Zwei Macher treten ab
Was war der größte Moment Ihrer standespolitischen Laufbahn?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Da gibt es zwei: Als damaliger Vorsitzender der KZV Hessen eine Regelung mit dem hessischen Sozialministerium getroffen zu haben, den Mehraufwand in der Füllungstherapie auch bei GKV-Patienten honoriert zu bekommen, was dann wesentlich als Blaupause für die heutige Mehrkostenregelung auf Bundesebene diente.
Und dann mein Beitrag bei der Entwicklung und der Umsetzung des Festzuschusssystems beim Zahnersatz – besonders in der Anfangsphase, als dieses Modell ganz heftig von Zahntechnikern, Medien wie dem Stern und vielen Politikern madig gemacht wurde.
Dr. Günther E. Buchholz:Es gab eher weniger den einen größten Moment als eine Vielzahl von Momenten, in denen ich das Vertrauen gespürt habe, dass die Zahnärzteschaft in mich gesetzt hat – und die mich über den langen Zeitraum von über 19 Jahren im Vorstand der KZBV bestätigt und wiedergewählt hat.
Und Ihr größter persönlicher Erfolg?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Meine Kinder.
Dr. Günther E. Buchholz:Für die Zahnärzte: dass wir es geschafft haben, einen Heilmittelkatalog zu installieren. Für die Mitarbeiter: den Standort Köln zu erhalten.
Édith Piaf bereute nichts. Würden Sie heute etwas anders machen? Anders gefragt: Was war Ihr größter Fehler? Lagen Sie mal so richtig daneben?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Nö, da bereue ich nichts. Mein größter Fehler war womöglich mein Irrglaube, dass es in der Standespolitik anders zuginge als in der „großen Politik“. Und daneben liegt man, wenn man glaubt, in der Gesundheitspolitik ginge es zuerst um das Wohl der Patienten.
Dr. Günther E. Buchholz:Vom Grunde her: nein. Man muss sich mit ernstem Engagement der Aufgabe widmen. Und das habe ich über die vielen Jahre hinweg eigentlich immer getan. Richtig schiefgelaufen ist anfangs die elektronische Abrechnung beim Heil- und Kostenplan. Da war ein Fehler eingebaut, den wir nicht bedacht hatten – aber zum Glück schnell wieder beheben konnten.
"Am meisten enttäuscht bin ich von Horst Seehofer!"
Mit wem haben Sie am liebsten gestritten und wer hat sie am meisten enttäuscht?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Positiv gestritten und zu guten Ergebnissen gekommen als Vorsitzender der KZV-Hessen mit dem damaligen AOK-Hessen-Chef Specke, als KZBV-Vorsitzender mit dem damaligen Vorsitzenden Prof. Genzel und dem Vorsitzenden des Erweiterten Bewertungsausschusses, Prof. Neubauer. Eher brotlos gestritten mit MdB Jens Spahn. Leider nie richtig gestritten, was ich aber gern getan hätte, mit Horst Seehofer. Der hat mich auch am meisten enttäuscht.
Dr. Günther E. Buchholz:„Gestritten“ – das Wort würde ich streichen – „Auseinandersetzung geführt“ gefällt mir besser! Und da sind es die Verhandlungen mit den Vertretern der Krankenkassen, wenn es darum ging, unsere Interessen durchzusetzen.Am meisten enttäuscht bin ich von Horst Seehofer. Als es 1989 um die Einführung der Verblendung im Seitenzahngebiet ging, hatte uns Seehofer zuvor immer bestärkt, diese Lösung anzugehen, um uns am Ende in den Rücken zu fallen.
Besonders enttäuschend bei meiner Arbeit war das BSG-Urteil zur Aufhebung der verschlüsselten Zahnarztnummer bei der Abrechnung. Dadurch ist es den Krankenkassen möglich, Profile der Zahnärzte auf allen Ebenen, zahnarztbezogen und patientenbezogen, zu erstellen. Damit ist ein Punkt weggefallen, für den ich jahrelang mit viel Herzblut gekämpft habe.
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QS beziehungsweise eGK – haben Sie beide eine Neigung für sperrige Themen?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Bekanntlich schwimme ich gern gegen den Strom und mag kontroverse Themen. Da lag und liegt das Thema QS ja nahe. Viele im Berufsstand haben immer noch nicht kapiert, was wir hier versäumt und verschlafen haben, und wundern sich mäkelnd, dass uns dieses Thema zwischenzeitlich mehr und mehr aus der Hand genommen wurde. Unsere eigenen Gestaltungsspielräume werden immer kleiner.
Dr. Günther E. Buchholz:Eher eine Neigung für komplexe Themen und das Bestreben, schwierige Probleme auch zu lösen – gerade dann, wenn der Weg zur bestmöglichen Lösung im Sinne der Zahnärzteschaft nicht einfach ist.
Sie gehen jetzt als Experten von Bord – was macht man jetzt mit dem riesigen Wissensschatz und der ganzen Erfahrung?
"Ich bin jetzt gewissermaßen eher ein standespolitischer Rentner!"
Dr. Jürgen Fedderwitz:Ich bin jetzt gewissermaßen eher ein standespolitischer Rentner. Und was macht man als Rentner ...? Jetzt bietet sich auch mal die Möglichkeit, sein Wissen nicht titelzeilenträchtig hier und dort einzubringen.
Dr. Günther E. Buchholz:Wir haben mit unseren Mitarbeitern gemeinsam einen Wissensschatz aufgebaut. Das Wissen geht also nicht verloren. Ansonsten stehe ich zur Verfügung, wenn meine Person gefragt ist.
GSG, GMG, GKV-WSG, GKV-SVSG – um nur einige der zahllosen (einschränkenden) Gesetze der Gesundheitspolitik zu nennen: Wie viel Gestaltungsspielraum hat man noch in der Selbstverwaltung?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Leider immer weniger. Die Regelungswut der Politik und der Anspruch vieler Politiker, in die Selbstverwaltung zu grätschen und direkt Einfluss nehmen zu wollen, stellen ja letztlich das erfolgreiche Modell „Selbstverwaltung“ mehr und mehr infrage. Spätestens, wenn die Rentner aus der großen Politik ihr Gnadenbrot in der Selbstverwaltung finden, ist diese perdu.
Dr. Günther E. Buchholz:Mit jedem neuen Gesetz hat die Politik mehr in die Selbstverwaltung eingegriffen. Das heißt, es erfolgt eine noch größere Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden, die uns zunehmend Handfesseln anlegen. Und das aktuelle GKV-SVSG hat die Pflöcke hier sogar noch einmal enger gesetzt.
Was wird die Zukunft bringen? Was sind die drei wichtigsten Themen der nächsten fünf, zehn Jahre?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Die Diskussion um die Bürgerversicherung, die so wie bisher geplant, nicht kommen kann und wird, wird zu wesentlichen Veränderungen in der GKV und zu dramatischen Umbauten in der grundsätzlich weiter bestehenden PKV führen. In der Zahnmedizin wird die Paro-Behandlung noch wichtiger in der Praxis, kontroverser in der Standespoltik und spannender in der Gesundheitspolitik. Und wir werden ein sich leider veränderndes Welt- und Wertebild beim Thema „Freiberuflichkeit“ erfahren.
Dr. Günther E. Buchholz:Drei Themen haben für mich absolute Priorität: erstens die Nachwuchsförderung in der Standespolitik. Denn ohne nachkommende Zahnärzte und Zahnärztinnen, ohne junge Leute, die sich engagieren, können wir nicht weitermachen. Zweitens die Erhaltung unserer Handlungs- und Gestaltungsspielräume, das heißt, die Erhaltung der Selbstverwaltung. Und drittens die Bürokratisierung, denn es kann nicht angehen, dass die Praxen mit immer mehr Verwaltungsarbeit überzogen werden, die ihnen die Luft zum Atmen und die Zeit zum Behandeln nimmt.
Stand Ihnen Ihr Beruf privat mal im Weg?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Klar, viel zu oft. Aber wenn man es verpasst, rechtzeitig „Nein“ zu sagen ...
Dr. Günther E. Buchholz:Ja, immer. Scherz beiseite: Der Beruf steht dem Privatleben natürlich häufig im Weg. Wenn Sie mindestens vier Tage pro Woche beruflich unterwegs sind und die restlichen Tage diese Termine vor- und nachbereiten müssen, bleibt nicht mehr viel Zeit für Freunde und Familie. Bis 2005 hatte der KZBV-Vorstand zehn Mitglieder, heute sind es drei – und man muss schon sagen: In dieser Personalstärke ist die Arbeit kaum mehr zu bewältigen, zumal sich die Aufgaben immer komplexer und damit zeitintensiver gestalten.
"Eigentlich waren wir Zahnärzte als Kanonenfutter für Herrn Blüm vorgesehen, aber wir haben uns wacker geschlagen."
Wie sind Sie überhaupt zur Zahnmedizin und dann zur Berufspolitik gekommen?
Dr. Jürgen Fedderwitz:Ich wollte einen Beruf ergreifen, der mir viele Freiheitsgrade und wenig Abhängigkeiten, dafür mehr eigene Gestaltung ermöglicht. Und der mich mit Menschen zusammenbringt. Zur Standespolitik gebracht hat mich in den 1980er-Jahren eigentlich eine kurze Diskussion in der damaligen ZDF-Talkshow „Leute“ mit dem seinerzeitigen Sozialminister Norbert Blüm. Mein Freund und Kollege Norbert Grosse hatte mich überredet, zusammen mit ihm daran teilzunehmen. Eigentlich waren wir Zahnärzte als Kanonenfutter für Herrn Blüm vorgesehen, damit der richtig rüberkommen konnte.
Aber wir haben uns wacker geschlagen. Und als ich dabei zum Minister sagte: „Herr Blüm, nun lassen Sie mal die Kirche im Dorf!“, meinten wohl viele Kollegen, ich sollte solche Sätze auch zu einigen damaligen Standespolitikern sagen. Das war nicht schwer. Aber ich war so naiv zu glauben, dass es dabei bliebe ...
"Engagiert habe ich mich seit Schülerzeiten!"
Dr. Günther E. Buchholz:Ganz einfach: Mein Vater war Zahnarzt. Er hat mich schon als Kind häufig in seine Praxis mitgenommen. Selbstständig gemacht habe ich mich dann aber nicht in der väterlichen Praxis. Und der Weg zur Berufspolitik war für mich eigentlich ganz selbstverständlich: Engagiert habe ich mich seit Schülerzeiten, erst in der Schülermitverwaltung, dann an der Uni habe ich Fachschaftsarbeit gemacht – über die dann relativ schnell die ersten Kontakte zur KZV Westfalen-Lippe und schließlich erste Ämter in den Ausschüssen folgten. Es hat mir als politischem Menschen immer sehr viel Spaß gemacht, mich für die Interessen der Zahnärzte einzusetzen.
Wenn Sie kein Zahnarzt geworden wären, was wären Sie dann?Dr. Jürgen Fedderwitz:Am liebsten Journalist ...
Dr. Günther E. Buchholz:Lehrer! Neues zu lernen und zu vermitteln war schon immer mein Ding! Und die Juristerei, die hätte mich auch noch interessiert.