Ausländische Ärzte

Medizin braucht Migration

Auf dem Land wie in den Krankenhäusern fehlen hierzulande qualifizierte Mediziner. Um den Bedarf zu stillen, kommen immer häufiger Ärzte aus dem Ausland zu uns. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat erst kürzlich darauf hingewiesen, dass es an Hausärzten und Allgemeinmedizinern mangelt (siehe Beitrag S. 20). Deutschland ist auf ausländische Fachkräfte angewiesen – auch und gerade in der Medizin. In der Zahnmedizin gilt das zwar nicht, dennoch setzt sich der Berufsstand auch mit dem Thema Migration auseinander.

Aktuell ist das Thema gerade auch deshalb, weil zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen ein Streit über die Versorgungslage in Deutschland herrscht. Während der GKV-Spitzenverband erklärte, dass es in Deutschland so viele Ärzte wie noch nie gebe, heißt es vonseiten der KBV, dass die Nachfrage nach medizinischen Leistungen aufgrund der demografischen Entwicklung weiter steigen werde. Braucht Deutschland also zugezogene Mediziner, um die Versorgung zu garantieren?

„Ausländische Ärzte sind aus deutschen Krankenhäusern nicht mehr wegzudenken“, sagt Moritz Quiske, Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Die Mehrheit der in Deutschland tätigen ausländischen Ärzte arbeitet in Krankenhäusern, dort betrug die Zuwachsrate zuletzt 15,8 Prozent. Auch deutsche Wirtschaftsinstitute sind davon überzeugt, dass das deutsche Gesundheitswesen auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist. Nach einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln waren im Jahr 2011 knapp sechs Prozent der Ärzte Menschen, die nach dem Jahr 2000 nach Deutschland zugewandert sind. In der Studie, die im Januar veröffentlicht wurde, heißt es, dass auch medizinisches Personal und Pflegekräfte vermehrt nachgefragt würden. „Entsprechend ausgebildete Zuwanderer kommen also wie gerufen – in manchem Pflegeheim oder Krankenhaus geht es ohne sie schon heute nicht mehr.“ Quiske bestätigt, dass aktuell gut 22 000 ausländische Ärzte in deutschen Krankenhäusern tätig sind. Die hohe Zahl an  ausländischen Ärzten in Krankenhäusern sei vor allem darauf zurückzuführen, dass für eine Tätigkeit im Krankenhaus teilweise kein Facharztabschluss notwendig ist. Für einen niedergelassenen Arzt hingegen sei ein Facharzt unverzichtbar.

Ohnehin steigt die Zahl der in Deutschland tätigen ausländischen (Zahn-)Ärzte an. Innerhalb der vergangenen 20 Jahre hat sich ihre Anzahl beinahe verdreifacht. Laut Bundesärztekammer (BÄK) waren es 1993 noch 10 275 Mediziner nicht deutscher Herkunft, die hier gearbeitet haben. Seither stieg die Zahl zugezogener Ärzte auf zuletzt 32 548 (2012) an. Allein gegenüber dem Vorjahr (2011) waren das 4 193 mehr, das entspricht einer Steigerung von 14,8 Prozent.

Aus Europa kamen 2012 insgesamt 3 015 Mediziner nach Deutschland, davon 2 580 aus Staaten der Europäischen Union. Der größte Zustrom kommt aus Rumänien (+ 805), Griechenland (+ 332), Ungarn (+ 301) und Bulgarien (+ 184).

Dementsprechend stellen Ärzte aus diesen Ländern auch die größten Gruppen ausländischer Ärzte innerhalb von Deutschland dar (siehe Grafik 1). Wollte man es verallgemeinern, kommen beinahe drei Viertel aller zugezogenen Ärzte in Deutschland aus Europa. Daneben kommen viele Ärzte aus Russland, dem Iran und Syrien nach Deutschland.

Auf der Suche nach ausländischen Fachkräften

Den Mangel an Ärzten bekommen vor allem Kliniken immer häufiger direkt zu spüren. „Es gelingt einfach nicht, genügend qualifizierte Ärzte in Deutschland zu finden“, sagt Dr. Thomas Gruber, Geschäftsführer der Rems-Murr-Kliniken in Baden-Württemberg. Und ergänzt, dass die Rekrutierung von ausländischen Fachkräften „immer wichtiger“ werde.

Marion Rang, Sprecherin der zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), einer Fachabteilung der Arbeitsagentur, bestätigt die steigenden Anfragen nach qualifiziertem Personal, gerade aus Bayern und Baden-Württemberg. Doch auch in anderen Bundesländern würden immer mehr Kliniken organisiert nach Fachkräften aus dem Ausland suchen. 2013 habe die ZAV laut Rang rund 50 ausländische Ärzte rekrutiert. Die Arbeitgeber würden dabei auf die ZAV zukommen: „Meist sind es große Kliniken.“ Die ZAV könne dann „mit der Stellen- ausschreibung in der Hand“ auf die Suche gehen. „Wir gehen auf Messen und laden potenzielle Interessierte auf unsere eigenen Veranstaltungen ein“, erklärt sie das Prozedere der Rekrutierung.

Zahnärzte sind innerhalb Europas weniger mobil

Dass immer mehr Migration innerhalb der Gesundheitsbranche stattfindet, registriert man auch in Brüssel. „Die Arbeitsmigration bei den Gesundheitsberufen ist ein großes Thema für die EU“, sagt Dr. Alfred Büttner, Leiter der Abteilung für Europa und Internationales der Bundeszahnärztekammer. Er beobachtet auf dem europäischen Arbeitsmarkt seit einigen Jahren starke Veränderungen. Die Hauptmigrationsströme flössen seiner Meinung nach von Ost nach West und von Süd nach Nord. Es gebe durchaus viele Herausforderungen, doch „wir haben die Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der EU und die kann nicht eingeschränkt werden“.

Die Zahnärzte innerhalb Europas jedoch seien nicht so mobil, wie man das erwarten könnte. Seit Verabschiedung der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie (2005/35/EG) im Jahr 2005, die vorsieht, dass zahnärztliche Berufsabschlüsse innerhalb der EU-Staaten grundsätzlich automatisch anerkannt werden müssen, hätten nur vergleichsweise wenig Zahnärzte die Anerkennung beantragt. In absoluten Zahlen wurden laut einem EU- Bericht zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie europaweit zwischen 2007 und 2010 6 600 Zahnärzten, außerdem 26 000 Ärzten, 15 200 Krankenschwestern und 3 400 Apothekern die automatische Anerkennung ihrer Abschlüsse auf Grundlage der Richtlinie zugebilligt. Die niedrige Migration von Zahnärzten erklärt Büttner sich mit der hohen Niederlassungsrate bei Zahnärzten. „Sobald man eine eigene Praxis gegründet hat, ist man mehr an einen Ort gebunden.“

Im Jahr 2012 waren laut Bundeszahnärztekammer in Deutschland insgesamt rund 2 000 Zahnärzte aus dem europäischen Ausland tätig. Die häufigsten Staatsbürgerschaften der zugezogenen Zahnärzte waren griechisch, niederländisch, rumänisch und polnisch (siehe Grafik 2).

Schon 2030 könnte eine Million Fachkräfte fehlen

Was für die Ärzte gilt, das gilt auch für andere Fachkräfte im Gesundheitswesen. Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers hat den Arbeitsmarkt analysiert und kam zu dem Ergebnis, dass der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen nicht ohne Zuwanderung zu lösen ist. Die Autoren der Studie „Fachkräftemangel – Stationärer und ambulanter Bereich bis zum Jahr 2030“ fordern die Bundesregierung auf, ihre Zuwanderungspolitik zu überdenken. Die heutige Qualität der Gesundheitsversorgung lasse sich ohne ärztliches und nicht-ärztliches Personal aus dem Ausland nicht aufrechterhalten. Dabei dürfe sich die Politik nicht darauf beschränken, die Zuwanderung zu ermöglichen, sondern müsse sie gezielt fördern.

Denn der Wettbewerb um Ärzte, Pflege- und medizinische Fachkräfte werde zunehmend international ausgetragen, so die Studie. Sollten Politik, Wirtschaft und die anderen Arbeitsmarktakteure in der Gesundheitswirtschaft nicht heute gegensteuern, so könne das laut der Studie dazu führen, dass im Jahr 2030 fast eine Million Fachkräfte in der Gesundheitsversorgung fehlen würde. Kritiker monieren, dass Deutschland seine Ärzte jahrelang tatenlos nach England, nach Dänemark und in andere Länder hat gehen lassen. Nicht-Regierungsorganisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnen zudem davor, dass der Mangel an Fachkräften in den Industrieländern eine Unterversorgung in den Entwicklungsländern, einen sogenannten Braindrain, zur Folge haben könne.

Ärztliche Tätigkeit nur mit gültiger Approbation

Entscheidet sich ein ausländischer Arzt dafür, in Deutschland zu arbeiten, so geht das nur mit einer gültigen Zulassung. Zugezogene Ärzte können ihren Beruf hier, laut BÄK, nur mit einer gültigen Approbation oder einer Berufserlaubnis ausüben. Die Approbation ist von unbegrenzter Dauer und national gültig. Die Berufserlaubnis ist zeitlich beschränkt und auf ein Bundesland, manchmal auch auf eine bestimmte Arbeitsstelle, begrenzt. Die Obersten Landesgesundheitsbehörden in den jeweiligen Bundesländern sind zuständig für die Erteilung der Approbation beziehungsweise der Berufserlaubnis.

Die genauen Bedingungen für die Erteilung einer Approbation sind in der Bundesärzteordnung (BÄO) geregelt. Mediziner aus EU-Ländern können in der Regel mit einer automatischen Anerkennung rechnen. Bei Ärzten, die von außerhalb der EU kommen, müsse die zuständige Stelle die Gleichwertigkeit des Abschlusses mit einem deutschen Abschluss zunächst prüfen.

Bei Ärzten ist der Personalmangel offenkundig. In der Zahnmedizin gibt es zwar keine Lücken zu füllen, es gibt genügend Zahnärzte. Dennoch setzt sich der Berufsstand mit dem Thema Migration auseinander. Ein Zahnarzt, der seine zahnärztliche Ausbildung im Ausland absolviert hat, kann laut Bundeszahnärztekammer (BZÄK) grundsätzlich auch in Deutschland die Zahnheilkunde ausüben. Um die zahnärztliche Approbation in Deutschland zu erlangen, müsse dafür die Gleichwertigkeit der zahnärztlichen Ausbildung überprüft werden. Auch zahnärztliche Ausbildungen, die in einem EU-Mitgliedstaat absolviert wurden, würden grundsätzlich als gleichwertig angesehen. Daneben bestünde auch bei den Zahnärzten die Möglichkeit, eine zeitlich befristetet vorläufige Berufserlaubnis zu beantragen. Anders als bei den Ärzten gebe es dafür jedoch kein festgeschriebenes Verfahren, da die Verordnung zur Erteilung und Verlängerung von Berufserlaubnissen in Heilberufen des Bundes nicht für Zahnärzte gelte. Eine entsprechende Anpassung für die Zahnärzte solle mit der Novellierung der   Approbationsordnung für Zahnärzte erfolgen.  Die Gleichwertigkeitsprüfung bestehe aus einem theo- retischen und einem praktischen Teil und orientiere sich an der Approbationsordnung für Zahnärzte.

Der Theorieteil dient demzufolge zur Feststellung des praxisrelevanten Wissens in den Gebieten Zahnerhaltung und Paro-dontologie, Kieferorthopädie, Prothetik und Chirurgie und dauere für gewöhnlich nicht länger als 90 Minuten. Anhand von einzelnen Fällen, die in der Praxis vorkommen, werden Diagnosen, Therapien und Behandlungsmethoden abgefragt. Laut Prüfungsordnung werden auch allgemeine Kennt-nisse über die Dokumentation und Aufklärungspflicht, Hygiene, Prophylaxe, Notfallbehandlung, Röntgen einschließlich Schutzmaßnahmen und Röntgenanalyse vorausgesetzt.

Von Arzneimittelrecht bis hin zum Zahnersatz

Um als gleichwertig anerkannt zu werden, müssen zugezogene Zahnärzte ein breites zahnmedizinisches Fachwissen nachweisen. Es erstreckt sich vom Arzneimittelrecht über Oralpathologie und Parodontologie bis hin zum Zahnersatz. Darüber hinaus sollen in der mündlichen Prüfung die deutschen Sprachkenntnisse festgestellt werden. Der praktische Prüfungsteil wird in der Regel an einem Phantomkopf absolviert. Prüfungs- inhalte sind unter anderem konservierende Maßnahmen, Prothetik und Chirurgie.

Selbstverständlich müsse der zugezogene Zahnarzt nachweisen können, dass keine rechtlichen Verfahren gegen ihn laufen und dass er gesundheitlich geeignet ist zu behandeln. Bei weiteren Fragen sollten zugezogene Zahnmediziner sich an die jeweils zuständige Behörde oder die Landeszahnärztekammer des Bundeslandes, in dem sie tätig sein wollen, wenden.

Sprache als Weg zu einer hochwertigen Versorgung

Ein Problem bei der Berufsausübung in Deutschland sind die Sprachschwierigkeiten. Grundsätzlich müssen alle ausländischen (Zahn-)Ärzte ihre Deutschkenntnisse nachweisen – ob nun aus der Europäischen Union oder aus Nicht-EU-Ländern. Die Bundesärzteordnung (BÄO) sieht vor, dass der Nachweis von Kenntnissen der deutschen Sprache durch Bescheinigung eines erfolgreich absolvierten Sprachtests auf Level B2 in einem von staatlicher Stelle zertifizierten Sprachlabor und durch eine erfolgreich absolvierte Prüfung in deutscher medizinischer Fachsprache erfolgen muss.

Ausreichende Sprachkenntnisse zugezogener (Zahn-)Ärzte sind für den sicheren Umgang mit Patienten unverzichtbar. Mangelnde Kenntnisse können zu Fehlern und Missverständnissen, zur Verwechslung von Fachbegriffen und zu unpräzisen Arztbriefen führen.

„Die Verständigungsschwierigkeiten steigern sich, wenn Ärzte mit mangelnden Sprachkenntnissen auf Patienten treffen, die schwerstpflegebedürftig beziehungsweise demenziell erkrankt sind“, schildert zum Beispiel Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, das Problem. Laut Brysch lassen sich etwa 20 Prozent der Ärztefehler auf mangelnde Sprachkenntnisse zurückführen. Die Patientenschützer fordern daher bundesweit einheitliche Sprachtests für ausländische Ärzte.

Auf der Suche nach einer bundeseinheitlichen Lösung

Die Politik arbeitet schon länger an diesem Problem. Die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) will bis Juni 2014 ein Konzept vorlegen. Bereits im vergangenen Jahr forderten die Mitglieder der GMK, dass sowohl Kenntnisse über die „deutsche Umgangssprache, als auch die medizinische Fachsprache“ vorliegen müssten. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hatte diese Forderung im Januar in einem Interview wiederholt. Die BÄK sprach sich schon vor einem Jahr für einheitliche Überprüfungen von Sprachkenntnissen aus. In einer Pressemeldung hieß es, dass die BÄK einen Verordnungsentwurf der Bundesregierung zur einheitlichen Überprüfung der Sprachkenntnisse begrüße, denn „Sprachkenntnisse sind ein wesentliches Element der Qualitätssicherung“.

Neben Rheinland-Pfalz, hat nun auch Nordrhein-Westfalen beschlossen, dass die Sprachprüfungen künftig nicht mehr von den obersten Gesundheitsbehörden der Länder, sondern von der Ärztekammer selbst durchgeführt werden sollen. Die Regierung forderte die Kammer dazu auf, neben dem Hörverstehen und der Sprachfertigkeit auch die schriftliche Ausdrucksfähigkeit zu prüfen. „Denn ausländische Ärzte müssten auch in der Lage sein, Arztbriefe und Gesundheitsbescheinigungen richtig zu formulieren“, kommentierte Steffens die Entscheidung. Die Ärzteschaft in NRW erachtet das Sprachniveau als ein zentrales Kriterium für ärztliches Arbeiten und begrüßt die Verordnung der Landesregierung. Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, sagte dazu: „Wer ist für die Überprüfung der medizinischen Fachsprache besser geeignet als die Ärztekammern? Externe Prüfinstitute wohl kaum.“ Die Sprache habe eine Schlüsselfunktion in der Arzt-Patienten-Beziehung. Es sei wichtig, dass Arzt und Patient miteinander reden und sich verstehen können. „Eine funktionierende Kommunikation ist die Basis, um eine hochwertige Versorgung der Patienten zu gewährleisten.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.