Editorial

Im Beet des Erfolgs blüht die Verwegenheit*

Wenn die Politik die Kunst des Machbaren ist, dann ist Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zum Ende der Legislatur tatsächlich dabei, seinem Macherimage – vulgo Umsetzer des Koalitionsvertrags – eine weitere, diesmal schillernde Facette hinzuzufügen. Nämlich die des Polit-Künstlers. Was man durchaus als Auszeichnung verstehen darf, denn schon Otto von Bismarck sagte: „Die Politik ist keine Wissenschaft, wie viele Professoren meinen, sondern eine Kunst.“

Ob es zu mehr als Wortkunst reichen wird – aus einer gezielten Schwächung der Selbstverwaltung eine Stärkung zu machen, ist schon große Rabulistik (Rabulist = Wortverdreher) – und ob Gröhe tatsächlich die Stufe eines großen Politikkünstlers erreichen wird, werden wir in wenigen Wochen sehen.

Dann nämlich, wenn das GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz zur Abstimmung im Bundestag ansteht. Jedenfalls das, was von dem Entwurf des Gesundheitsministeriums übrig geblieben ist bzw. zur Abstimmung kommen wird.

Aus Sicht der betroffenen Körperschaften hat die konsequente Kritik an dem Gesetzentwurf durchaus Erfolg gehabt. So ist der größte „Hammer“, die Fachaufsicht, vom Tisch. Aber alles weitere Entgegenkommen seitens des Ministeriums würde ich nur als Wort-Kosmetik bezeichnen. Da half auch die Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss wenig. Denn 90 Minuten Zeit für Fragen der Abgeordneten und Antworten der fünf betroffenen Körperschaften sowie unabhängigen Sachverständigen sind – seien wir ehrlich – nichts. Wenn jeder der Teilnehmer nur das Wort „GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz“ aussprechen wollte, wäre die Hälfte der Zeit bereits rum. Im Ernst: Angesichts von fünf betroffenen Selbstverwaltungen und der durch das Gesetz intendierten, erheblichen Veränderungen braucht eine seriöse Diskussion ein wenig mehr Zeit als 5 Minuten und 30 Sekunden, die der KZBV zugestanden wurden.

Doch wer weiß schon vorher, was nachher ist? Im Fußball keiner, in der Politik jedoch manche schon. So kann man die 90 Minuten Anhörungszeit auch als Signal seitens der Politik betrachten, welche Wertschätzung sie der Selbstverwaltung zumisst. Vorgestanzte Fragen seitens der Abgeordneten, bekannte Antworten von den Körperschaften – und dem demokratischen Ritual ist genüge getan. Nicht ganz, denn von den Sachverständigen kamen die aus meiner Sicht wirklich wichtigen Botschaften. Franz Knieps, BKK-Bundesvorsitzender, in der Anhörung aber als Sachverständiger sprechend, will die Aufgaben und Funktionen, also die Verantwortlichkeiten, stärker trennen. Und der unabhängige Sachverständige Eckehard Linnemann, schlug vor, die soziale Selbstverwaltung – also Kassen, MDS und G-BA – von der berufsständischen Selbstverwaltung zu separieren. Womit wir mehr oder minder elegant bei den Verursachern dieses Gesetzes angekommen sind, nämlich der KBV und den dortigen Vorgängen. Dass Fremd- und Eigenwahrnehmung der Immobiliengeschäfte wie auch der Vorstandsquerelen grundsätzlich differieren können, hatte deren Vorsitzender Dr. Andreas Gassen auch in dieser Anhörung hinlänglich bewiesen. Und so kam es, wie es kommen „musste“: Der Vorstandsvorsitzende des AOK Bundesvorstands, Martin Litsch, forderte, dass das Gesetz mit all seinen Eingriffsbefugnissen nur für die KBV gelten sollte.

Zurück zur Politikkunst. Mit der „eleganten“ Differenzierung zwischen sozialer und berufsständischer Selbstverwaltung (die SPD wird ob dieses Umstands jubilieren) und der Anwendung des Verursacherprinzips, also des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes nur auf Ärzte und Zahnärzte, hätte Gröhe die Leistungserbringerseite am Kanthaken, ohne sie direkt angegangen zu sein. Damit dürfte die Zustimmung zu dem Gesetz im Bundestag nicht mehr scheitern.

Divide et impera – Minister Gröhe ginge als Ärztebastionsschleifer in die Geschichte ein, als furchtloser Recke, der sich für größere politische Aufgaben anbietet. Und die KZBV? Obwohl ihr allseits bescheinigt wird, vorbildliche Strukturen zu haben und diese auch zu leben, würde ihr die Rolle, gleichzeitig Kollateralschaden und Kollateralnutzen zu sein, zufallen. Einzigartig, aber kein Trost!

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