Wie Dentalketten die Versorgung zerschlagen
Die Expansion der Dentalketten in Europa ist von großer Tragweite im Hinblick auf die Erbringung von zahnärztlicher Versorgung und Behandlung: Auf ihrer Vollversammlung in Brüssel im November kommen die europäischen Zahnärzte zu dem Schluss, dass sich die profitgetriebenen Interessen hinter dem Geschäftsmodell solcher Organisationen durch die Arzt-Patienten-Beziehung, die Behandlung und die Arbeitsbedingungen negativ auf die Patientensicherheit auswirken können.
Dem CED geht es vor allem um die Sicherheit der Patienten und die Kontinuität der Behandlung, die ihnen geboten wird. Diesbezüglich befürchtet der CED, dass die kommerziellen Interessen, die dem Geschäftsmodell von Dentalketten zugrunde liegen, der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Patienten abträglich sein können.
Unzulässiger Druck auf Zahnärzte: Quoten für eingesetzte Implantate
Berichte über geschlossene Zahnarztketten in Frankreich und Spanien dokumentieren demzufolge die unethischen Praktiken und den unzulässigen Druck auf Zahnärzte, bestimmte klinische Ziele zu erreichen, etwa mit Quoten für eingesetzte Implantate. Die laufenden Gerichtsverfahren enthüllen das dadurch verursachte große Leid bei den Patienten, die falsch behandelt und getäuscht wurden.
Natalie Huet, aus: Politico vom 26.7.2016
Diese Fallbeispiele zeigen laut CED auf besorgniserregende Weise, wie die Sicherheit der Patienten missachtet wird, die am Ende ohne eine angemessene Versorgung - und teils verschuldet - zurückgelassen werden.
1. Risiken für Patienten
Behandlungsentscheidungen werden in diesen Gesellschaften auf der Grundlage von profitorientierten Erwägungen getroffen, rügt der CED, vielleicht sogar von Personen, die nicht im Besitz der erforderlichen beruflichen Qualifikationen sind.
Quelle: CED
In einigen Ländern haben Patienten bereits die negativen Folgen der von Zahnarztketten angewandten Methoden zu spüren bekommen: So untersuchte die spanische Zahnärztekammer (Consejo General de Colegios de Odontólogos y Estomatólogos de España) 2017 alle Patientenbeschwerden, die bei offiziellen spanischen Zahnärzteverbänden eingegangen waren und kam zu dem Schluss, dass die Hälfte davon zwischen 2013 und 2015 auf Dentalketten entfielen, obwohl diese lediglich 4 Prozent aller Zahnarztpraxen in Spanien ausmachen.
Unternehmen drängen Patienten zu Behandlungen, die medizinisch nicht notwendig sind
Einige Ketten lancierten aggressive Marketingkampagnen, um den Patienten mithilfe irreführender Nachlässe Versorgungen zu überhöhten Preisen anzudrehen. Die Zwangsschließung dieser Ketten aufgrund von unethischem Verhalten und finanziellem Fehlverhalten hatte zur Folge, dass Behandlungen - obwohl bereits bezahlt - nicht zu Ende geführt wurden
Durch Werbung und Druck in der Praxis können solche Unternehmen Patienten auch zu Behandlungen drängen, die medizinisch gar nicht notwendig sind und damit zusätzliche Kosten für die jeweiligen Gesundheitssysteme verursachen.
Patrick De Maeseneire, Vorsitzender der Colosseum Dental Group und CEO der Jacobs Holding AG, am 28. Mai 2018
2. Risiken für die Beschäftigten
Es ist für den CED offensichtlich, dass ein Geschäftsmodell, das nur auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist, die ethischen Grenzen in Bezug auf Patienten, aber auch in Bezug auf den Umgang mit den Beschäftigten stetig verschiebt und auch überschreitet.
So gingen Beschwerden von in Zahnarztketten angestellten Zahnärzten ein, die täglich mehr als 12 Stunden arbeiteten, mitunter unbezahlt. Die gesetzlichen Regelungen zu Ruhepausen und arbeitsfreien Zeiten wurden nicht eingehalten. Wegen Angst und Überlastung fielen überdurchschnittlich hohe Fehlzeiten an. Klinische Ziele wurden auch den angestellten Zahnärzten auferlegt.
Aus der CED-Resolution vom 16. November 2018
3. Risiken für das Gesundheitssystem
Dem CED zufolge besteht ein inhärentes Systemrisiko für die Erbringung von zahnärztlicher Versorgung, wenn Ketten oder Kapitalgesellschaften, die die zahnmedizinische Versorgung einer Region oder eines großen Anteils der Bevölkerung erbringen, ihre Tätigkeit - warum auch immer - einstellen. Dann nämlich besteht die Gefahr, das Patienten ohne Zugang zu zahnmedizinischer Versorgung zurückbleiben. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Anwesenheit der Kette zuvor zu einem Rückgang der Zahl anderer Zahnarztpraxen in der betreffenden Region geführt hat.
Investoren verfolgen häufig die sogenannte Buy-and-Build-Strategien, das heißt, sie kaufen Unternehmen - in diesem Fall Praxen - (häufig, indem sie 'reguläre' Zahnärzte überbieten) und versuchen anschließend, das Geschäft auszubauen und nach einigen Jahren mit Gewinn zu veräußern. Dies steht im Widerspruch zum langfristigen Planungsbedarf der Gesundheitssysteme.
Sind privatrechtlich organisierte juristische Personen zur Ausübung der Zahnheilkunde berechtigt, dürfen diese nur von Zahnärzten gegründet und betrieben werden.
Zahnärzte, die Gesellschafter sind, müssen als Zahnärzte in dem Unternehmen praktizieren.
Es muss sichergestellt sein, dass: a) das Unternehmen hauptverantwortlich von einem Zahnarzt geführt wird - die Geschäftsführer müssen Zahnärzte sein; b) die Mehrheit der Anteile und Stimmrechte in den Händen von Zahnärzten liegen; c) das Hauptinteresse des Unternehmens nicht in der Gewinnmaximierung, sondern in der ordentlichen Versorgung der Patienten besteht.
Kapitalgesellschaften oder Investoren dürfen Zahnärzte nicht von der Erfüllung der in dem geltenden Berufskodex und in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Pflichten abhalten.
Unternehmen dürfen ihren rechtlichen Status nicht dafür einsetzen, Patienten das Recht auf Wiedergutmachung zu nehmen, wenn diese Bedenken hinsichtlich ihrer Behandlung äußern.
Kapitalgesellschaften oder Investoren dürfen keinen Einfluss auf die vom Zahnarzt mit Einwilligung des Patienten getroffenen Behandlungsentscheidungen nehmen, sie dürfen keine klinischen Zielgrößen formulieren.
Kapitalgesellschaften oder Investoren dürfen Patienten nicht durch falsche Werbung und Preise oder irreführende Finanzpläne täuschen. Unternehmen dürfen Patienten nicht über die Besitzverhältnisse einer Praxis irreleiten.
Diese Forderungen wurden einstimmig von der CED-Vollversammlung am 16. November 2018
in Brüssel angenommen.