Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser,

quo vadis, Staat? Diese Frage bewegt viele – gerade zu Anfang einer Legislaturperiode. Ist die heiße Luft der Wahlkampfphrasen verdampft, gibt es freie Sicht auf die zu leistenden Aufgaben. Das ist die Zeit für Grundsätzliches. Zum Beispiel: Wo liegt der Konsens für die strategischen Weichen und Ziele unserer Gesellschaft? Und wie viel Staat brauchen wir dafür?

Spezifischer: Wie weit kann, wie weit darf soziale Absicherung durch den Staat gehen? Wo sind die Grenzen zwischen Freiheit, Schutz und Bevormundung der Bürger? Solche Diskussionen müssen wir ernst führen. Hüftschüsse à la „veggie day“ bringen nicht weiter.

Im Gesundheitswesen ist der Gradmesser für Grundsätze das Patientenwohl. Aber wie viel Eigenverantwortung kann der Patient leben – in einem System, das wegen Bürokratie und Abertausenden Verordnungen vollkommen intransparent ist? Wie weit müssen Rahmenbedingungen reichen, damit zahn-/medizinische Versorgung und wissenschaftlicher Fortschritt erhalten bleiben? Und wo ist hier die ökonomische Kante zu setzen?

Augenscheinlich will solche Grundsätze keiner gesamtgesellschaftlich verantworten. Was Lebenszeit, Lebensqualität oder auch die Würde Einzelner der Gesellschaft wert sind, überlässt der Politiker gern dem ständigen Diskurs von Philosophen, Theologen oder Medizin-Ethikern.

Der Effekt des Unverbindlichen: Im Alltag trifft die Entscheidung ganz fallbezogen immer der jeweilige Arzt – im Bewusstsein, nach abgewogener Entscheidung hinterher von anderen dafür kritisiert, gerügt oder diffamiert zu werden. Das ist allenfalls menschlich, ethisch aber fragwürdig.

Und es hat Konsequenzen: Fehlt es an gesellschaftlicher Bereitschaft zur Verantwortung, greifen andere Maßgaben für das „Daumen hoch“ oder „Daumen runter“. In Ermangelung von strukturierten und gesellschaftlichen Konsensen bleibt als bestimmendes Kalkül das Geld. Dass es hier im Wettbewerb, auch wegen Interessen Externer – nicht nur seitens Tchibo, sondern auch durch Versicherungen oder internationale Industrie- und Handelsunternehmen – schnell unübersichtlich wird, wird jeder Zahnarzt und Arzt feststellen. Immer mehr scheinbare Helfer und Berater der Patienten wollen deren Geld oder eigenes zulasten der Patienten sparen. Das muss die Gesellschaft im Blick haben. Einmischungen und Einschränkungen des Zahnarztes und Arztes in seiner Therapiefreiheit zu verhindern, ist hier das Mindeste.

Letztlich gilt es, die nach jeweiligen Fähigkeiten verteilte und bewährte Teilung der Verantwortung zu verteidigen. Aber Verantwortlichkeit braucht Handlungsfreiheit. Das bedeutet: Solidarität für die, die es wirklich brauchen; Freiheit dort, wo der Patient aufgeklärt und „Herr“ der Lage ist; große Entscheidungsfreiheit dort, wo Ärzte, Zahnärzte und Heilberufe diagnostizieren und therapieren können müssen.

Erst wenn das geklärt ist, kann die Gesellschaft befinden, wo dann noch „wie viel Staat“ nötig ist.

Mit freundichem Gruß

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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