Filmreihe "Kommunikation der Zellen"

Wie orale und systemische Gesundheit zusammenhängen

Das Wissen von zahnmedizinisch relevanten biologischen Prozessen ist wichtig. Verbessern lässt sich das Verständnis pathophysiologischer Zusammenhänge durch die Visualisierung dieser Prozesse.

Der computer-animierte 3-D-Wissenschaftsfilm „Orale und systemische Gesundheit“ – der vierte Film in der Reihe „Kommunikation der Zellen“ – verdeutlicht interdisziplinär die Zusammenhänge zwischen Entzündungsprozessen in der Mundhöhle und systemischen Erkrankungen wie Atherosklerose und Diabetes. Ein Blick ins Storyboard zeigt, wie das Unsichtbare sichtbar gemacht wurde.

Biologische Prozesse wie Entzündung oder Heilung spielen sich in vielen Regionen des Körpers in ähnlicher Art und Weise ab. Parodontale Infektionen sind invasiv, Bakterien können sich über den Blutstrom im gesamten Körper ausbreiten. Der Film „Orale und systemische Gesundheit“ beschreibt vor allem zwei verschiedene Wirkmechanismen. Zum einen kann eine Atherogenese mit der späteren Folge eines Gefäßverschlusses gefördert werden. Die klinische Folge wäre ein

Myokardinfarkt (Abbildung 1). Zum anderen kann durch die Induktion einer systemischen Entzündung der Blutzuckerspiegel ungünstig beeinflusst werden, was Einfluss auf eine diabetische Stoffwechsellage und mögliche Diabeteskomplikationen wie zum Beispiel ein Nierenversagen hat.

Zu Beginn des Films wird dieser Zusammenhang als Frage formuliert: „Können eine Parodontitis oder andere entzündliche Prozesse der Mundhöhle zur Entstehung sogenannter systemischer Erkrankungen wie Atherosklerose und Diabetes beitragen oder deren Verlauf negativ beeinflussen?“ Der Einfluss der Parodontitis eines einzelnen Zahnes mag gering sein. Bei einer fort- geschrittenen generalisierten Parodontitis wäre dagegen von einer Biofilm-besiedelten, ulzerierten Wundfläche auszugehen, die der Fläche einer Hand entspricht, was den Einfluss auf den Körper entsprechend erhöht.

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Storyboard

Im ersten Kapitel des Films wird die systemische Auswirkung einer parodontalen Infektion geschildert. Bei einer Parodontitis führt die immun-entzündliche Antwort auf den subgingivalen Biofilm zur Ulzeration des Taschenepithels (Abbildung 2). Gleichzeitig kommt es zum Einschwemmen von Bakterien aus dem Biofilm und von lokal produzierten Entzündungsmediatoren in die Blutgefäße der Gingiva. Die Bakteriämie führt zu einer Verbreitung im ganzen Körper mit möglichen systemischen Auswirkungen der Parodontitis auf den Organismus.

###more### ###title### Kapitel 2: „Auswirkung der Parodontitis auf das kardiovaskuläre System – Athero-sklerose“ ###title### ###more###

Kapitel 2: „Auswirkung der Parodontitis auf das kardiovaskuläre System – Athero-sklerose“

Parodontopathogene Keime wie Porphyromonas gingivalis dringen nach der Ausschwemmung in das Blutsystem über sogenannte Fimbrien in die auskleidenden Endothelzellen von Blutgefäßen ein. Dadurch getriggerte Immunprozesse können zur Apoptose der infizierten Endothelzellen führen, mit der Ausbildung einer „endothelialen Dysfunktion“, dem Frühstadium der Atherosklerose (Abbildung 3). Blutgefäße beginnen ihre Elastizität zu verlieren.

Im Weiteren fördern parodontale Bakterien wie P. gingivalis die Bildung sogenannter „fatty streaks“. Monozyten in der Gefäßwand differenzieren zu Makrophagen, nehmen oxidiertes LDL Cholesterin auf und werden zu sogenannten Schaumzellen (Abbildung 4). Durch das Absterben der Schaumzellen kommt es zur Nekrose im Innern der frühen atherosklerotischen Plaques. Muskelzellen der Media proliferieren und wandern in die Intima ebenso ein wie T-Lymphozyten und andere Immunzellen.

So bildet sich schließlich ein Atherom, das den Gefäßquerschnitt verengt und zur Hypoperfusion führt (Abbildung 5). Parodontopathogene Bakterien können im weiteren Verlauf die Bildung von Proteinasen (MMPs) fördern, die durch Abbau der Bindegewebsmatrix schließlich zu einem Aufbruch der atherosklerotischen Plaques führen. Thrombozyten aus dem Blutstrom lagern sich rasch an diese Rupturen an und koagulieren zu einem Thrombus (Abbildung 6). Die Folge ist möglicherweise ein Komplettverschluss des zuvor schon eingeengten Gefäßes mit Folge eines Apoplex oder eines Herzinfarkts.

###more### ###title### Kapitel 3: Auswirkung der Parodontitis auf den Glukose-Stoffwechsel – Diabetes Typ 2 ###title### ###more###

Kapitel 3: Auswirkung der Parodontitis auf den Glukose-Stoffwechsel – Diabetes Typ 2

Die parodontalen Bakterien im Blut und ihre Lipopolysaccharide induzieren die Bildung von Akute-Phase-Proteinen wie zum Beispiel des C-reaktiven Proteins (CRP) in der Leber. Diese durch Parodontitis induzierte syste-mische Entzündung kann sich ungünstig auf die Regulation des Blutzuckerspiegels auswirken. Zentrale Bedeutung hat hierbei das Hormon Insulin. Insulin wird über membranständige Insulinrezeptoren aus der Blutbahn ins Zellinnere aufgenommen (Abbildung 7). In diesen Regelkreis greifen die Entzündungsmediatoren ein.

Parodontitis-assoziierte Mediatoren wie der Tumornekrosefaktor α und Interleukin-6 spielen hier eine besondere Rolle. So kann in einem vordiabetischen Stadium der Blutzuckerwert von Parodontitispatienten deutlich erhöht sein. Es besteht die Gefahr der Ausbildung einer sogenannten „Insulinresistenz“. Liegt bereits ein Diabetes vor, sind bei gleichzeitigem Vorhandensein einer schweren Parodontitis die Risiken für weitere schwere Diabeteskomplikationen deutlich erhöht. Umgekehrt kann ein schlecht oder nicht eingestellter Diabetes die parodontale Situation verschlechtern.

Eine zentrale Bedeutung hat dabei die sogenannte „Maillard Reaktion“, die die Bindung (Glykierung) von Zucker an Eiweißmoleküle beschreibt. Im Blut gelöste Glukose bindet zum Beispiel an das Hämoglobin der Erythrozyten. Als HbA1c-Wert gemessen, liefert es so ein wichtiges diagnostisches Instrument zur Kontrolle der Blutzucker- einstellung. Aber auch andere Proteine werden glykiert, was zu sogenannten AGE (Advanced Glycation Endproducts) führt (Abbildung 8). Diese bewirken eine Vernetzung der Kollagenstränge des Bindegewebes.

Durch die daraus resultierende Verdickung der Basalmembran und den gehemmten Abbau der extrazellulären Matrix wird die physiologische Gewebeerneuerung und somit die Wundheilung gestört – auch im Parodontium (Abbildung 9).

###more### ###title### Kapitel 4 – Zahnärztliche Behandlung ###title### ###more###

Kapitel 4 – Zahnärztliche Behandlung

Es gibt überzeugende Hinweise, dass die parodontale Infektion/Entzündung (Abbildung 10) ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen ist. Für Diabetes belegt die vorliegende Evidenz sogar einen bidirektionalen Zusammenhang, das heißt eine wechselseitige Beeinflussung zwischen Parodontitis und Diabetes (Abbildung 11).

An dieser Stelle stellt sich die Frage, welchen Einfluss eine Parodontaltherapie auf diese Allgemeinerkrankungen hat. Studien konnten zeigen, dass eine erfolgreiche Parodontitisbehandlung eine positive Auswirkung auf die endotheliale Dysfunktion, das Frühstadium der Atherosklerose, hat (Abbildung 12). In Bezug auf Diabetes zeigen zahlreiche Studien eine Verbesserung des Blutzuckerwertes nach einer Parodontitistherapie. Beiden Effekten gemein ist, dass sie zu einer Reduktion von Entzündungsmediatoren im Blut führen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Durchbrechung eines sich selbst verstärkenden Entzündungskreislaufs im Körper. Somit kann die erfolgreiche Behandlung der Parodontitis nicht nur zu einer verbesserten Mundgesundheit, sondern auch zu einer Verbesserung der allgemeinen Gesundheit beitragen.

###more### ###title### Ausblick ###title### ###more###

Ausblick

In diesem Film soll durch die Kraft von Bildern ein besseres Verständnis biologischer Prozesse ermöglicht werden. Das erklärte Ziel ist es, Zahnmediziner/innen und Studierende mittels computeranimierter Wissenschaftsfilme zu motivieren, sich mit aktuellen bio-logischen Themen auseinanderzusetzen, die unmittelbare Relevanz für ihre tägliche klinische Arbeit haben. Das Verständnis pathophysiologischer Zusammenhänge soll vereinfacht werden. Insgesamt kann ein solches Filmprojekt auch als Beitrag zum „Science-Transfer“ betrachtet werden. Bei der immer unüberschaubarer werdenden Menge an wissenschaftlichen Original- arbeiten wird es zunehmend wichtiger, Zahnmediziner/innen, aber auch Mediziner/innen und Patient(inn)en aktuelle und hochrelevante Wissensinhalte in verständlicher Art und Weise näherzubringen.

In die Produktion dieses computeranimierten Films sind modernste digitale Techniken eingeflossen. Bei der Erzeugung der 3-D-Animationen wurden zum Teil sehr rechenintensive Simulationen durchgeführt, zum Beispiel für die Visualisierung von Molekülen. Um die Authentizität der biologischen Vorgänge zu unterstützen, wurde für viele Darstellungen eine wässrige Umgebung geschaffen. Eine Renderfarm mit 28 CPUs (Central Processing Units) und 144 Kernprozessoren rechnete fast ein halbes Jahr an der Erstellung der Bilder. Ziel dieses technologischen Aufwands ist es, „lebende“ Bilder zu erzeugen – entsprechend dem Motto „das Unsichtbare sichtbar werden zu lassen“.

PD Dr. Dr. Bernd StadlingerKlinik für OralchirurgieKlinik für Mund-, Kiefer- GesichtschirurgieUniversität ZürichPlattenstr. 11, CH-8032bernd.stadlinger@zzm.uzh.ch

Prof. Dr. Dr. Hendrik TerheydenRotes Kreuz Krankenhaus Kassel Gemeinnützige GmbHMund-, Kiefer- GesichtschirurgieHansteinstr. 29, 34121 Kasselkontakt@rkh-kassel.de

Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, M.S.Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung, Präventive Zahnheilkunde Universitätsklinikum BonnWelschnonnenstr. 17, 53111 Bonnjepsen@uni-bonn

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Info

Die interdisziplinäre Autorengruppe – bestehend aus Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Bonn, Prof. Dr. Mariano Sanz, Madrid, Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Kassel, und PD Dr. Dr. Bernd Stadlinger, Zürich – hat es sich erst-mals zur Aufgabe gemacht, Prozesse auch außerhalb der Mundhöhle zu beschreiben. Zudem wurden in diesem Film auch zum ersten Mal einige wichtige Aspekte einer bedeutenden gemeinsamen europäisch-amerikanischen Konsensus-Konferenz (Joint EFP/AAP Workshop „Periodontal and Systemic Diseases“, La Granja, Spanien, November 2012) visualisiert.

„Kommunikation der Zellen – Orale und systemische Gesundheit“

(deutschsprachige Filmpremiere am 07. November 2015 um 11:00 Uhr)

Können eine Parodontitis oder andere entzündliche Prozesse der Mundhöhle zur Entstehung kardiovaskulärer oder syste-mischer Erkrankungen wie Atherosklerose und Diabetes beitragen oder ihren Verlauf negativ beeinflussen? Mit den Auswirkungen einer Parodontitis auf die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten wie Diabetes mellitus und Atherosklerose verlässt das Autorenteam der Reihe „Kommunikation der Zellen“ erstmals die Mundhöhle. Der neue 3-D-Wissenschaftsfilm „Orale und systemische Gesundheit“ visualisiert, was passiert, wenn sich invasive parodontalpathogene Keime über das Blutkreislaufsystem im Körper verteilen. Projektteam: Autoren und wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Prof. Dr. Mariano Sanz, PD Dr. Dr. Bernd Stadlinger, Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden

Advisory Board: Prof. Dr. Iain Chapple, Prof. Dr. Robert Genco, Prof. Dr. Evanthia Lalla, Prof. Dr. Shinya Murakami

Produktion: Dr. Marko Reschke, Matthias Gauer, Thomas Kramer, Jörg Faßbender (iAS – Quintessenz Verlag)Projektpartner: Sunstar FoundationProjekt Support: Fumihiro Awashima(Sunstar), Dr. Marzia Massignani (Sunstar)Management: Dr. Dipl.-Wirt.-Ing. Alexander Ammann, Änne Klebba (Quintessenz Verlag)REM-Aufnahmen: Nicole Ottawa Oliver Meckes, eye of science

Nach der internationalen Filmpremiere auf dem EuroPerio8-Kongress in London im Juni 2015 folgt nun die deutschsprachige Premiere zum Deutschen Zahnärztetag am 7. November 2015 um 11.00 Uhr in Frankfurt am Main.

Zahlen, Daten, Fakten

Filmlänge: 17 Minuten

Hauptdarsteller: parodontaler Biofilm, Endothelzellen, Monozyten, Makrophagen, T-Lymphozyten, Thrombozyten, Insulin, Glucose, Advanced Glycation Endproducts (AGEs)

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