutischen Intervention.

Eine verbesserte Darstellung der Schleimhautveränderungen ist zudem durch spezielle endoskopische Verfahren wie die Chromoendoskopie möglich, bei der durch Färbeverfahren die Oberfläche der Schleimhaut plastischer darzustellen ist. Zunehmende Bedeutung dürfte außerdem die sogenannte Endomikroskopie erfahren, bei der während der endoskopischen Unter-suchung, also in vivo, direkt auch eine mikroskopische Beurteilung der beobachteten Veränderungen erfolgt.

Risiko Adenokarzinom

Der Barrett-Ösophagus ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der Medizin gerückt, weil das Adenokarzinom des Ösophagus der Tumor ist, der in der westlichen Welt seit Jahren den höchsten Inzidenzanstieg zeigt. Das gilt auch für Deutschland, wie die Daten des bayerischen Krebsregisters belegen.

Insgesamt betrachtet stellt das Ösophaguskarzinom mit rund 5 000 Neuerkrankungen pro Jahr hierzulande eine eher seltene Tumorentität dar. Das mittlere Erkrankungsalter liegt nach Angaben des Berliner „Robert Koch- Instituts“ (RKI) bei Männern bei 67 Jahren, bei Frauen bei 69 Jahren.

Der Anteil der Adenokarzinome am Ösophaguskarzinom ist dabei in den vergangenen 30 Jahren von früher neun auf nunmehr rund 30 Prozent gestiegen. Damit ist das Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre hierzulande nach wie vor häufiger, in den USA entfallen allerdings bereits 50 Prozent der Krebserkrankungen der Speiseröhre auf das Adenokarzinom.

Auch in Deutschland nehmen nach Erhebungen des RKI die Inzidenz wie auch die Prävalenz des Adenokarzinoms weiter zu. Den Schätzungen zufolge sollen derzeit hierzulande rund 6 700 Männer und 1 900 Frauen leben, bei denen in den vergan- genen fünf Jahren die Diagnose „Adeno- karzinom“ gestellt wurde.

Adenokarzinome bilden sich dabei meist im unteren, distalen Bereich der Speiseröhre, Plattenepithelkarzinome entstehen hingegen eher im oberen Ösophagus. Während der Barrett-Ösophagus und somit die Refluxkrankheit den wichtigsten Risikofaktor des Adenokarzinoms darstellt, gelten ein Alkohol-Abusus sowie Rauchen als ent-scheidender Risikofaktor des Plattenepithelkarzinoms.

###more### ###title### Behandlung des Frühkarzinoms ###title### ###more###

Behandlung des Frühkarzinoms

Liegt ein Adenokarzinom im Frühstadium vor, so kann die Resektion endoskopisch erfolgen. Dabei wird die Mukosa einschließlich der darunter liegenden Submukosa entfernt. Generell angestrebt wird eine R0-Resektion, also die Entfernung des Tumors im gesunden Gewebe und das möglichst „en bloc“ und nicht mittels vorheriger Zerteilung des Gewebes als sogenannte Piece-Meal-Resektion.

Zeigt sich bei der weiteren Aufarbeitung des resezierten Materials, dass der Tumor tatsächlich auf die Mukosa beschränkt und nicht bereits in die Submukosa infiltriert war, ist von einer kurativen Therapie auszugehen. Die weitere Behandlung kann sich dann auf engmaschige Kontrollen im Rahmen der Nachsorge beschränken.

Auch Barrett-Karzinome, die die oberfläch-liche Submukosa infiltieren, können nach allgemeiner Einschätzung in Zentren endoskopisch reseziert werden, was jedoch unter Studienbedingungen erfolgen sollte. Allerdings ist das therapeutische Vorgehen speziell bei den Frühkarzinomen der Speiseröhre im Fluss, aktuelle Leitlinien hierzu gibt es derzeit nicht.

Fortgeschrittenes Ösophaguskarzinom

Ist bereits eine Metastasierung des Tumors in die Lymphknoten erfolgt, so ist dies eine Kontraindikation für eine endoskopische Resektion. Die Wahrscheinlichkeit für Lymphknotenmetastasen ist abhängig vom Primärtumor und seiner Eindringtiefe. Sie ist vergleichsweise gering bei einem auf die Mukosa beschränkten Adenokarzinom, was die Forderung nach einer engmaschigen Kontrolle von Personen mit Barrett-Ösophagus unterstreicht.

Liegt ein fortgeschrittener Tumor mit tiefer Invasion in die Ösophaguswand und/oder Befall der Lymphknoten vor, so dass eine endoskopische Resektion des Ösophaguskarzinoms nicht mehr möglich ist, ist eine chirurgische Entfernung der Speiseröhre gegebenenfalls nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie unumgänglich. Der Eingriff ist allerdings mit einer hohen Morbidität und auch Letalität behaftet. Insgesamt ist die Prognose des fortgeschrittenen Ösophaguskarzinoms ungünstig. Das gilt sowohl für das Adenokarzinom wie auch für das Plattenepithelkarzinom.

###more### ###title### Aus Sicht der Zahnmedizin ###title### ###more###

Aus Sicht der Zahnmedizin

Der Barrett-Ösophagus und das damit assoziierte Risiko für die Ausbildung eines ösophagealen Adenokarzinoms ist eine Komplikation der gastroösophagealen Refluxkrankheit, im englischen mit den Initialen GERD (Gastro Esophageal Reflux Disease) abgekürzt. Die endogene Magensäure steigt jedoch, teilweise bedingt durch Fettleibigkeit, Alkohol, Nikotin, Hiatushernien, einen gesteigerten intraabdominellen Druck und ein gestei-gertes gastrisches Volumen, nicht nur in den Ösophagus, sondern kann auch im weiter oben gelegenen, extraösophageal-oropharyngealen Bereich zu manifesten Problemen führen. Bekannte Symptome sind hier die Odynophagie (Schmerzen beim Schlucken) bei Hypersalivation oder auch seltener bei Xerostomie, der chro- nische (Reiz-)Husten, Halitosis und ein generell unangenehm-saurer Geschmack. Das chronische Zungenbrennen (sekundäres Mundschleimhautbrennen) kann seine Ursache unter anderem in einem gestei-gerten Magensäurereflux finden. Weiter-hin kommt es durch die stetige Säureeinwirkung nicht selten zu einer Erosion des Zahnschmelzes mit einer darauf folgenden Hypersensitivität des Dentins.

Zahnärztliches Eingreifen

Wieder einmal zeigt diese Krankheit mit ihren verschiedenen, multilokulären Ausprägungen die Notwendigkeit einer holistischen Diagnostik und Behandlung. Nicht zuletzt wegen der Möglichkeit der malignen Entartung, der durch die Magensäure hervorgerufenen intestinalen Metaplasie des Ösophagus, ist die Früherkennung einer Refluxerkrankung wichtig. Es ist darauf hinzuweisen, dass nicht wenige solcher Erkrankungen für den Patienten „still“ verlaufen. Hier können vermehrte palatinale und linguale dentale Erosionen, eine Rötung des Zungen-Rachenbereichs sowie eine Halitosis zu einem ersten Verdacht führen. Sollten sich die Patienten mit korrespondierenden oralen Problemen, vor allem Halitosis und erhöhter Speichelfluss, an ihren Zahnarzt wenden, obliegt diesem die erste Diagnose. Er kann beispielsweise eine Therapie mit Protonenpumpenhemmern initiieren, bevor er den Patienten weiter zum Gastroenterologen überweist. Dieser wird überprüfen, ob eine rein medikamentöse Therapie, eventuell zusammen mit einer Veränderung der Lebensgewohnheiten und -umstände, ausreicht oder ob eine operative Therapie notwendig ist. Vor allem wird er aber per Endoskop den Ösophagus auf mögliche Entartungstendenzen untersuchen.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.