Neue Bedarfsplanungsrichtlinie

Mehr Ärzte braucht das Land

Künftig sollen Versicherte bundesweit gleichermaßen Zugang zu einem niedergelassenen Arzt ihrer Wahl haben – egal, ob sie in der Stadt oder auf dem Land wohnen. Das jedenfalls ist das Ziel der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Ende Dezember verabschiedet hat. Vor allem für Hausärzte sollen die Niederlassungsmöglichkeiten verbessert werden. Ob das reicht, um die Versorgung zu sichern, ist fraglich.

Mit der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie setzt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Forderung des Bundesgesetzgebers aus dem Versorgungsstrukturgesetz um, das am 1. Januar vergangenen Jahres in Kraft getreten ist. Der Auftrag lautete, die bisherigen Defizite der Bedarfsplanungsregelung zu beheben, wie etwa die starren und teilweise zu großen Planungsbereiche. Damit soll die ärztliche Selbstverwaltung dem zunehmenden Ärztemangel in einigen Regionen Deutschlands und den Herausforderungen durch die immer älter werdende Bevölkerung begegnen. Zahnärzte sind von der Regelung nicht betroffen.

„Wir haben nun eine zielgenaue und den regionalen Besonderheiten Rechnung tragende, flexible Regelung vorgelegt, mit der die Zulassungsmöglichkeiten von Ärztinnen und Ärzten in ländlichen Regionen verbessert und mit der Verteilungsprobleme in der ärztlichen Versorgung zielgerichtet angegangen werden können“, so Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA.

Versorgungslücken schneller erkennbar

Das neue und feingliedrigere Planungsraster ermögliche es, Versorgungslücken schneller zu erkennen und zu schließen. Diese bestehen derzeit vor allem auf dem Land, insbesondere in großen Teilen von Brandenburg, den südlichen Gebieten Mecklenburg-Vorpommerns sowie in Sachsen und in Sachsen-Anhalt. Aber auch in einigen Regionen in den alten Bundesländern, wie im Bayerischen Wald, dem Westerwald oder auf der Schwäbischen Alb, wird es langsam eng.

Die aktuelle Bedarfsplanungsrichtlinie unterteilt die Republik in 372 Planungsbereiche, die weitgehend den kreisfreien Städten und Landkreisen entsprechen. Nach der Neuregelung soll die Verteilung sehr viel differenzierter und vor allem für die Hausärzte kleinräumiger erfolgen, damit sie Patienten wohnortnah versorgen können und es nicht innerhalb eines Landkreises zu einer Über- oder Unterversorgung kommt.

Größere Einzugsbereiche für Fachärzte

Für die fachärztliche Versorgung sollen weiterhin die Kreise und kreisfreien Städte als Planungsraum dienen. Spezialisierte Fachärzte wie Anästhesisten, Fachinternisten oder Kinder- und Jugendpsychiater sollen deutlich größere Einzugsbereiche versorgen. Somit sind künftig anders als bislang alle Facharztgruppen, einschließlich kleiner Fachgruppen wie Strahlentherapeuten und Laborärzte, in die Bedarfsplanung einbezogen. Große Städte, wie Berlin und Hamburg bleiben für die Niederlassung allerdings weiterhin gesperrt.

Bundesweit ergeben sich nach den Berechnungen des G-BA für den hausärztlichen Bereich annähernd 3 000 neue Zulassungsmöglichkeiten, einschließlich der etwa 2 000 jetzt schon freien Sitze. Netto entstehen somit rund 1 000 zusätzliche Hausarztsitze. Hinzu kommen sollen etwa 400 freie Praxissitze für Fachärzte und knapp 1 400 Sitze für Psychotherapeutinnen und -therapeuten.

„Es freut mich sehr, dass wir dadurch die wohnortnahe Versorgung der Patienten perspektivisch weiter verbessern werden“, kommentierte Dipl-Med. Regina Feldmann vom Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die neuen Vorgaben. Feldmann verwies zudem darauf, dass die Neuregelung auch berücksichtigen soll, wie viele Menschen, die auf dem Land wohnen, einen Arzt in der Stadt aufsuchen. Die neue Bedarfsplanungsrichtlinie trägt nach Aussage des G-BA ferner dem Demografiefaktor Rechnung, indem der Leistungsbedarf der 65-Jährigen und Älteren beziehungsweise der unter 65-Jährigen innerhalb eines Planungsbereichs getrennt ermittelt werden.

„Aber eine bessere Bedarfsplanung allein schafft keine bessere Versorgung. Jetzt ist es wichtig, dass der Hausarzt innerhalb der Ärzteschaft aufgewertet wird. Gerade angehende Mediziner müssen davon überzeugt werden, sich für den Hausarztberuf zu entscheiden“, gibt Johann-Magnus von Stackelberg, Vize-Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands, zu bedenken.

Psychologen sprechen von einer Mogelpackung

Bei Patientenverbänden und den Psychotherapeuten stoßen die Vorschläge vornehmlich auf Kritik. Der Beschluss erweise sich als eine Mogelpackung, moniert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Statt zusätzliche Praxen zu schaffen, kann ab 2013 die Anzahl der Psychotherapeuten in Deutschland um über 6 000 sinken.“ Grund hierfür sei, dass der G-BA mit Zahlen von 1999 gerechnet habe, als in Deutschland nur knapp 13 800 Psychotherapeuten niedergelassen waren. Aktuell arbeiten dagegen insgesamt rund 21 600 niedergelassene Psychotherapeuten in Deutschland.

Experten des „Bundesverbands der Ver-braucherzentralen“, medizinischer Selbst-hilfegruppen und des „Deutschen Behindertenrates“ fürchten wiederum, dass in erster Linie Besitzstandswahrung und finanzielles Kalkül die Entscheidungen bestimmt hätten und nicht der Versorgungsbedarf der Patienten. So würden lange Wartezeiten bei bestimmten Fachärzten voraussichtlich bestehen bleiben. Auch spielten die Morbidität der Patienten sowie sozioökonomische Faktoren keine ausreichende Rolle bei der neuen Regelung.

Die Richtlinie liegt nun dem Bundesgesundheitsministerium zur Prüfung vor, bevor sie – ein positives Votum vorausgesetzt – auf der Landesebene von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den jeweiligen Gremien ausgestaltet wird. Dies soll bis Ende Juni 2013 geschehen. In der Zwischenzeit gilt die alte Bedarfsplanung weiter.

Petra SpielbergAltmünsterstr. 165207 Wiesbaden

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