Tilgungen

Gefährliche Dynamik

Darlehensverträge sind Fluch und Segen zugleich: Zum einen ermöglichen sie erst Investitionen, zum anderen aber bindet man sich juristisch. Die im Grunde selbstverständliche Verpflichtung, Darlehensverträge einzuhalten, kann für Zahnärzte allerdings zu erheblichen finanziellen Problemen führen.

Es war eine äußerst langwierige Angelegenheit, die sowohl bei Gerhard M., einem Zahnarzt aus Hessen, als auch bei seiner Hausbank, der örtlichen Volksbank, ein hohes Maß an Zugeständnissen erforderte. Die wesentliche Ursache dieser Entwicklung war die Inanspruchnahme des Überziehungskredits von M., die sich von 30 000 Euro vor etwa zwei Jahren auf ein zwischenzeitliches Niveau von rund 70 000 Euro erhöht hat. Wie häufig bei derartigen Entwicklungen erfolgte diese auf den ersten Blick kaum nachvollziehbare Kreditausweitung in mehreren Schritten: Waren es zunächst „vorübergehende Liquiditätsprobleme“, wie M. dem damals für ihn zuständigen Bankmitarbeiter erklärte, wurden bis vor Kurzem sogar Praxisinvestitionen mithilfe des Überziehungskredits zwischenfinanziert.

Wäre es nicht zu einem Beraterwechsel in der Bank gekommen, hätte sich dieser Kreditbetrag vermutlich noch weiter erhöht. Da der Beraterwechsel offenbar aber auch zu einer sorgfältigen Prüfung des gesamten Kreditengagements von M. führte, kam es daraufhin vor nunmehr knapp zwei Jahren zu diversen unerfreulichen Gesprächen zwischen dem nun für M. zuständigen Kundenberater, dessen Vorgesetztem und M., gemeinsam mit seinem Steuerberater.

Mitverantwortung der Bank

Im Ergebnis mussten die Bankvertreter zwar einräumen, dass sie durchaus eine Mitverantwortung an dieser Kreditausweitung tragen. Immerhin hatten sie den jeweiligen Kontoüberziehungen zugestimmt. Andererseits ließen sie aber keinen Zweifel daran, dass sie einer Umschuldung des Überziehungskredits in ein weitaus zinsgünstigeres Darlehen – der in dieser Situation zweifellos sinnvollsten Lösung – nur unter einer wichtigen Bedingung zustimmen würden. M. muss demzufolge in den kommenden fünf Jahren Sondertilgungen von jährlich 10 000 Euro leisten. Dieser Punkt wurde vertraglich festgelegt.

Mit diesem Ergebnis war M. zunächst sehr zufrieden. Immerhin konnte er so unangenehme Kreditkürzungen ebenso wie eine im Raum stehende Kreditkündigung erst einmal vermeiden. Die sicherlich ambitionierten Sondertilgungen sah er als machbar an, da sowohl die Umsatz- als auch die Ertragsentwicklung der Praxis zumindest zum damaligen Zeitpunkt diese Sondertilgungen durchaus zuließen. Auch die diesbezügliche Zurückhaltung seines Steuerberaters, der die Liquiditätsentwicklung der kommenden Jahre keineswegs so optimistisch einschätzte wie sein Mandant, beeindruckte M. offenbar nicht.

Ebenso wenig sah er sich, wie er heute kleinlaut einräumen muss, die Formulierungen in seinem neuen Kreditvertrag an, in dem die mit seiner Bank getroffene Vereinbarung wie erwähnt bestätigt wurde. Die außerordentliche jährliche Tilgungsrate von 10 000 Euro sollte danach in vierteljährlichen Raten von 2 500 Euro auf ein Sonderkonto verbucht und zum jeweiligen Jahresende dem nun neu eingerichteten Darlehenskonto von M. gutgeschrieben werden.

Zunehmende Probleme vertagt

Ging die Rechnung von M. im ersten Jahr noch auf, so gibt es nun im Jahresverlauf des zweiten Tilgungsjahres erneut finanzielle Schwierigkeiten. M. ist wegen zurückgehender Umsätze, vor allem verursacht durch die negative Entwicklung bei den Privatpatienten, nicht in der Lage, die vereinbarten Sondertilgungen zu leisten. Obwohl sich diese Entwicklung schon vor Monaten ankündigte, hoffte M. offensichtlich auf wieder bessere Zeiten, da er ein frühzeitiges Gespräch mit seiner Bank zu diesem Zeitpunkt nicht führte.

Umso unangenehmer wurde die Situation, als die Bank selbst aktiv wurde und um eine Unterredung bat. Darin wurde – wie übrigens fast immer in vergleichbaren Fällen – schnell der Vorwurf laut, dass M. „aus der Vergangenheit offenbar nichts gelernt“ habe. Ihm wurde daraufhin mehr oder weniger deutlich mit einer möglichen Kündigung aller Kreditverträge gedroht, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sogar die Existenz seiner gesamten Praxis infrage gestellt hätte.

Diese durchaus realistische Konsequenz einschließlich des damit verbundenen Verlusts von Arbeitsplätzen – M. beschäftigt vier Mitarbeiterinnen – führten schließlich doch noch zu einem Vergleich zwischen den Vertrags- und Geschäftspartnern: Während M. eine Bürgschaft in Höhe seiner Gesamtverbindlichkeiten bei sämtlichen Darlehen einschließlich einer Erhöhung des Zinssatzes um immerhin drei Prozent seines inzwischen auf 50 000 Euro reduzierten Überziehungskredits akzeptierte, stimmte die Bank einer Aussetzung der Sondertilgungen für zwei Jahre zu. Danach erwartet sie die Wiederaufnahme dieser Zahlungen von jährlich 10 000 Euro.

Diffuse Rolle des Kreditinstituts

Unklar bleibt für M. ebenso wie für seinen Steuerberater jedoch die Rolle der Bank, die als Hausbank pünktlich und zuverlässig über die jeweils aktuelle Lage der Praxis in Kenntnis gesetzt wurde und wird. Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen verdeutlichten schon seit geraumer Zeit, dass es absehbare Liquiditätsprobleme geben wird. Dies dürfte der Bank also nicht ver-borgen geblieben sein. Ob sie diese Entwicklung als nicht relevant einstufte oder ebenso wie M. auf das sprichwörtliche Prinzip Hoffnung setzte, wurde bisher nicht thematisiert. Wahr ist aber eben auch, dass M. trotz wiederholter Warnungen seines Steuerberaters ebenfalls nicht tätig wurde. Wie auch immer, das Ergebnis liegt nun auf dem Tisch. Ob es M. lediglich einen Zeitgewinn oder doch eine nachhaltige Konsolidierung seiner Finanzen bringt, muss sich jedoch erst noch zeigen.

Michael VetterFachjournalist für Wirtschaftvetter-finanz@-t-online.de

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