Der besondere Fall mit CME

Periimplantoplastik bei Bisphosphonaten

Eine 73-jährige Patientin stellte sich erstmalig Mitte 2013 nach Überweisung durch den Hauszahnarzt in der interdisziplinären Periimplantitis-Sprechstunde der Universitätsmedizin Rostock vor. In der allgemeinen Anamnese gab die Patientin Osteoporose, Hypertonie und eine rheumatoide Erkrankung in Form des Still-Syndroms an. Die Osteoporose wurde durch den Hausarzt mit Alendronat (70-mg-Tablette, einmal wöchentlich) drei Jahre lang bis Mitte 2012 therapiert. Der intraorale Befund zeigte eine Coverdenture-Prothese im Oberkiefer auf 11 und 21. Im Unterkiefer war eine auf vier Implantaten getragene Stegprothese mit mäßig guter Passung eingegliedert.

Die Implantatversorgung im Unterkiefer war 2006 alio loco erfolgt. Trotz einer Mitte 2011 erfolgten externen Gingivektomie an den Implantaten regio 34, 32, 42, 44 zeigten sich nunmehr Sondierungstiefen bis zu 8 mm sowie positives BOP (Abbildungen 1 und 2). Aufgrund der bis Mitte 2012 erfolgten Bisphosphonattherapie entschieden wir uns primär für ein konservatives Vorgehen. In diesem Zusammenhang erfolgte in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universitätsmedizin Rostock eine intensive supra- und subgingivale Reinigung der Implantate mittels Ultraschall (Cavitron®, Soft-Tip, Dentsply). Recall-Termine in einem dreimonatigen Abstand wurden vereinbart. In der Folge wurden die Implantate samt Suprakonstruktion mittels Air-Polishing (Cavitron®, Jet Plus, Dentsply) und Glycinpulver (3M-Espe, Seefeld) gereinigt.

Eine Unterfütterung und Überarbeitung zur Optimierung der Hygienefähigkeit der Prothese erfolgte durch das hausinterne zahntechnische Labor. Im Lauf der Therapie konnten die Sondierungstiefen auf ≤ 4 mm reduziert werden. Durch die engmaschigen Recall-Intervalle und die gute Compliance der Patientin kam es zu einer Stabilisierung der periimplantären Weichgewebssituation (Abbildung 3). Im Rahmen der Nachbehandlung wurde Anfang 2014 eine deutliche Exposition von strukturierten Implantatanteilen an allen vier UK-Implantaten festgestellt.

Da die wöchentliche Gabe von Alendronat bereits Mitte 2012 vom Hausarzt durch ein Vitamin-D-Präparat ersetzt wurde, erfolgte nun die Planung der chirurgisch-augmentativen Therapie (entsprechend zwei Jahre drug-holiday): Zur präoperativen Vorbereitung wurden die Implantate supra- und sub-gingival erneut mehrfach mittels Air- Polishing gereinigt sowie zusätzlich mit photodynamisch aktivierter Therapie (Fotosan 630, Loser Co) vorbehandelt. Das im Folgenden beschriebene chirurgische Prozedere geschah unter stationären Bedingungen sowie unter perioperativer i.v.-Antibiose.

Im Rahmen der geplanten Periimplantoplastik an allen vier Unterkiefer-Implantaten erfolgten die Darstellung der Defektsituation, das Entfernen von Granulationsgewebe sowie die resektive Behandlung der vertikal und ohne Knochenbegrenzung befindlichen Implantatoberflächen mit Diamant und Arkansasstein (Abbildungen 4 und 5). Nach intensiver Reinigung mit sterilen Wattepellets und Kochsalzlösung folgten die Augmentation der wandigen intraossären Defektkomponenten mit xenogenem Knochenersatzmaterial (Biooss®, Geistlich, Baden-Baden) sowie die Applikation einer nativen Kollagenmembran (Jason®, Botiss, Berlin) (Abbildungen 6 und 7).

Im Anschluss erfolgten der spannungsfreie und speicheldichte Wundverschluss (Abbildung 8) und die Umwicklung der UK-Stegkonstruktion mit in Aureomycin getränkten Gazestreifen. Selbige wurden binnen des einwöchigen stationären Aufenthalts täglich gewechselt. Die systemische antibiotische Abschirmung wurde prolongiert und bis zum Abklingen der klinischen Zeichen einer Keimbelastung fortgeführt.

Am 14. postoperativen Tag fand die Naht- entfernung statt, jedoch ohne Sondierung an den Implantaten. Nach sechs Monaten engmaschiger Nachsorge in der interdiziplinären Periimplantitissprechstunde wurden eine erneute Röntgenkontrolle durchgeführt (Abbildung 10) und eine Reevaluierung der Sondierungstiefen vorgenommen. Die ermittelten Sondierungstiefen (3 bis 4 mm) neben dem BOP (11 Prozent), der nicht vorhandene Pusaustritt, die lediglich physio- logische Implantatmobilität und letztlich die radiologische Kontrolle lassen auf eine annähernd stabile periimplantäre Situation schließen (Abbildung 9).

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Diskussion

Kieferosteonekrosen unter Bisphosphonat-Therapie wurden erstmals im Jahr 2003 von Robert Marx im Rahmen einer Fallserie beschrieben [Marx, 2003]. Das Krankheitsbild zeigt nekrotische, oftmals infizierte Knochenstrukturen im betroffenen Kieferareal mit möglicher Knochenexposition und Retraktion der Gingiva. Die genaue Pathophysiologie der Osteopathologie in Assoziation mit einer antiresorptiven Therapie ist bisher nicht endgültig geklärt [Migliorati et al., 2011].

Interessant ist, dass ein erheblicher Anteil der Patienten eine eindeutige und teils schwere Osteopathologie in Form von persistierenden Schmerzen, Schwellung und teils Fistelungen mit Pusaustritt aufweist, jedoch ohne eine Knochenexposition. Unter der intakten Schleimhaut finden sich teils große Areale typisch veränderten, teils auch sequestrierten Knochens, ähnlich den Befunden einer sekundär chronischen Osteomyelitis. Der lokale Faktor bei den Patienten ist eher ein dental verursachter intraossärer Infekt (periapikaler oder parodontaler Fokus, aber auch zum Beispiel eine Periimplantitis) als ein invasiver dentaler Eingriff [Jacobsen et al., 2012a].

Vor einer Bisphosphonat-Therapie inserierte Implantate haben durch die zu diesem Zeitpunkt noch nicht manipulierte Knochenphysiologie höchstwahrscheinlich eine gute Prognose und das unmittelbare Auslösen einer Nekrose durch die Implantation ist unwahrscheinlich. Die Datenlage zu Implantaten, die vor der Bisphosphonat-Therapie inseriert wurden – wie im beschriebenen Fall – ist jedoch schwach. Es kann aber auf dem Boden einer Periimplantitis zur Entwicklung einer Osteonekrose kommen [Shirota et al., 2009].

Die etablierte Periimplantitis zeigt im Vergleich zu einer Parodontitis ein sich weiter nach apikal erstreckendes, entzündliches Zellinfiltrat sowie ein vermehrtes Auftreten neutrophiler Granulozyten und Makrophagen [Berglundh et al., 2011]. Zahlreiche prospektive randomisierte klinische Vergleichsstudien belegen, dass ein konventionelles mechanisches Debridement mittels Handinstrumenten und lokaler Applikation von Chlorhexidindigluconat eine nur begrenzte Effektivität bei der nichtchirurgischen Therapie der Periimplantitis zu haben scheint [Klinge and Meyle, 2012].

Durch den adjuvanten Einsatz eines chlorhexidinhaltigen Chips, lokaler Antibiotika, einer antimikrobiellen photodynamischen Therapie sowie einer Monotherapie mittels eines Er:YAG- Lasers oder eines modifizierten Pulverstrahlgeräts konnten dagegen die klinischen und die mikrobiologischen Ergebnisse temporär verbessert werden [Sahm et al., 2011; Renvert et al., 2008]. Bisherige klinische Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine chirurgische Intervention zu besseren Behandlungsergebnissen führen kann als die nichtchirurgische Therapie [Klinge and Meyle, 2012].

Insbesondere chirurgisch-augmentative Verfahren können nach einer vollständigen Entfernung des Granulationsgewebes und nach der Dekontamination der Implantatoberfläche zu guten Langzeitergebnissen mit einem derzeitigen Beobachtungsintervall von bis zu vier Jahren führen [Schwarz et al., 2009; Roos-Jansaker et al., 2011]. Bei fortgeschrittenen Defekten können chirurgisch-augmentative Maßnahmen mit resektiven Verfahren effektiv kombiniert werden [Romeo et al., 2007].

Tierexperimentelle und klinische Daten belegen, dass durch diese chirurgische Kombinationstherapie eine histologisch nachweisbare Knochenregeneration beziehungsweise Knochen-Implantat-Wiederanlagerung und eine hiermit verbundene klinische Langzeitstabilität bei fortgeschrittenen und komplexen Defektkonfigurationen erzielt werden kann [Schwarz et al., 2012; Schwarz et al., 2011]. Grundsätzlich sollten chirurgische Prozeduren eher nach vorausgehender nichtchirurgischer Initialtherapie sowie kritischer Würdigung systemischer und lokaler Risikofaktoren in Erwägung gezogen werden.

Unter laufender Bisphosphonat-Therapie kann auf der Basis des reduzierten Knochenumbaus abgeleitet werden, dass die Frühbelastung von Implantaten und Augmentationen möglichst vermieden werden sollte. Die problematischeren Weichgewebe bedingen eine atraumatische OP-Technik mit anschließend suffizientem Weichgewebsverschluss. Eingriffe sollten, wie oben dargelegt, unter antibiotischer Prophylaxe durchgeführt werden [Montefusco et al., 2008], da so das Auftreten von Nekrosen reduziert werden kann.

Dr. Ingo ButtchereitProf. Dr. Dr. Bernhard FrerichOA Dr. Dr. Peer W. KämmererKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin RostockSchillingallee 3518057 Rostockpeer.kaemmerer@med.uni-rostock.de

Malte ScholzPoliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Universitätsmedizin RostockStrempelstrasse 3518057 Rostock

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