Gastkommentar

Nach der Wahl

Neue Wege nach der Wahl? Die divergierenden Interessenlagen bleiben, die Politik wird also weiterhin ausgleichen müssen, meint Dr. Andreas Lehr, Gesundheitspolitischer Fachjournalist, LetV Verlag.

Die Wahl ist entschieden. Bald wird der neue Koalitionsvertrag unterschrieben, sind die Ministerposten besetzt und dann ist wieder „governing as usual“ angesagt. Die in den vergangenen Monaten hochumworbenen Bürger und Bürgerinnen und ihre Interessen treten dann wieder in den Hintergrund, sie spielen kaum noch eine Rolle, denn aus Erfahrung weiß die Politik, dass sie schnell vergessen.

Aber was erwarten die Bürgerinnen und Bürger von der Gesundheitspolitik?

Die Versicherten wollen eine bestmögliche und innovative Versorgung zu fairen, bezahlbaren Preisen, einen direkten Zugang zu allen Leistungen und Produkten, keine Wartezeiten, keine Zwei-Klassen-Medizin und das alles noch mit Seele und Herz. Zudem wollen sie diese Leistungen durch ihre Beiträge so weit wie möglich abgesichert sehen.

Auch die Krankenversicherer wollen bestmögliche und innovative Versorgung zu bezahlbaren, für sie angemessenen Preisen, keine Wartezeiten, einen direkten Zugang zu allen notwendigen Leistungen, moder-nisierte Strukturen, Selektivverträge je nach Interesse, ein Aufbrechen der Sektoren. Sie sind mit Modellen wie Festbeträgen ein- verstanden, bieten mit Partnern sogar Zusatzversicherungen oder Zusatzmodule an. Sie wollen die erbrachten Leistungen rechtssicher dokumentiert und transparent qualitätsgesichert, auf ihren Nutzen hin geprüft sehen. Arzneimittel und Medizinprodukte wollen sie so preiswert wie möglich einkaufen.

Die Interessen der Krankenkassen sind im Grunde nur eine inhaltliche, system- und strukturbezogene Erweiterung der Interessen ihrer Versicherten. Sie müssen im Sinn ihrer Versicherten die Kosten gering halten. Darauf hat auch die Politik ein Auge wegen der Lohnnebenkosten geworfen, die, von den Arbeitgebern eingefordert, möglichst niedrig bleiben sollen.

Die Interessen der Patientinnen und Patienten unterscheiden sich von denen der Versicherten, sie wollen so viele Leistungen wie möglich. Die Ausgaben der Kranken-versicherer interessieren sie in der Regel nicht, es sei denn, sie werden daran beteiligt und es handelt sich, wie zumeist in der Zahnmedizin, um keine lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie wollen moderne, Heilung bringende oder lindernde Arzneimittel und Medizinprodukte, ohne Rücksicht auf die Kosten.

Die Industrie will ihre Produkte verkaufen, und zwar zu möglichst hohen Preisen. Das erwarten die Aktionäre, die eine Dividende für ihren finanziellen Einsatz sehen wollen, und zwar jedes Jahr so hoch wie möglich.

Auch die Leistungserbringer sind naturgemäß an möglichst hohen Honoraren und Mengen interessiert – wer sie finanziert und wie sie finanziert werden, bleibt für sie zweitrangig. Sie wollen möglichst wenig bürokratischen Aufwand, das heißt vor allem wenig Dokumentation. Transparenz spielt für sie in der Regel eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz zu früher sind heute viele Leistungserbringer an einer externen Qualitätssicherung interessiert, ebenso haben etliche die Vorzüge von Selektiv- und Strukturverträgen schätzen gelernt.

Politik ist im besten Fall ein dem Gemeinwohl verpflichteter, fairer Interessenausgleich. Gelingt dies, hat sie ihre Aufgabe hervorragend erfüllt.

Die Definition dessen, was dem Gemeinwohl dient, kann jeder leicht ableiten, im tiefsten Inneren halten die meisten für Gemeinwohl, was ihnen selbst dient.

Auch Politiker leben in dieser realen Welt, stehen den einen und deren Interessen nah, den anderen fern und das je unterschiedlich. Alle versuchen ihre Interessen durchzusetzen und das daraus Erwachsende nennt man Gesundheitspolitik. Eine solche erwartet uns nach dem bekannten Muster auch in der 18. Legislaturperiode.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber

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