Regina Behrendt - Verbraucherzentrale NRW

"Der Heil- und Kostenplan ist eine Blackbox"

Warum brauchen wir Ihrer Meinung nach zahnärztliche Auktionsportale? Welche Probleme gibt es?Regina Behrendt:Bislang werden Patienten auf einem absolut undurchschaubaren Markt alleine gelassen. Sie wissen nicht, ob die Versorgung, die der Zahnarzt anstrebt, wirklich not‧wendig ist, die Steigerungssätze in dem privaten Abrechnungsmodus angemessen und die Laborkosten adäquat sind. Das heißt: Der Heil- und Kostenplan ist eine Blackbox. Um einen aussagekräftigen Vergleich zu erstellen, müssten Patienten theoretisch mehrere Zahnärzte aufsuchen und sich deren Heil- und Kostenpläne an‧sehen. Das ist möglich, aber nicht wahrscheinlich, daher sind Portale eine sehr komfortable Möglichkeit, sich relativ schnell einen Überblick zu verschaffen.Ob die Art der Behandlung zielführend ist, können Patienten allerdings nicht über‧prüfen. Wenn der Patient sich über die Art der Behandlung vergewissern möchte, kann er sich an die Beratungsstellen der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und Zahnärztekammern wenden oder an die Krankenkassen, in deren Auftrag sich Zahnärzte ebenfalls Heil- und Kostenpläne anschauen und noch einmal inhaltlich bewerten. Aber in beiden Fällen handelt es sich um eine Ferndiagnose. Wer eine wirklich fundierte Zweitmeinung haben möchte, muss einen weiteren Zahnarzt aufsuchen.Gesetzliche und private Krankenkassen treten als Partner von Auktionsportalen auf. Warum?Die gesetzlichen Krankenversicherungen empfehlen Portale als Informations- und Vergleichsmedium. Ihr Zuschuss ist befundabhängig und daher immer gleich, sie haben weder Nutzen noch Schaden, wenn sie den Patienten diese Seiten empfehlen. Private (Zusatz-)Versicherungen zahlen die Leistungen je nach Tarif. Hier kann eine kostengünstigere Alternative auch für die Versicherung von Vorteil sein. Dass sie eine zweite Meinung empfehlen, ist an sich nicht verkehrt – entscheidend ist, ob sie nachher auch die Kosten übernehmen.Wer bei den privaten Krankenkassen eine Zusatzversicherung abschließt, sollte sehr genau prüfen, welche Bedingungen ver‧sichert sind. Häufig liegt die Tücke im Detail, bestimmte Leistungen sind zwar im Tarif enthalten, aber nur bis zu einer maximalen Höhe oder einer gewissen Anzahl. Manche Formen von Zahnersatz sind auch komplett ausgeschlossen. Die Alternative wäre, sich einfach Geld für Zahnersatz beiseitezulegen.Ist es Ihrer Meinung nach gerechtfertigt, dass die Politik den Patienten so hohe Zahlungen – und mithin eine große Verantwortung – zumutet?Zahnersatz ist schon lange mit Zuzahlungen verbunden. Damit verfolgt die Politik das Ziel, dass jeder seine Zähne gut pflegen und erhalten sollte. Der Fokus liegt also auf Zahnerhaltung, Pflege und Prophylaxe. Wenn die Kasse jeden Zahnersatz komplett zahlte, wäre das der falsche Anreiz. Andererseits ist ein Großteil der Einsparungen gerade beim Zahnersatz auch Absichten der Kostensenkung geschuldet. Hier lässt sich zurecht hinterfragen, ob das in dieser Höhe zumutbar ist. Denn nicht jede Zahnerkrankung ist vermeidbar. Das bestehende System hat zur Folge, dass man an den Zähnen den sozialen Status ablesen kann. Hier gilt es, einen gerechtfertigten Zuschlag für die Kassenleistung zu finden. Der Rückzug der Kassen aus der Finanzierung steht nicht mehr im Verhältnis zu dem, was viele als angemessen empfinden. Problematisch ist dies auch im Hinblick auf die Qualitätssicherung: Kassen überprüfen, ob medizinische Leistungen, die sie finanzieren, wirtschaftlich und zweckmäßig sind. Da der zahnmedizinische Bereich nicht mehr in dem Maß geprüft wird, ist er auch nicht mehr umfassend qualitätsgesichert.Viele Zahnärzte, auch der Berufsstand, sehen Auktionsportale kritisch, weil sie den Kern ihres Wirkens in der medizinischen Behandlung, nicht im Wettstreit um Patienten, sehen. Spaltet das den Berufsstand nicht auch ein Stück weit?Diese Fragen interessieren den Berufsstand, aber nicht die Patienten, die auf Preistransparenz angewiesen sind. In jedem Handelsbereich, wo verschiedene Unternehmer Preise frei gestalten können, stehen sie in Konkurrenz zueinander. Warum sollten nicht auch Ärzte in einen Preiswettbewerb treten? Im medizinischen Bereich findet de facto immer mehr Markt statt, das klassische Rollenbild der Mediziner wandelt sich – die individuellen Gesundheitsleistungen sind hierfür ein gutes Beispiel. Natürlich ist ein Vertrauensverhältnis zum Arzt absolut wünschenswert. Gleichzeitig muss sich der Patient damit auseinandersetzen, dass der Arzt mit seiner Tätigkeit auch Geld verdienen möchte und nicht in allen Bereichen die Krankenkasse dazwischengeschaltet ist. Preise kritisch zu hinterfragen und sich zu informieren, ist auch im medizinischen Bereich wichtig. Das kann auch funktionieren, wenn Patienten selbstbewusst auftreten und Ärzte sich ihrer Rolle – auch in der Konkurrenz zu anderen – bewusst sind und offen damit umgehen. Kritisch wird es, wenn die Ärzte Preise unter dem Deckmantel halten und auf das Vertrauen pochen. Denn in einem solchen Klima der Intransparenz kann kein Vertrauen entstehen.Als Patient im Behandlungsstuhl über Preise zu verhandeln – ist das nicht ein Dilemma?Ich würde an Zahnärzte appellieren, eine größere Sensibilität dafür zu entwickeln, dass der Patient im Behandlungsstuhl nicht in eine Preisverhandlung gedrängt wird. Das muss in einem anderen Rahmen stattfinden. Die Zahnarztpraxis der Zukunft braucht ein eigenes Beratungszimmer. Es macht einen Unterschied, ob der Zahnarzt den Patienten von oben herab anschaut oder sich beide auf Augenhöhe begegnen können.

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