Regenerative PA-Therapie

Lange Zähne - was hilft?

Die gesteuerte Geweberegeneration (GTR) und die gesteuerte Knochenregeneration (GBR) versprechen einen echten Wiedergewinn verloren gegangener parodontaler Strukturen mit Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen. Wo liegen die Möglichkeiten, wo die Grenzen?

Das ist typisch: Der PA-Patient hat seine Krankheit nach endlosen Recalls endlich im Griff, doch das Ergebnis erschreckt: Die Zähne erscheinen nach der nichtchirurgischen PA-Therapie extrem lang. Was lief falsch? „Nichts“, antwortet PD Dr. Stefan Fickl, Würzburg, „auch nach der konservativen PA-Behandlung, also nach der nichtchirurgischen Therapie, müssen Patienten durchaus Gewebsrezessionen von bis zu 1 mm, selbst im interproximalen Bereich in Kauf nehmen. Und das sollte der Zahnarzt im Beratungsgespräch klipp und klar ankündigen.“ Der Rückgang der Entzündung sorge nun mal dafür, dass Gewebe schrumpft, je schwerer die Ausprägung der Parodontitis, desto größer die Gewebsrezession.

Das Ergebnis der PA-Therapie erschreckt:Was lief falsch? Nichts.

Die nichtchirurgische PA-Therapie bietet nur bis zu bestimmten Sondierungstiefen Vorteile. Der „Cut-off“ liege bei Sondierungstiefen ab 5,5 mm, sagt Stefano Tugulu, Experte für regenerative Produkte bei Straumann, Basel. Bei „noch tieferen Taschen“ plädiert er für chirurgische Maßnahmen. Doch dann drohen natürlich „die gefürchteten langen Zähne“.

Dazu Fickl: „Bei parodontitisbedingtem Attachmentverlust handelt es sich um vertikale Gewebsschrumpfungen, die sich auf chirurgischem Weg nicht korrigieren lassen“, auch nicht mit regenerativen Maßnahmen. Ziel der modernen Parodontaltherapie müsse deshalb ein sehr genaues Abwägen von offener und geschlossener PA-Therapie sein. Das gelte insbesondere für die Oberkieferfront.

Ziel: ein sehr genaues Abwägen von offener und geschlossener PA-Therapie

Denn selbst bei feinstem mikrochirurgischem Vorgehen sei mit circa 0,7 mm an postoperativer Schrumpfung zu rechnen - und das zusätzlich zur oben genannten Schrumpfung nach nichtchirurgischer Therapie. Regenerative Maßnahmen ergeben aber Sinn, „wenn schwerwiegende Defekte des Zahnhalteapparats erkennbar sind, und der Patient neben der antiinfektiösen Therapie den ästhetischen und funktionellen Aspekt des künftigen Behandlungsergebnisses berücksichtigt wissen möchte“. Darauf weist Dr. Frank Bröseler hin.

In seiner Aachener Praxis hat die regenerative PA-Therapie, sehr häufig auch das Applizieren von Schmelzmatrixproteinen (Emdogain), einen hohen Stellenwert. Für die Hauptindikationen – die intraossären Defekte und die Rezessionsdeckung – ist die Wirkung durch publizierte Zehnjahresdaten belegt [Heden G et al., 2006; Sculean A et al., 2004 2006]. Abhängig von der klinischen Situation ist auch eine Kombination mit anderen Materialien, zum Beispiel Knochenersatzmaterial oder Kollagenmatrices, zur Weichgewebsunterstützung beziehungsweise -verdickung, möglich, wie Tugulu betont.

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Ausreichend Halt durch regeneriertes Attachment?

Ob sich ein Zahn mit „regeneriertem“ Attachment länger erhalten lässt als ein Zahn, der über ein langes Saumepithel (Reparation) ausgeheilt ist, wird derzeit kontrovers diskutiert. Doch aus klinischer Sicht hält Fickl diesen Aspekt „gar nicht für so relevant“, es sei denn, der Zahn muss prothetisch versorgt werden oder soll als Pfeilerzahn für eine Versorgung dienen.

„Die Parodontitisbehandlung folgt einem Stufenkonzept“, sagt Fickl, „zuerst konservativ, dann chirurgisch.“ Sind tatsächlich chirurgische Maßnahmen indiziert, hängt das weitere Vorgehen von der Defektkonfiguration ab: Bei vertikalen Defekten plädiert Fickl für eine Regeneration mit GTR-Verfahren, bei horizontalen setzt er resektive Verfahren oder einfache Lappenoperationen ein.

Der Aachener Praktiker Bröseler kombiniert bei diversen Indikationen Emdogain mit Knochenersatzmaterialien und Membranen und verbucht dabei fast immer ein Plus an Attachment, wie er berichtet. Für Attachmentgewinn soll aber Studien zufolge auch das Applizieren von Emdogain allein reichen. Straumann-Experte Tugulu: „Basierend auf Reviews, die die zahlreichen klinischen Studien zusammenfassen, mit denen die Anwendung von Emdogain für intraossäre Defekte dokumentiert wurde, hat man im statistischen Mittel einen Vorteil von 1,2 mm im Attachment-Gewinn bestimmt.

Das mag auf den ersten Blick nicht als viel erscheinen. Kliniker veranschlagen den natürlichen alterungsbedingten Rückgang des Attachments mit 0,1 mm pro Jahr, folglich hätte man durch den Einsatz von Emdogain die ’Uhr’, was den Zahnerhalt betrifft, um zusätzliche zwölf Jahre zurückgedreht.“ Den Wert von 1,2 mm stuft er als „statistisches Mittel aus allen in der Literatur beschriebenen Studien“ ein. „Unter optimalen Bedingungen“ erziele man einen zusätzlichen Attachmentgewinn von bis zu 4 mm.

Verbessert eine erfolgreiche parodontale Regeneration die Prognose eines Zahns?

Doch nach wie vor ist das Indikationsspektrum für die parodontale Regeneration eher klein und Emdogain-Alternativen sind rar. Die parodontale Regeneration ist „für den praktizierenden Zahnarzt zudem ein kritisches Instrument“, meint Fickl. Der Grund: „Wir wissen bis heute nicht genau, ob eine erfolgreiche parodontale Regeneration die Prognose eines Zahns wirklich verbessert und ob wir mit diesem Verfahren aus einem prothetisch unsicheren Pfeiler einen sicheren Pfeiler machen können.“ Fickl hält es für dringend notwendig, die Mechanismen der regenerativen PA-Therapie genauer zu analysieren, um künftig auch die Regeneration horizontaler Defekte oder von Furkationen vorhersagbarer gestalten zu können.

Die Langzeitforschung belege die Wirkung von Produkten wie Emdogain zwar extrem gut, doch der klinische Nutzen im Grenzbereich Zahnerhalt erscheine so manchem Praktiker fraglich, vor allem mit Blick auf schwer parodontal kompromittierte Zähne. „Sollen wir bei einem Zahn mit 10 mm Sondierungstiefe und Furkationsbefall Grad II den Versuch einer parodontalen Regeneration starten, oder ist hier vielleicht doch das Implantat für den Patienten der vorhersagbarere Weg?“, fragt Fickl. Eine Antwort fällt schwer, besonders dann, wenn dieser Zahn auch noch eine prothetische Neuversorgung braucht oder als Brückenpfeiler dienen soll.

###more### ###title### Neue Chancen bei einer Periimplantitis? ###title### ###more###

Neue Chancen bei einer Periimplantitis?

Während man bei kleineren und mittelgroßen Defekten bereits heute allein mit geschlossenen Verfahren schon sehr viel erreichen kann, lassen sich mit Emdogain bei kritischen parodontalchirurgischen Eingriffen, etwa der Rezessionsdeckung in der ästhetischen Zone, schneller ästhetische Ergebnisse erzielen. Zudem werden Beschwerden gelindert, die Heilung wird beschleunigt.

"Wir wissen, dass Schmelzmatrixproteine wirken, aber nicht exakt wie!"

Diese Fähigkeit, Entzündungsreaktionen zu modulieren und somit die Wundheilung zu beeinflussen, ist laut Straumann auch wissenschaftlich bestens belegt. Aber wie kommt es dazu? „Wir wissen, dass Schmelzmatrixproteine wirken, aber nicht exakt wie“, bringt Bröseler es auf den Punkt. Nur intensivere Forschung kann seiner Ansicht nach zu einer Erweiterung des Indikationsspektrums beitragen.

Dann lasse sich Emdogain vielleicht auch erfolgreich in der Periimplantitistherapie einsetzen, so seine Hoffnung. Vom ursprünglichen Wirkprinzip der Amelogenine beziehungsweise der Schmelzmatrixproteine her mache das zwar wenig Sinn, meint Fickl. Doch die positive Wirkung von Schmelzmatrixproteinen auf die Wundheilung lasse tatsächlich hoffen: „Emdogain ist nachweislich antibakteriell und fördert die Wundheilung durch die Selektion von Zellen.

Gerade in einem kompromittierten Wundbereich, wie es bei Periimplantitis der Fall ist, könnte Emdogain dazu beitragen, das Blutkoagulum zu stabilisieren und die Entzündung zu reduzieren.“ Auch laut Tugulu macht es Sinn, Emdogain für die regenerative Periimplantitistherapie zu evaluieren. Aktuell habe Straumann mit Osteogain eine neue Formulierung von Schmelzmatrixproteinen als Alternative auf den Weg gebracht, die spezifisch für die GBR entwickelt wurde, sich aber auch in der Periimplantitistherapie etablieren soll.

Anne BarfußDental Magazinbarfuss@aerzteverlag.de

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