Vorteile niedriger Zinsen

Des einen Freud ist des anderen Leid

Die jüngste Zinssenkung durch die EZB lässt vermuten, dass den Sparern die Probleme bei der Geldanlage noch einige Zeit erhalten bleiben. Dabei bergen die Minizinsen auch Vorteile. Von Nutzen sind sie für alle, die einen Kredit aufnehmen wollen. Sie sollten die Gunst der Stunde nutzen.

Wenn’s ums Geld geht, reagieren die Banken ziemlich schnell. Kurz nach der erneuten Zinssenkung durch die EZB am 5. Juni 2014 kündigten viele Institute Korrekturen bei den Konditionen für Fest- und Tagesgeld an. Sie senkten die Guthabenzinsen auf ein extrem niedriges Niveau. Die Kreditzinsen folgen mit zeitlichem Abstand. Mit seiner Taktik will EZB-Chef Mario Draghi vor allem Banken in den südlichen Ländern bei der Kreditvergabe an Unternehmen helfen. Zu den Begünstigten zählt aber auch Deutschland. Denn auch hier kann die Regierung sich zu sagenhaft günstigen Konditionen verschulden. Und egal wie niedrig die Coupons der Bundesanleihen ausfallen, die Nach-frage nach den Papieren ebbt nicht ab – sehr zur Freude des Finanzministers. Wie es in Berlin heißt, sollen die niedrigen Zinsen dem Bund in den vergangenen fünf Jahren eine finanzielle Entlastung von knapp 41 Milliarden Euro beschert haben. Diese Zahl ergibt sich aus den ursprünglich geplanten Ausgaben für die Neuverschuldung und den tatsächlichen Konditionen. Allerdings darf man die Kosten für die Eurokrise nicht vergessen. Die belaufen sich nach Angaben des Finanzministeriums auf 599 Millionen Euro.

Ihr Gutes haben die niedrigen Zinsen auch für private Verbraucher, wenn sie sich verschulden wollen. Diesen Vorteil der derzeitigen Situation am Finanzmarkt nutzen aber nur wenige. Laut Bundesbank ist die Verschuldung der privaten Haushalte in 2012 noch nicht einmal um ein Prozent gestiegen. Daran hat sich auch in 2013 kaum etwas verändert. Dabei kann, wer sich geschickt verschuldet, am Ende sogar Geld sparen. Selbst eine steigende Inflation – wie sie allerdings zurzeit nicht in Sicht ist – würde für die Kreditnehmer arbeiten: Je höher sie steigt, desto weniger Gegenwert muss man später zurückzahlen.

Klug verschulden

Doch sollten die günstigen Bedingungen nicht zu einer unüberlegten Verschuldung führen. Einen Kredit aufzunehmen bedeutet, das Konto über einen längeren Zeitraum mit monatlichen Ratenzahlungen zu belasten. Die sind auch dann noch fällig, wenn der Grund für die Kreditaufnahme vielleicht schon fast vergessen ist. So bereitet der finanzierte Urlaub ein kurzes Vergnügen mit unangenehmem Nachgeschmack. Wer sich mit Sinn und Verstand verschuldet, gibt das geliehene Geld für Dinge aus, die ihm einen Mehrwert bescheren.

Dazu gehört zum Beispiel die Aufwertung einer Immobilie durch Energiesparmaßnahmen wie Dämmung oder eine neue Heizung, aber auch die Ausgaben für ein Benzin sparendes Auto können sich lohnen oder die Anschaffung eines Kühlschranks, der deutlich weniger Strom verbraucht als das alte Modell.

Wer schon länger über die Sanierung des Bades oder über eine Wohnungsrenovierung nachdenkt, kann die günstigen Bedingungen nutzen und einen Kredit aufnehmen. Damit lässt sich der Wert der Wohnung oder des Hauses steigern. Ratenkredite über 10 000 Euro kosten derzeit effektiv zwischen 4,33 und 8,05 Prozent. Manche Institute bieten sogar spezielle Wohnkredite an, die noch günstiger zu haben sind. Die ING-DiBa verlangt für 5 000 Euro, Laufzeit 84 Monate, einen Effektivzins von 3,99 Prozent. Zum Vergleich: Ein allgemeiner Ratenkredit bei diesem Institut kostet ein Prozent mehr.

Kredite ablösen

Eine weitere Möglichkeit, die günstigen Kreditangebote für sich zu nutzen, kann die vorzeitige Ablösung alter Kredite sein. Die Entscheidung dafür oder dagegen erfordert eine genaue Rechnung. Ob sich ein solcher Schritt lohnt, hängt von den Konditionen für das alte Darlehen ab und davon, wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung ausfällt, die die Bank für die frühe Vertrags- kündigung verlangt. Diese Gebühr ist auf maximal ein Prozent der Restsumme begrenzt. Bei Verträgen mit weniger als einem halben Jahr Laufzeit beträgt sie ein halbes Prozent. Ratenkreditverträge, die vor dem 11. Juni 2010 geschlossen wurden, unterliegen einer dreimonatigen Kündigungsfrist. Eine Vorfälligkeitsentschädigung gibt es dabei nicht.

„In der besten aller Welten“ leben nach Meinung von Max Herbst, Geschäftsführer des Internet-Finanzinformationsdienstes fmh, immer noch die Hauskäufer. Sie können ihre neu erworbenen Immobilien zu Traumkonditionen finanzieren. Und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Zurzeit liegen besonders günstige Angebote für eine Hypothek über 100 000 Euro, eine Beleihung der Immobilie zu 80 Prozent, zwei Prozent Tilgung und zehn Jahre Laufzeit zwischen 2,12 Prozent bei der DTW-Immobilienfinanzierung und 2,56 Prozent bei der Münchner Hypothekenbank (Stand: 23. Juni 2014, Quelle: fmh). Noch günstiger wird es bei einer Zinsbindung von nur fünf Jahren. Hier liegen die Konditionen sogar nur zwischen 1,65 Prozent von der Debeka Bausparkasse und 2,23 Prozent bei der SKG Bank.

Immobilien finanzieren

Der Informationsdienst Biallo hat ausgerechnet, dass die Zinsen für Baufinanzierungen im ersten Halbjahr 2014 um 0,5 Prozentpunkte gefallen sind. Das kann bei einer Baufinanzierung über 200 000 Euro mit zehnjähriger Laufzeit fast 10 000 Euro ausmachen. So verlockend die Bedingungen für eine Hypothek mit vergleichsweise kurzer Laufzeit auch sein mögen: Der Käufer sollte schon bei Abschluss des Darlehensvertrags an die Anschlussfinanzierung denken. Niemand weiß, wie sich die Zinsen bis dahin entwickeln werden. Und wer heute eine Immobilie erwirbt, die er sich nur aufgrund der attraktiven Konditionen leisten kann, wird sich später vielleicht in einer misslichen Situation wiederfinden. Steigen bis dahin die Zinsen, verteuert sich entsprechend die Anschlusshypothek. Die meisten Kunden entscheiden sich für eine Zinsbindung von zehn Jahren. Sie sollten bedenken, dass nach Ablauf dieser Frist die Restschuld noch relativ hoch ist und die Anschlussfinanzierung ähnlich problematisch sein kann.

Experten wie Max Herbst empfehlen daher eine Zinsbindung von 20 Jahren. Häufig reicht diese lange Zeitspanne aus, um einen Kredit komplett zu tilgen. Das funktioniert vor allem dann, wenn der Hauskäufer die Tilgungsrate höher ansetzt als den üblichen Satz von ein Prozent. Derzeit bewegen sich günstige Konditionen für 100 000 Euro Darlehen, 80 Prozent Beleihung, zwei Prozent Tilgung und 20 Jahre Laufzeit zwischen 2,94 Prozent (Hannoversche) und 4,03 Prozent effektiv (Commerzbank, Stand: 23. Juni 2014).

Besonders nachhaltig senken Sondertilgungen die Kosten für einen Kredit. Max Geißler, Finanzierungsexperte bei Biallo, meint: „Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie senken sowohl das Finanzierungsrisiko als auch die Gesamtkosten für die Baufinanzierung.“ Er hat ausgerechnet, dass bei einer jährlichen Zusatzeinzahlung von 1 500 Euro in ein 20-jähriges Darlehen sich die Zinskosten um mehr als 10 000 Euro verringern. Außerdem ist die Hypothek ein halbes Jahr früher abbezahlt.

Für Schuldner, die sich für eine fünfjährige Zinsbindung entschieden haben oder deren Darlehen schon älteren Datums ist und nur noch kurze Zeit läuft, klingt ein Forward-Darlehen verlockend. Damit können sie sich günstige Zinsen bis zu fünf Jahre im Voraus sichern. Diesen Dienst lassen sich die Banken natürlich bezahlen. Die Zinssicherheit kostet je nach Bank zwischen 0,01 und 0,02 Prozent vom Darlehensbetrag pro Monat. Um diesen Prozentsatz erhöht sich der monatliche Zins und zwar über die gesamte Reservierungsdauer und Laufzeit. Wer zum Beispiel für seine in drei Jahren fällige Anschlussfinanzierung den heutigen Zins festschreiben will, muss einen Aufschlag von 36 mal 0,02 Prozent in Kauf nehmen. Das bedeutet 0,72 Prozent, die während der drei Jahre Wartezeit zu bezahlen sind und um die sich der günstige Zins während der gesamten Laufzeit des Darlehens erhöht. Trotz des Aufschlags kann ein Forward-Darlehen Sinn machen. Für Schuldner, die von steigenden Zinsen ausgehen, bedeutet es Planungssicherheit. Auch Herbst empfiehlt Forward-Darlehen: „Es lohnt sich, selbst wenn die Zinsen nicht extrem steigen. Die Zinsen sind aktuell so niedrig, dass die Belastung inklusive des Forward-Aufschlags in absoluter Hinsicht wie auch im Vergleich zu früheren Zinsniveaus sehr erträglich ist.“

Preise vergleichen

Allerdings sollte man sich vor dem Abschluss des Darlehensvertrags darüber informieren, ob bei einem Bankwechsel erneute Notar- und Gerichtskosten fällig werden. Wer einen Geldsegen aus einer Erbschaft oder die Auszahlung einer Lebensversicherung erwartet, kann eventuell eine Sondertilgung vor- nehmen und so die Schuld reduzieren. Dies alles will gut überlegt sein. Denn der Rücktritt von einem Forward-Darlehen verursacht hohe Kosten.

So sehr die extrem niedrigen Zinsen auch zum Schulden Machen animieren, Hauskäufer sollten die Preise auf dem Immobilienmarkt vergleichen. Besonders in den Großstädten sind die Angebote knapp und die Preise heben dementsprechend ab. Selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warnte vor Kurzem vor einer unguten Entwicklung: „Auf Dauer ist das Maß an Liquidität zu groß und das Zinsniveau zu niedrig.“

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.