Gesundheitspolitik und Wahl 2013

Bürgerversicherung – breite Front von Gegnern

Im TV-Duell der beiden Kanzlerkandidaten Angelika Merkel und Peer Steinbrück spielte die Gesundheitspolitik eine eher untergeordnete Rolle. Die Heilberufler allerdings sehen dies ganz anders: Die Frage, ob es bei einem Wahlsieg der Opposition im Gesundheitsbereich zu einer Einführung einer Bürgerversicherung kommt, ist für viele (Zahn-)Mediziner von enormer Bedeutung.

Stefan Grande

Für sie ist klar, dass mit dieser Art der Versicherung das Gesundheitssystem Schaden erleiden wird. Nach Ansicht vieler – Ärzte genauso wie Politiker, Wissenschaftler und Verbände – geht es schlicht darum, ob das hohe Versorgungsniveau, das das deutsche Gesundheitssystem (mit) auszeichnet, noch zu halten sein wird, wenn es zu einer Bürgerversicherung kommt.

Unbestritten über die Parteigrenzen hinweg ist: Trotz vieler Schwächen haben die Deutschen ein im internationalen Vergleich gut funktionierendes Krankenversicherungssystem. Doch während die einen sagen, dies sei der jahrzehntelangen, bewährten Existenz einer Dualität von gesetzlichen und privaten Kassen geschuldet, stellen andere genau diese Dualität infrage.

SPD, GRÜNE und LINKE fordern eine (mehr oder weniger radikale) Veränderung des Gesundheitswesens. Allgemein formuliert soll mittels des Modells Bürgerversicherung die von der Opposition ausgemachte Zwei-Klassen-Medizin beseitigt werden. Zudem soll die Zukunftsfestigkeit der gesamten Sozialversicherung gestärkt werden. De facto bedeuten die Pläne der Opposition, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die private Krankenversicherung (PKV) immer mehr zusammenwachsen, Linke und GRÜNE wollen die PKV ganz abschaffen.

Die Heilberufler inklusive der Zahnärzte sind sich überwiegend einig wie selten: Die Bürgerversicherung würde nicht nur das Ende des hohen Niveaus einer wohnortnahen medizinischen Versorgung hierzulande bedeuten. Das von der Opposition ins Spiel gebrachte Versicherungsmodell wäre auch kontraproduktiv hinsichtlich der demografischen Entwicklung und fördere genau das, was sie eigentlich bekämpfen möchte: eine Zwei-Klassen-Medizin.

Kontraproduktiv und ungerecht

Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) haben sich intensiv mit den verschiedenen Modellen der Parteien über die Zukunft des Gesundheitssystems auseinandergesetzt – und ihre Schlüsse gezogen: Aus den unterschiedlichsten Gründen können beide Körperschaften das Modell der Bürgerversicherung nicht unterstützen – und halten es für schädlich.

Für KZBV ist die Sachlage klar: „Der Wettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung sowie die Konkurrenz unter den einzelnen Versicherungsunternehmen tragen maßgeblich dazu bei, dass eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung steht.“ So steht es auf der Homepage der KZBV.

Sie führt dort auch an, dass etwa im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung der Leistungskatalog in der gesetzlichen Krankenversicherung „weltweit gesehen sehr umfangreich ist und Deutschland einen internationalen Spitzenplatz in der Mundgesundheit belegt“.

In einer Fakten-Zusammenstellung („fact-sheet“) der KZBV zur Bürgerversicherung heißt es: „Mit der Einführung einer Bürgerversicherung würde der heutige Wettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung entfallen. Je nach Modell gäbe es auch keine Konkurrenz mehr zwischen einzelnen Versicherungsunternehmen.“

Zum Stichwort „Zwei-Klassen-Medizin“ hält das Papier fest: „In der Zahnmedizin gibt es auch heute keine Ungleichbehandlung von Versicherten.“ Im Gesundheitsbereich gebe es zwar „zwei Versicherungssysteme, jedoch nur ein Versorgungssystem“. Gesetzlich und privat Versicherte gingen in die gleichen Praxen, alle Patienten hätten Zugang zum gesamten zahnmedizinischen Leistungsspektrum. „Je nach Therapie müssen sie dabei Zuzahlungen leisten.“

Mehr Gerechtigkeit werde auch eine Bürgerversicherung nicht bringen, im Gegenteil: Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass gerade Einheitssysteme in die Zwei-Klassen-Medizin führen, weil sich neben den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen private Praxen und Kliniken etablierten, die nur Wohlhabende in Anspruch nehmen können.

Auch die Zukunftsfestigkeit der Bürgerversicherung wird von der KZBV angezweifelt:Als rein umlagenfinanziertes System bilde die Bürgerversicherung keine Rücklagen. Fatal, angesichts der demografischen Entwicklung. „Steigende Beiträge und Leistungseinschränkungen für die Versicherten sind vorprogrammiert“, so die KZBV im Faktenpapier.

Eine Einschätzung, die selbst von höchster Kassen-Seite bestätigt wird. Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer: „Ohne die Konkurrenz von Privatversicherungen wäre die Gefahr, dass der Leistungskatalog auf eine minimale Grundversorgung reduziert wird, größer. In einem Einheitssystem ließen sich die Leistungen leichter reduzieren.“

Durch die Bürgerversicherung, so die KZBV im fact-sheet weiter, komme auch nicht mehr Geld ins Gesundheitssystem. Sinkende Beiträge seien dann nur möglich, wenn der Staat Mittel aus Steuereinnahmen zuschießt.

Die Gesundheitspolitik werde abhängig von der Kassenlage. Mit der Bürgerversicherung würden „noch mehr als bisher“ der Staat und die Politik den Umfang der einheitlichen zahnmedizinischen Grundversorgung bestimmen.

Daher ist auch hier für die KZBV klar: „Für die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland hätte der Umbau zu einer Bürgerversicherung eindeutig negative Konsequenzen. Der Wettbewerb im Versorgungsmarkt, der bisher die Einführung von medizinischen Innovationen vorantreibt, käme zum Erliegen.“

Weniger Leistungen, steigende Beiträge

In der schon 2012 verabschiedeten „Agenda Mundgesundheit“ fordert die KZBV den weiteren Systemwettbewerb zwischen GKV und PKV. „Dass sich beide Systeme weiterentwickeln müssen, steht außer Frage“, heißt es dort. In einem wettbewerblich ausgerichteten Gesundheitssystem müsse es eine Konkurrenz zwischen GKV und PKV geben. Durch den Wettbewerb zwischen den Systemen der GKV und der PKV dürften die Grundsätze der Freiberuflichkeit, der

Therapiefreiheit, der Qualität (inklusive einer neutralen und fachlich kompetenten Patientenberatung), der Preisgestaltung auf der Grundlage der privaten Gebührenordnung im Bereich der PKV, der Selbstverwaltung und der freien Arztwahl der Patienten nicht infrage gestellt werden.

Eine Einheitsversicherung biete da keinen Lösungsansatz. Die Konsequenz einer Bürgerversicherung sei ein einheitlicher Versicherungsmarkt, in dem alle Krankenkassen respektive Krankenversicherungen nach einheitlichen Rahmenbedingungen agieren. Fazit der KZBV-Agenda: „Eine Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für GKV und PKV lehnt die Zahnärzteschaft ab.“

Auf ihrer Homepage weist die KZBV zudem darauf hin, dass Versicherungsunternehmen bei einer Bürgerversicherung nicht mehr unter dem Druck stehen würden, neue zahnmedizinische Verfahren zu akzeptieren oder zu fördern. Das duale Versicherungssystem sei aber in den vergangenen Jahrzehnten ein Garant für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und zahnmedizinischer Verfahren gewesen. Oft hätten die privaten Krankenversicherer zahnmedizinische Innovationen vorangetrieben, die dann auch den Versicherten in der GKV zugänglich waren. Konsequenz: „Die Bürgerversicherung versperrt den Zugang zum medizinischen Fortschritt.“

Gerade in der Zahnmedizin habe sich das zweigleisige Versicherungssystem bewährt und als gerecht erwiesen. Dieses System solle nicht rücksichtslos abgeschafft, sondern behutsam weiterentwickelt werden, so das Credo von KZBV (und auch BZÄK).

Massive Honorarausfälle drohen

Die Vertragszahnärzteschaft in Deutschland lehne die Einführung einer Bürgerversicherung daher ab und fordere stattdessen eine Reform, mit der das heutige duale Versicherungssystem für die Bewältigung der zukünftigen Aufgaben im Gesundheitswesen fit gemacht wird, heißt es von der KZBV. Die Körperschaft habe diese Position in ihrem Grundsatzprogramm, der Agenda Mund-gesundheit, bereits dargelegt.

Die KZBV (und auch die BZÄK) werden in ihrer ablehnenden Haltung von Wissenschaftlern gestützt. Der Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen hat in einer Studie im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) drei Szenarien einer PKV-Auflösung durchgespielt (siehe zm 09/2013).

Konsequenz bei allen: Die Ärzte müssten bluten. Honorarausfälle wären unvermeidlich. Die drei Übergangsszenarien, die bei einer Zusammenführung der getrennten Vergütung zu erwarten wären, gehen dabei von Verlusten von bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr bis 2030 aus.

Die Bundeszahnärztekammer hat unter anderem in ihrem „Gesundheitspolitischen Programm 2013“ ihre Position dargelegt. Der Titel „Soziale Marktwirtschaft statt Planwirtschaft: duales System aus PKV und GKV reformieren – Wettbewerb und Qualität erhalten“ ist für die BZÄK (wie auch für die KZBV) Programm.

Darin konstatiert die BZÄK ebenfalls, dass sowohl die GKV als auch die PKV Strukturprobleme haben: Einnahmedefizite und die demografische Entwicklung etwa aufseiten der GKV. Stetig steigende Beiträge, ein unüberschaubarer Tarifdschungel, Billigtarife, zu hohe Maklerprovisionen sowie eine nicht sachgemäße finanzielle Überforderung von einzelnen privat Versicherten unter anderem aufseiten der KZBV. Die Mängel der PKV hätten nicht nur Finanzlöcher in die Bilanzen der Privatversicherer gerissen. Sie hätten auch die Reputation der Versicherung in Politik und Öffentlichkeit beschädigt, so die BZÄK. Das Zwei-Säulen-System stehe vor wichtigen Reformen, heißt es im Programm.

Duales System erhalten und reformieren

Erforderlich sei, den Leistungswettbewerb innerhalb der GKV zu stärken und aktuelle Finanzierungs- und Geschäftsmodelle der PKV ernsthaft auf den Prüfstand zu stellen. Zudem sollten dort die Rechte der Versicherten gestärkt, Tarifstrukturen transparenter gestaltet sowie die Übertragbarkeit von Altersrückstellungen ermöglicht und die Höhe der Maklerprovisionen eingedämmt werden.

Die BZÄK, so das Programm, unterstütze daher alle gesundheitspolitischen Aktivitäten, „die das Krankenversicherungssystem der GKV demografiefest machen und die PKV als Teil der sozialen Marktwirtschaft weiterentwickeln“. Und in ihrem Memo-randum formuliert die BZÄK: Ziel der zu künftigen gesundheitspolitischen Aktivitäten müsse es sein, die Dualität aus GKV und PKV insgesamt zu stabilisieren und gleichzeitig Tendenzen zu vermeiden, die das Gesundheitssystem weiter vereinheitlichen wie etwa die „GKVisierung“ von Versorgungs- und Vergütungssystemen in der PKV.

Für die Zahnmedizin bedeute dies, dass die in den vergangenen Jahrzehnten umgesetzten Reformen, die bereits ihren Beitrag zur Stabilisierung der GKV-Finanzen geleistet hätten, fortgeführt werden und insgesamt durch eine nachhaltige Finanzierung der übrigen Versorgungsbereiche und des GKV-Gesamtsystems von der Einnahmeseite her sichergestellt würden.

Die Schaffung einer Bürgerversicherung und die Abschaffung der PKV-Vollversicherung seien auch aus Sicht der BZÄK eine eklatante gesundheitspolitische Fehlentscheidung: „Die zahnärztliche Therapiefreiheit und die freie Arztwahl würden so beschränkt und medizinische Leistungen auf das Nötigste reduziert werden.“

In Summe lehnt die BZÄK die Bürger- versicherung wegen negativer Effekte auf die Versorgungsstruktur und das derzeit hohe Versorgungsniveau ab. Mit dieser Versicherung könnten die Lasten für die junge Generation nicht abgesenkt werden, die Nachhaltigkeitsprobleme der heutigen GKV blieben nahezu unverändert bestehen.

Freiberuflichkeit als Stabilitätsfaktor

Im Memorandum hält die BZÄK fest, dass die Ausübung des Zahnärzteberufs in Freiberuflichkeit der „Garant für das qualitativ hochwertige Versorgungsniveau“ sei. Die Freiberuflichkeit ermögliche es, die notwendigen Diagnose- und Therapieentscheidungen frei und ohne Einwirkung Dritter zum Wohle der Patienten zu treffen. Freie Wahlrechte der Patienten führten zusätzlich zu einer Steigerung des Versorgungsniveaus, da das Recht auf freie Arztwahl Ausdruck einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten freiheitlichen Gesellschaft sei und den erforderlichen Wettbewerb sichere.

Denn letztendlich sei es die Zahnmedizin gewesen, für die in den vergangenen Jahrzehnten Reformen in der Logik einer reformierten Dualität durchgeführt wurden und anhand derer heutzutage gezeigt werden könne, wie sich das System der GKV langfristig finanziell stabilisieren lässt. Mit der Bürgerversicherung hingegen würden „zu viele Inhalte einer Staatsmedizin umgesetzt werden, die ihren Kern in der Verdrängung der bewährten freiberuflichen und niedergelassenen zahnärztlichen Tätigkeit haben“.

In einem Flyer klärt die BZÄK weiter über ihre Ansichten auf („Reformierte Dualität – Keine Experimente!”) und nennt „zwölf Gründe, die aus Sicht von Patienten und Ärzten gegen einen einheitlichen Krankenversicherungsmarkt sprechen“.

Eine Arbeitsgemeinschaft (Arge) aus verschiedenen Landes-KZVen (KZV Baden-Württemberg, KZV Bayern, KZV Hessen, KZV Niedersachsen und KZV Schleswig-Holstein) hat die Bürgerversicherung ebenfalls argumentativ untersucht und die Defizite benannt. Sie kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die Bürgerversicherung gleich in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig sei, etwa hinsichtlich des Wegfalls der Bei-hilfe oder bei der Frage der Portabilität von Altersrückstellungen der PKV (180 Milliarden Euro laut PKV).

Die Absicht, die PKV letztlich abzuschaffen, so die Arge, werde sich für die Ärzteschaft existenzbedrohend auswirken und Praxen würden ohne die Quersubventionierung durch die Privatversicherten in Existenznot geraten. Hintergrund: Mit der derzeitigen Vergütungshöhe in der GKV könnten viele Arztpraxen hierzulande nicht kosten- deckend wirtschaften. Immerhin trügen rund elf Prozent der Privatversicherten etwa ein Viertel der Praxisumsätze der Ärzte.

Zudem trügen die Privatversicherten im Bereich der Arznei-, Heil- und Hilfsmittel überproportional zur Finanzierung der Gesundheitsausgaben bei. Die Honorare innerhalb der GKV müssten entsprechend angehoben werden, um dies auszugleichen. Andernfalls würden gerade die Landpraxen und damit die flächendeckende Versorgung noch stärker gefährdet sein, als dies ohnehin schon der Fall sei.

Weiteres Manko: Wenn GRÜNE und LINKE die Krankenversicherungsbeiträge zum Beispiel auf Einkünfte aus Pacht oder Miete erheben wollen, würde dies die Wohn- und Geschäftsraummieten ansteigen lassen. Es sei anzunehmen, dass die Vermieter die zusätzlichen Abgaben größtenteils an die Mieter weitergeben werden. Besonders betroffen wären dann gerade Mieter mit geringen Einkommen.

Das Fazit der Arge: „Die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung in ihrer heutigen Form löst nicht die Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen. Das Experiment Bürgerversicherung stellt vor diesem Hintergrund nicht die Lösung, sondern selbst das Problem dar.“

Doch nicht nur BZÄK und KZBV sehen die Bürgerversicherung kritisch: Auch in den Zahnärztekammern der Bundesländer und den Landes-KZVen sowie in den zahlreichen zahnärztlichen Verbänden zeigt sich massiver Widerstand. Die Freie Zahnärzteschaft (FZ) ist genauso dagegen wie die Freie Ärzteschaft, beide starteten, wie auch der Freie Verband Deutscher Zahnärzte, bereits Plakataktionen. In Bayern schlossen sich unterschiedliche Verbände aus (Zahn-)Medizin und Wirtschaft zu einem Bündnis zusammen.

Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. lehnt die Bürgerversicherung ab, die Allianz Deutscher Ärzteverbände setzt sich ebenfalls für das duale Versicherungssystem ein. Apropos Ärzte: Die hatten sich auf ihrem letzten Ärztetag positioniert und sich ebenfalls für ein Nebeneinander von GKV und PKV und gegen eine Bürgerversicherung ausgesprochen.

Die von den Oppositionsparteien geforderte Bürgerversicherung sei keine nebenwirkungsfreie Wunderpille, warnte jüngst Dr. Bernhard Rochell, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer (BÄK), erneut, sondern eine Radikaltherapie am deutschen Gesundheitswesen.

Die Zeitschrift Focus Money (FM) hat mittels Befragung herausgefunden, dass über 70 Prozent der Mediziner das derzeitige System für „sehr gut“ oder „eher gut“ finden. Die Bilanz von FM: „Das Urteil der Ärzte zum Umbau: Ablehnen.“

Auch von wissenschaftlicher Seite kommt Unterstützung für die Mediziner: So hat etwa auch das Institut für Mikrodaten-Analyse unlängst eine Studie publiziert, in der der reformierten Dualität das Wort geredet wird. Der Leiter des Kieler Instituts, der Gesundheitsökonom Thomas Drabinski, verwies auch auf eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes. Dies habe errechnet, dass ein Wegfall der PKV die medizinische Versorgung um 11,4 Milliarden und die zahnmedizinische Versorgung um bis zu 11,6 Milliarden Euro schmälern würde.

Hohe Wellen geschlagen hat auch eine Untersuchung der SPD nahen Hans-Böckler-Stiftung. Die hatte nämlich zutage gebracht, dass die Einführung der Bürgerversicherung bis zu 70 000 Arbeitsplätze kosten würde.

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung kommt (in einer Studie im Auftrag der PKV) zu dem Ergebnis, dass die Bürgerversicherung erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen würde. Zudem sei im Zuge der demografischen Alterung bis zum Jahr 2040 mit einem Anstieg des GKV-Beitragssatzes von derzeit 15,5 auf 22,4 Prozentpunkte zu rechnen.

Auf der Homepage der KZBV schließlich sind auch eine ganze Reihe von Kassenvertretern aufgelistet, die die BV ebenfalls kritisch sehen und die bezweifeln, dass die Bürgerversicherung die Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen lösen kann.

Info

Kieler Gesundheitskongress: Dualität reformieren

„Wir haben das beste Krankenversicherungssystem der Welt – also: Schaffen wir es ab!“ Voller Ironie wertete PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach die politische Podiumsdiskussion mit Bürgerversicherungs-Vertretern aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf dem 1. Kieler Sommer Gesundheits-kongress am 28. August.

Zuvor hatten Experten aus GKVen, PKVen und Heilberufen in einem vom Veranstalter-Institut für Mikrodaten-Analyse (IfMDA), straff organisierten Austausch dem Vorhaben Bürgerversicherung ohnehin nur äußerst geringe Umsetzungschancen eingeräumt. Selbst Michael Weller, Stabsbereichsleiter Politik im GKV-Spitzenverband, erklärte mit Verweis auf Gespräche mit Pro-Bürgerversicherungs-Parteivertretern: „Sobald es ins Detail geht, kommt die Erkenntnis, dass es da nicht weitergehen wird.“ Veränderungen werde es, so der Lobbyist, nur bei „glasklaren Mehrheiten“ geben. Alles andere laufe auf weitere Konvergenz-Bemühungen hinaus. „Wir müssen langfristig denken“, bestätigte indirekt sogar der schleswig- holsteinische SPD-Landtagsabgeordnete Bernd Heinemann die Kritiker. „Eine Sache von 15, 25, 30 Jahren“ sei „die Perspektive auf dem Weg Richtung einheitlicher Versicherungsmarkt“, pflichtet die Medizinerin und Bündnis 90/Die Grünen-Landtags- abgeordnete Marret Bohn bei. „Flächendeckend, langfristig, nicht auf Knopfdruck“, so die Vorstellungen über den Weg Richtung Bürgerversicherung.

Ein Unding für die Bundestagsabgeordneten

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) und Dr. Rolf Koschorrek (CDU). Weder die Finanzierung über Steuern noch über Umlagen seien, so Koschorrek, „zukunftsfeste Systeme“. Kritischen Abstand zu solchen Polit-Plattitüden zeigt auch der BKK Siemens-Vorsitzende Dr. Hans Unterhuber. Er moniert, dass in der Diskussion das Prinzip „gerecht“ immer mit „einheitlich“ gleich gesetzt werde.

Sachlichkeit waltete – trotz der von Veranstalter und IfMDA-Leiter Dr. Thomas Drabinski auf Basis jüngster Kostenstruktur- erhebungsdaten nach Abschaffung der PKV in die Diskussion eingebrachten Verluste von 11,4 Milliarden Euro für die Ärzte und 11,6 Milliarden für die Zahnärzte – aufseiten der Heilberufe.

BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich verwies auf das erfolgreiche Modell der zahnärztlichen Versorgung im Rahmen eines – natürlich zu optimierenden – dualen Versicherungssystems. Hier ergänzten oft gerade „private“ Leistungen den Erfolg von Sachleistungstherapien (zum Beispiel PZR).

BÄK-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rochell warnte, dass die Bürgerversicherung kein Garant gegen eine Zwei-Klassen-Medizin sein könne, vielmehr die Rationierung und Ausdünnung des Grundleistungskatalogs befördere. Der Hamburger KV-Vorsitzende Walther Plassmann hält „schlichte Betrachtungen, wie sie die Bürgerversicherung ist“, angesichts des komplexen Systems und des Versorgungsauftrages für problematisch. Eine besondere Schluss- folgerung zum Kieler Kongresses zog der Vorsitzende der PKV Hallesche KrankenVersicherung, Dr. Walter Botermann: „Bisher gibt es keine Antwort auf die Frage, was mit der Bürgerversicherung wirklich besser wird.“

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