Gastkommentar

Neue Chancen

Die rot-schwarze Koalition will auch in der zahnmedizinischen Versorgung Verbesserungen für Pflegebedürftige oder Menschen mit Behinderungenschaffen. Eine richtige, wenn auch längst überfällige Entscheidung, meint Maike van Delden, gesundheitspolitische Fachjournalistin im LetV Verlag.

Die deutsche Zahnärzteschaft hat Glück gehabt – sie kommt im Koalitionsvertrag explizit so gut wie nicht vor. Sie hat klugerweise aber auch nicht wie andere nach der Politik gerufen, denn wer nach der Politik ruft, ist selbst schuld. Schon Nicolò Machiavelli wusste, geh` nicht zu Deinem Fürsten, wenn Du nicht gerufen wirst.

Manchmal allerdings fallen Geschenke der Politik in den Schoß der Zurückhaltenden, so aktuell der Zahnärzteschaft im Koalitionsvertrag der großen Koalition. Unter Punkt „2.5 Gesundheit und Pflege“ heißt es: „Für Erwachsene mit geistiger Behinderung und schweren Mehrfachbehinderungen werden medizinische Behandlungszentren analog zu den sozialpädiatrischen Zentren zur (zahn-)medizinischen Behandlung (neuer 119c SGB V) geschaffen.“

Dieser Satz wurde in der Öffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen, hat aber eine weitreichende Bedeutung. Die Behandlungen Erwachsener mit schweren Mehrfachbehinderungen bringen in „normalen“ Praxen große Probleme mit sich. Die wenigsten Praxen sind, betrachtet man allein die Hürden für Rollstuhlfahrer, völlig barrierefrei. Zudem sind Behandlungen auf „normalen“ Behandlungsstühlen oft schwierig. Erwachsene mit geistigen Behinderungen zu behandeln, erfordert eine hohe Kommunikationsleistung, oft eine Herausforderung, für die vielen die Ausbildung fehlt. Viele ältere Pflegebedürftige sind mehrfach körperlich behindert und zusätzlich dement. Aber auch sie haben ein Anrecht auf eine qualitativ hochwertige zahnmedizinische Versorgung.

Seit längerem haben Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ihr Augenmerk auf diesen Personenkreis gelenkt und Anforderungen an eine aufsuchende Hilfe, aber auch deren Probleme formuliert. Behandlungen vor Ort gestalten sich in der Realität aber oft schwer, noch lange nicht alle stationären Einrichtungen haben die Voraussetzungen für eine zahnmedizinische Versorgung geschaffen, in der häuslichen Pflege gestaltet sich eine Behandlung für alle Beteiligten oft schwierig. Zudem, die aufsuchende Behandlung mit dem Praxisalltag zu verbinden, insbesondere in ländlichen Gebieten mit langen Wegen, ist praktisch oft unmöglich.

Zwar hat sich in den letzten Jahren vieles zum Positiven verändert, aber noch längst nicht alle Patienten erhalten die ihnen zustehende, umfassende zahnmedizinische Versorgung. Behandlungszentren wie in dem Paragraphen 119 SGB V neu zu verankern, kann diese Lücke schließen. Sie können zunächst ganz simpel die räumlichen Voraussetzungen für einen barrierefreien Zugang auch zu zahnmedizinischen Behandlungen schaffen. Spezielle Stühle und Gerätschaften für die Behandlungen von Patienten mit erheblichen Einschränkungen können sowohl Patienten wie auch Behandlern das Leben erheblich erleichtern. Besonders geschultes, pflegerisches Personal kann die Patienten heben, betten, usw. Gerade für ältere Pflegebedürftige kann ansonsten eine zahnmedizinische Behandlung zur Qual werden.

Um Erwachsene mit geistigen Einschränkungen oder Demenz zahnmedizinisch zu behandeln, ist nicht nur eine besondere Sensibilität, sondern auch eine spezielle Ausbildung erforderlich, so zum Beispiel um die Behandlung zu erläutern, eine positive Grundhaltung und eventuell sogar Mitarbeit und Zustimmung zu erzielen. Völlige räumliche Barrierefreiheit, spezifische, für Menschen mit Einschränkungen notwendige Ausstattung und spezielle Ausbildung sind optimale Voraussetzungen für eine zahnmedizinische Behandlung, die eine Praxis auch finanziell nur schwer stemmen kann.

Es wird einige Jahre dauern, bis in zumutbarer Entfernung überall derartige Behandlungszentren zur Unterstützung der aufsuchenden Behandlung eingerichtet sind. Zumindest wird ein Anfang gemacht.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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