Ein Kommentar zum neuen HTA-Bericht

Fissurenversiegelung bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko

Im August 2014 wurde ein HTA-Bericht zur „Molaren-Versiegelung als Kariesprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko“ durch das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation (DIMDI) veröffentlicht. Der Bericht wurde vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung e. V. (ISEG) Witten/Hannover in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) erstellt.

Im Bericht werden Fragen zur medizinischen Wirksamkeit und Kosteneffektivität von Fissuren- und Grübchenversiegelungen in der Kariesprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche beantwortet. Nach dieser Recherche lagen für die medizinische Bewertung 1 249 Forschungsarbeiten vor, von denen 19 nach Überprüfung gegen die definierten Ein- und Ausschlusskriterien in die Analyse einbezogen wurden. Zur ökonomischen Bewertung wurden aus 263 Forschungsarbeiten 13 in die Analyse einbezogen. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass vor dem Hintergrund der aufgestellten Fragestellung (i) Fissurenversiegelungen in den einbezogenen Studien fast durchgängig eine kariesprotektive Wirkung aufwiesen und (ii) es Hinweise gibt, dass damit möglicherweise auch langfristig Kosteneinsparungen verbunden sein könnten.

Der HTA-Bericht weist jedoch auch kritische Aspekte auf, so wird die Übertragbarkeit vieler internationaler Studienergebnisse auf die deutsche Versorgungssituation infrage gestellt (externe Validität).

Dass diese Wirkungsanalyse nicht eindeutiger ausgefallen ist, liegt nach Angaben der Autoren unter anderem an qualitativen Mängeln im medizinischen Berichtswesen der einbezogenen Studien.

Health Technology Assessment (HTA) ist eine systematische Bewertung medizinischer Prozesse und Verfahren und liefert damit eine Entscheidungsgrundlage für die Gesundheitspolitik. HTA-Berichte machen Aussagen zu Nutzen, Risiken, Kosten und Auswirkungen medizinischer Verfahren und Technologien mit Bezug zur gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung. Dabei fallen unter den Begriff „Technologie“ sowohl Medikamente als auch Instrumente, Geräte, medizinische Prozeduren, Verfahren sowie Organisationsstrukturen. HTA-Berichte stellen Instrumente zur Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen dar und haben sich national und international etabliert. Explizit sollen neben medizinischen und ökonomischen auch ethische, soziale und rechtliche Implikationen berücksichtigt werden.

Die Deutsche Agentur für HTA (DAHTA) des DIMDI wurde im Jahr 2000 gegründet. Das DIMDI ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Die vom BMG benannten Mitglieder des Kuratoriums HTA stimmen im Delphi-Verfahren über die Priorisierung der eingesandten anonymen Themenvorschläge ab.

Leitlinien dienen dem Patienten

Demgegenüber stellen Leitlinien Entscheidungshilfen für Zahnärztinnen und Zahnärzte dar, indem sie externes Wissen aus klinischen Studien bündeln und Empfehlungen für die Patientenversorgung ableiten. Sie werden nach definierten Vorgaben entwickelt. Die Leitlinien-Gruppe setzt sich aus Vertretern der für das Thema relevanten Fachgesellschaften und Organisationen zusammen. Die Empfehlungen werden in Konsensusprozessen abgestimmt. In der Anwendung müssen die Leitlinienempfehlungen mit der individuellen Patientensituation verknüpft werden.

Die gültige deutsche S3-Leitlinie Fissuren- und Grübchenversiegelung wurde durch die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) initialisiert und durch das Zentrum Zahnärztliche Qualität (ZZQ) koordiniert. Die Leitlinie zielt darauf ab, wissenschaftlich begründete diagnostische und therapeutische Empfehlungen für den Bereich der Fissuren- und Grübchenversiegelung zu geben. Bei der Formulierung der Leitlinienempfehlungen steht die klinische Anwendung im Vordergrund.

Die Leitlinie empfiehlt grundsätzlich, die Fissuren- und Grübchenversiegelung bei Kindern und Jugendlichen mit einem erhöhten Kariesrisiko durchzuführen.

Der aktuell vorgelegte HTA-Bericht bestätigt das präventive Potenzial und mögliche Kosteneinsparungen durch Molarenversiegelungen. Gleichzeitig wird auf den indikationsgerechten Einsatz, wie er in der Leitlinie formuliert ist, hingewiesen. Im Vergleich zur 2010 veröffentlichten zahnmedizinischen Leitlinie haben sich keine grundsätzlichen Änderungen der Evidenzlage ergeben.

Vor diesem Hintergrund sind nach wie vor Überlegungen zur Verbesserung der zielgruppenspezifischen (Migranten, sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche) Prävention im Rahmen der Individual- wie auch der Gruppenprophylaxe anzustellen.

Dr. Regine ChenotLeiterin Zentrum Zahnärztliche Qualität (ZZQ) Einrichtung in gemeinsamer Trägerschaft von BZÄK und KZBVChausseestr. 1310115 Berlin

PD Dr. Jan KühnischLeiter Sektion Kinderzahnheilkunde Poliklinik für Zahnerhaltung und ParodontologieLudwig-Maximilians-Universität MünchenGoethestr. 7080336 München

Literatur:Kühnisch J, Reichl FX, Hickel R, Heinrich-Weltzien R: Leitlinie Fissuren- und Grübchenversiegelung– Langfassung.www.awmf.org(10.09.2014).

Neusser S, Krauth C, Hussein R, Bitzer EM:Molaren-Versiegelung als Kariesprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko. Schriftenreihe Health TechnologyAssessment Bd. 132, DIMDI, Köln 2014.www.dimdi.de/static/de/hta/aktuelles/news_0368.html_319159480.html(10.09.2014).

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