Deutsche Hochdruckliga

Hypertonie wird immer noch nicht ausreichend therapiert

Bei Diagnostik und Therapie des Bluthochdrucks bestehen noch erhebliche Versorgungslücken, so hieß es bei der Jahrestagung der Deutschen Hochdruckliga in Münster. Denn nur etwa die Hälfte der Menschen mit zu hohem Blutdruck weiß von der Erkrankung, und nur bei etwa 15 Prozent wird mit der Behandlung eine effektive Blutdruckkontrolle erwirkt.

Rund 35 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer Hypertonie. Allzu oft aber wird der hohe Blutdruck als eine Art Kavaliersdelikt betrachtet, die Erkrankung wird in ihrer Bedeutung noch nicht ernst genug genommen. Dabei trägt sie laut Kongresspräsident Prof. Dr. Hermann Pavenstädt, Münster, in erheblichem Maß zu der hohen Herz-Kreislauf-Sterblichkeit bei. Immerhin verstirbt nach Angaben des Mediziners weltweit jeder vierte Mensch an einem Schlaganfall oder Herzinfarkt, so die Prognose der Weltgesundheitsorganisation. In Deutschland sind Schlaganfall und Herzinfarkt – beide maßgeblich getriggert durch die Hypertonie – sogar die häufigste Todesursache.

Hypertonie ist kein Kavaliersdelikt

Dass die Hypertonie dennoch oft nicht ernst genommen wird, liegt nach Pavenstädt wesentlich daran, dass der hohe Blutdruck keine Symptome verursacht. Die Erkrankung werde oft erst diagnostiziert, wenn bereits Schädigungen als Folge des hohen Blutdrucks an Augen, Nieren, Herz oder Gehirn manifest werden. Mit Blick auf die potenziellen Folgeschäden sollte zudem laut Pavenstädt bei jedem Patienten, bei dem eine Hypertonie festgestellt wird, mittels einer Herzechountersuchung geprüft werden, ob möglicherweise schon eine Herzhypertrophie besteht. Zudem sollte anhand von Laboruntersuchungen im Blut und im Urin nach Auffälligkeiten hinsichtlich der Nierenfunktion gefahndet werden.

Von einer Hypertonie ist entsprechend der aktuellen Leitlinien auszugehen, wenn der Blutdruck den Wert von 140/90 mmHg übersteigt. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sowie zu Kanada und den USA hält Deutschland dabei einen beschämenden Rekord: „In der Altersgruppe der 35- bis 64-Jährigen haben 55 von 100 Deutschen eine Hypertonie, in Deutschland sind damit die Blutdruckwerte am höchsten“, so Pavenstädt.

Dabei ließe sich der Hypertonie gut vor-beugen. Wichtig sind eine gesunde Lebensweise, der Abbau von Übergewicht und Stress, der Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum, eine gesunde mediterrane Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität. Die bessere Prävention der Hypertonie über Lebensstiländerungen wird unter anderem in den aktuellen Leit- linien der europäischen Hochdruckgesellschaft angemahnt, die vor wenigen Monaten publiziert wurden und denen die Deutsche Hochdruckgesellschaft nach eigenem Bekunden in neuen Leitlinien folgen will.

Kombinationstherapie oft von Anfang an geben

Zur Behandlung der Hypertonie stehen mehrere Wirkstoffgruppen zur Verfügung, wobei die neuen Leitlinien laut Prof. Dr. Rainer Düsing, Bonn, wegen der besseren Effektivität bei vielen Patienten direkt eine Kombinationstherapie vorsehen. Diese sei bereits initial angezeigt, wenn die Blutdruckwerte vergleichsweise hoch sind, so dass absehbar ist, dass eine Blutdruckkontrolle per Monotherapie nicht erreichbar ist, oder wenn auch unabhängig vom Blutdruck bereits ein ausgeprägtes kardiovaskuläres Risiko besteht. Praktisch gleichwertig beurteilt die Fachgesellschaft derzeit die verschiedenen Wirkstoffgruppen der Antihypertensiva wie ACE-Hemmer, Sartane, Kalziumantagonisten, Betablocker und Diuretika.

Eine Crux der Hypertoniebehandlung aber ist die oft mangelnde Therapietreue, wie Prof. Dr. Peter Baumgart, Münster, bei der Tagung darlegte. Zwar ist in Studien belegt worden, dass sich die kardiovaskuläre Mortalität bei Patienten mit multiplen Risikofaktoren wie Hypertonie und Dyslipidämie nachhaltig senken lässt, hierzu aber ist fast immer die Verordnung mehrerer Wirkstoffe erforderlich. Dazu gehören neben dem Antihypertensivum oft auch ein Statin zur Cholesterinsenkung und niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS).

Je mehr Tabletten eingenommen werden müssen, desto schlechter aber ist nach Baumgart in aller Regel die Compliance. Deshalb wird an der Entwicklung einer sogenannten Polypill, also der indikationsübergreifenden Kombination unterschiedlicher Substanzen in einer Tablette, gearbeitet. Erste Studien belegen laut Baumgart, dass die Polypill in puncto Therapietreue und damit wohl auch in puncto Effektivität der freien Kombination der Wirkstoffe tatsächlich überlegen ist.

Musik dient als Antihypertensivum

Wer unter zu hohem Blutdruck leidet, kann auch mit einer Musiktherapie punkten, wie neue in Münster vorgestellte Befunde dokumentieren. Denn das Hören von Musik beruhigt die Atmung, mindert die Ausschüttung von Stresshormonen und senkt die Herzfrequenz wie auch den Blutdruck, berichtete Prof. Dr. Hans-Joachim Trappe, Herne. Klassische Musik besitzt nach seinen Worten die stärkste Heilkraft, empfehlenswert bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind insbesondere die Werke von Bach, Mozart, Händel, Corelli und Albinoni.

Eine Studie mit 60 freiwilligen Probanden in Herne hat laut Trappe gezeigt, dass das Hören von Bachs Orchestersuite Nr. 3 besonders effektiv ist: Der Blutdruck der Probanden sank im Mittel um 7,5/4,9 mmHg. Nach dem Musikerlebnis stiegen die Werte allerdings wieder an. Interessanterweise war, so Trappe, auch zu beobachten, dass sogar Heavy-Metal-Musik den Blutdruck senkt, wenn auch weniger ausgeprägt als Bachs Orchestersuite.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Kölninfo@christine-vetter.de

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