Philipp Pfaff (1713–1766) – DER Wegbereiter des Fachs
Philipp Pfaff wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit Anfang 1713 in Berlin geboren. Das exakte Datum ist unbekannt; allerdings existiert ein Taufbucheintrag vom 27. Februar 1713 in der Berliner Domgemeinde, der auf diesen Geburtszeitraum schließen lässt.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Zahnheilkunde noch kein eigenständiges Fach. Sie lag noch teilweise in den Händen von sogenannten Zahnbrechern oder Zahnreißern, das waren nicht oder nicht regelhaft ausgebildete Behandler, die ihre Tätigkeit zumeist im Umherziehen ausübten („Wanderheiler“) und ihre Heilkunst in unterschiedlichem Ausmaß beherrschten. Daneben widmete sich auch ein kleiner Teil der zeitgenössischen Wundärzte der Zahnheilkunde. Auch sie waren nicht Teil des akademischen Ärztestandes, sondern handwerklich ausgebildete Chirurgen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Ausbildung zum Chirurgen an den Nachweis des Abiturs und an ein verpflichtendes Medizinstudium gebunden, wodurch die Chirurgie ein integraler Bestandteil der akademischen Heilkunde wurde. Noch deutlich später – im Jahr 1909 – wurde auch die Zulassung zum Spezialstudium der Zahnmedizin vom Abitur abhängig gemacht und so ebenfalls akademisiert.
Pfaff entschied sich nach der Schulzeit für eine wundärztliche Ausbildung: Er erlernte die Chirurgie an der Charité, wo er als Gasthörer auch einzelne Lehrveranstaltungen im Fach Medizin und – soweit damals bereits verfügbar – in der Zahnheilkunde besuchen konnte. Dieser Ausbildungsweg lag insofern nahe, als Pfaff selbst der Sohn eines Chirurgen war: Sein Vater, der Heidelberger Wundarzt Johann Leonhard Pfaff, war 1710 nach Berlin gekommen und 1726 zum Amtschirurgen und Prosektor an der Charité avanciert. Johann Leonhard Pfaff gehörte damit zu den Lehrern seines Sohns, der in Berlin seine chirurgische Abschlussprüfung vor dem Collegium Medicum absolvierte – ein Examen, das auch zur zahnärztlichen Tätigkeit (die als „niedere Chirurgie“ galt) berechtigte.
Nach seiner chirurgischen Ausbildung absolvierte Pfaff seinen Militärdienst in den Infanterie-Regimentern Nr. 25 des Oberst von Kalckstein und Nr. 34 des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Grundlage dieses obligatorischen militärischen Engagements war das von „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. (1713–1740) revidierte „Preußische Medicinal Edict“. Auch nahm Pfaff als Kompaniechirurg am Ersten Schlesischen Krieg (1740–1742) teil, in dem Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Schlesien kämpften. Gerade in jenen Jahren konnte Pfaff in Anbetracht der vielen behandlungsbedürftigen Kriegsverletzten und -versehrten seine praktischen Kenntnisse in der Wundversorgung und Traumatologie maßgeblich erweitern.
Nach dem Kriegsende eröffnete Pfaff in Berlin mit Konzession des Königs eine wundärztliche Praxis. Wann genau und warum er sich von der Chirurgie ab- und der noch wenig prestigeträchtigen Zahnmedizin zuwandte, ist nicht bekannt. Allerdings wissen wir, dass er um 1751 seine chirurgische Praxis an den Amtschirurgen Knuppe veräußerte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte er sich demnach auf die Zahnmedizin konzentriert haben.
Pfaff war verheiratet, blieb jedoch kinderlos. Er starb bereits am 4. März 1766 im Alter von 53 Jahren an der „Brustkrankheit“ – wobei es sich vermutlich um Tuberkulose handelte, eine in jener Zeit ebenso gefürchtete wie verbreitete Erkrankung.
Das erste klare Bekenntnis zum Zahnerhalt
Pfaff setzte sich zeitlebens intensiv mit der wissenschaftlichen Zahnheilkunde auseinander. Wichtigster fachlicher Bezugspunkt war in dieser Zeit das Lehrbuch des Franzosen Pierre Fauchard (1678–1761): Fauchard hatte 1728 die weltweit erste umfassende Monografie über Zahnmedizin verfasst, die 1733 auch ins Deutsche übersetzt worden war. Es besteht kein Zweifel, dass Pfaff sein Wissen zu erheblichen Teilen aus diesem Lehrbuch schöpfte; allerdings sparte er auch nicht an Kritik an manchen Ausführungen Fauchards. Überdies brachte Pfaff viele eigene Behandlungserfahrungen ein. Sie betrafen unter anderem die erste Beschreibung einer extraoralen retrograden Wurzelfüllung im Rahmen einer Zahnreplantation, eine direkte Überkappung der vitalen Zahnpulpa mit Goldplättchen sowie eine Abdrucknahme vom Kiefer mit Siegelwachs. Bemerkenswert ist vor allem auch Pfaffs klares Bekenntnis zum Zahnerhalt – in einer Zeit, in der die Zahnextraktion noch als die Standardtherapie bei schadhaften Zähnen galt. Hinzu kamen Hinweise zum zahnärztlichen Instrumentarium, zur Mundhygiene und zu Arzneimittel(rezepte)n.
Pfaff konnte sein angelesenes wie auch sein empirisch erprobtes Wissen 1756 im Alter von etwa 43 Jahren in Form des ersten von einem deutschen Zahnarzt verfassten Lehrbuchs über Zahnmedizin veröffentlichen. Die Monografie trug den Titel „Abhandlungen von den Zähnen des menschlichen Körpers und deren Krankheiten“ und enthielt etliche diagnostische und therapeutische Anweisungen, die wegweisenden Charakter entfalteten [Pfaff, 1756].
Pfaffs Werk versammelte das zahnmedizinische Wissen seiner Zeit und wurde somit zum ersten Markstein einer (proto)wissenschaftlichen Zahnheilkunde in Deutschland. Zu den interessanten Anekdoten rund um Pfaff gehört die Geschichte, dass er sein Buch König Friedrich dem Großen am 19. Mai 1756 persönlich vorlegen durfte. Seine Leistung hinterließ offensichtlich Eindruck: Der König ernannte Pfaff jedenfalls späterhin zum Hofrat und Hofzahnarzt.
Die tatsächliche Verbreitung des Buchs, das seinerzeit in einfacher Ausstattung 16 und mit besserem Papier 20 Groschen kostete und damit dem zehnfachen Tageslohn eines Knechts entsprach, ist heute nicht mehr zu rekonstruieren. Fest steht aber, dass es bereits am 20. Mai 1756 eine positive Buchbesprechung in den „Berlinischen Nachrichten“ gab und dass einige Originalexemplare den Weg in Universitätsbibliotheken fanden. Heutzutage sind zudem Faksimile-Nachdrucke seines Werks verfügbar – ein untrüglicher Hinweis auf die Tatsache, dass Pfaff es in das kollektive Gedächtnis der heutigen Zahnärzteschaft und Fachbuchliebhaber geschafft hat.
Während Fauchard durchaus wohlhabend war, blieb Pfaff zeitlebens arm. Wenngleich ihm sein Werk also keinen Wohlstand einbrachte, bescherte es ihm einen beträchtlichen Nachruhm. Geist-Jacobi war Ende des 19. Jahrhunderts der erste (Zahn-)Medizinhistoriker, der Pfaffs Bedeutung für die Entwicklung der Zahnheilkunde umfassend herausstellte [Geist-Jacobi, 1896]. Seitdem wurde Pfaff in vielen Beiträgen gewürdigt und kaum weniger häufig mit Fauchard verglichen. In jüngerer Zeit hat sich insbesondere Rolf Will in mehreren Publikationen mit Pfaff befasst, so auch im Rahmen einer kenntnisreichen Monografie [Will, 2002].
Vom anhaltenden Stellenwert Pfaffs zeugt auch die Tatsache, dass dieser Namensgeber der gemeinsamen Fortbildungseinrichtung der Zahnärztekammer Berlin und der Landeszahnärztekammer Brandenburg ist („Philipp-Pfaff-Institut“); seit September 2002 hat diese Einrichtung ihren Sitz im Haus der Zahnklinik Süd, Charité – Campus Benjamin Franklin. Zudem trägt eine zahnärztliche Gesellschaft seinen Namen: die „Deutsche Zahnärztliche Philipp-Pfaff-Gesellschaft Mannheim e.V.“. Sie wurde 1980 gegründet und tritt als zahnärztliche Organisation der Region um Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen auf. Ziel der Gesellschaft, die in Form eines gemeinnützigen Vereins ehrenamtlich geführt wird, ist die praxisnahe Fortbildung und die Förderung des kollegialen Austauschs. Die „Deutsche Gesellschaft für Stomatologie der DDR“ stiftete 1968 die Philipp-Pfaff-Medaille für besondere wissenschaftliche Verdienste; sie wurde zwar 1973 in Wolfgang-Rosenthal-Preis umbenannt, zeigte jedoch weiterhin das Konterfei von Philipp Pfaff. Schließlich hat sich das Dentalmuseum im sächsischen Zschadraß jüngst dem Leben und Werk Philipp Pfaffs gewidmet, indem es das Behandlungs- und Studierzimmer Pfaffs aus Anlass seines 250. Todestages in originalgetreuer Rekonstruktion präsentiert. Gezeigt werden zudem Instrumente, Mobiliar und Gemälde aus dem zeitgenössischen Umfeld von Pfaff, so dass ein authentisches Ambiente aus der Zeit um 1750 entstanden ist.
Die besagten Initiativen belegen, dass Philipp Pfaff auch mehr als 250 Jahre nach seinem Tod unvergessen ist. Kein anderer deutscher Zahnarzt des 18. Jahrhunderts hat einen vergleichbaren Bekanntheitsgrad erlangt. Wichtigster Schrittmacher seines Nachruhms war seine 1756 erschienene Monografie, die wiederum ein ideales Forum für seine diagnostischen und therapeutischen Entwicklungen bot und Pfaff letztlich zum Nestor der deutschen wissenschaftlichen Zahnheilkunde werden ließ.
Univ.-Prof. Dr. mult. Dominik Groß, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Medizinische Fakultät
RWTH Aachen University, MTI II
Wendlingweg 2, 52074 Aachen
dgross@ukaachen.de
Pfaffs Leben und Werk
geboren Anfang 1713
gestorben am 4. März 1766
Chirurg und Königlich-Preußischer Hofzahnarzt von Friedrich dem Großen
veröffentlichte 1756 das erste bedeutende deutsche Lehrbuch der Zahnheilkunde
beschrieb wesentliche Maßnahmen der Zahnerhaltung (Erstbeschreibung einer extraoralen retrograden Wurzelfüllung im Rahmen einer Zahnreplantation, direkte Überkappung der vitalen Zahnpulpa mit einem konkav gebogenen Goldplättchen) und der zahnärztlichen Prothetik (Abdrucknahme vom Kiefer mit Siegelwachs und dessen Ausgießen mit Gips)
gilt als Nestor der deutschen wissenschaftlichen Zahnheilkunde und als bedeutendster deutscher Zahnarzt des 18. Jahrhunderts
Literaturliste
1. George Pierce Geist-Jacobi: Geschichte der Zahnheilkunde vom Jahre 3700 v. Chr. bis zur Gegenwart, Tübingen: Pietzcker 1896.
2. Dominik Groß, Wer war Philipp Pfaff, Zahnärztliche Mitteilungen 106/6 (2016), S. 134
3. Philipp Pfaff, Abhandlungen von den Zähnen des menschlichen Körpers und deren Krankheiten, Haude & Spener, Berlin 1999 (Nachdruck der ebenfalls in Berlin gedruckten Ausgabe von 1756)
4. Dirk Witt, Beiträge zum Leben und Werk von Philipp Pfaff, Berlin, Univ. Diss. 1969
5. Rolf Will, Philipp Pfaff (1713–1766). Begründer der Deutschen Zahnmedizin, mit ausführlicher Biografie, Bildern und Faksimile-Nachdruck von Pfaff's Lehrbuch von 1756, Langenweißbach: Beier & Beran 2002.