Bielefelder Landgericht

Veraltetes Röntgenbild: Bleibender Zahn statt Milchzahn extrahiert

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mth
Einer heute 14-Jährigen hatte eine Zahnärztin im vergangenen Jahr statt eines Milchzahns einen bleibenden Zahn gezogen. Daraufhin verklagten die Eltern die Zahnmedizinerin. Beide Parteien einigten sich nun vor Gericht.

Vor der 4. Zivilkammer des Bielefelder Landgerichts gab es nun eine Einigung, wie das Mindener Tageblatt berichtet. Das Mädchen erhält 13.000 Euro Schmerzensgeld sowie weitere 7.000 Euro für "zukünftig anfallende Behandlungen".

Der Fall

Im Januar 2017 wurde das Mädchen von seinem Kieferorthopäden zu der Zahnärztin im Kreis Minden-Lübbecke überwiesen: Um eine kieferorthopädische Weiterbehandlung zu ermöglichen, sollte sie zwei Milchzähne ziehen. Einer davon – ein Eckzahn – war jedoch mittlerweile herausgefallen. An seiner Stelle befand sich bereits der bleibende Zahn, schreibt das Blatt.

Bei der Anamnese soll die Zahnärztin gestutzt und sich daraufhin telefonisch bei dem Kieferorthopäden vergewissert haben, ob wirklich die beiden genannten Zähne extrahiert werden sollten. Dieser bejahte die Frage, weil er sich wohl auf ein Röntgenbild von 2014 verließ. Obgleich es naheliegend war, dass sich "seither etwas im Kiefer der jungen Patientin getan haben musste", verließ sich die Zahnmedizinerin auf die Aussage des Kollegen und zog – im festen Glauben, es handle sich um einen Milchzahn – den bleibenden Eckzahn.

Die Anwältin

Erika Leimkühler, Fachanwältin für Medizinrecht und für Versicherungsrecht mit Kanzleisitz in Herford, sagte gegenüber den zm: "Das Schmerzensgeld ist mit 13.000 Euro höher als von uns ursprünglich mit der Klage beantragt. In meinen Augen, auch in denen des Sachverständigen, ist diese Höhe gerechtfertigt, da in diesem Fall ein junges Mädchen einen Schaden erlitten hat. Schließlich wurde die Fehlextraktion im deutlich sichtbaren Frontzahnbereich vorgenommen. Meine Mandantin fühlt sich außerdem belastet, da sie als Jugendliche als Zwischenlösung mit einer herausnehmbaren Prothetik im Frontzahnbereich medizinisch versorgt werden musste. Dadurch, dass erst in den Folgejahren eine endgültige Implantatversorgung stattfinden kann, könnten durch zwischenzeitlichen Knochenabbau zusätzliche Aufwendungen notwendig erscheinen."

Nach der zu erwartenden Lebensdauer der Implantate richtet sich die ebenfalls von der Beklagten zu zahlende Pauschale von 7.000 Euro für ebendiese künftig anfallenden Behandlungen.

Der Sachverständige

"Das hätte nicht passieren dürfen", zitierte die Lokalzeitung den als zahnärztlichen Sachverständigen geladenen Dr. med. dent. Matthias Plöger. Die fraglichen Zähne seien durch Form, Größe und Gesamterscheinung deutlich voneinander zu unterscheiden, so der in Detmold niedergelassene Spezialist für Implantologie, Parodontologie und Funktionsdiagnostik. Aufgrund der ja offenbar aufgekommenen Zweifel hätte die Zahnärztin ein neues Röntgenbild anfertigen müssen, betonte der Gutachter.

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