Kreative Lösungssuche im Praxisalltag

Hurra, wir haben ein Problem!

Kareen Seidler
,
Katrin Hansmeier
Wenn ZFAs, Patienten oder Krankenkassenvertreter einen mit einem scheinbar unlösbaren Problem nach dem anderen konfrontieren, möchte man manchmal einfach nur den Kopf schütteln – oder in den Sand stecken. Nur wurde dadurch selten ein Problem gelöst. Das geht fantasievoller! Mit einer humorvollen Grundeinstellung.

Versuchen Sie, ein Problem als Herausforderung anzusehen. Dadurch entstehen völlig neue Handlungsoptionen. Dann heißt es: Prima, da lern‘ ich was!

In Berlin steigen die Fahrgäste vorne in den Bus ein und bleiben stehen. Vorne wird es also immer voller, die Laune zwangsläufig immmer schlechter und hinten herrscht gähnende Leere. Eine Gewohnheit, die wir nie verstehen werden. So wie Sie manche Gewohnheiten Ihrer Patienten nicht verstehen. Die meisten Berliner Busfahrer fangen dann an zu motzen oder wiederholen bemüht „freundlich“: „Bitte jehn Se ma nach hinten durch!“ Aber es gibt einen Busfahrer, der macht eine andere Durchsage: „Bitte alle Fahrgäste mit sauberer Unterwäsche nach hinten durchgehen.“ Es dauert keine drei Sekunden, da schmunzeln die ersten und setzen sich in Bewegung – oder bleiben grinsend stehen.

Selbst montagmorgens in Berlin (!) gelingt es diesem Busfahrer, für gute Laune zu sorgen. Er schafft es in nur wenigen Sekunden, die Gewohnheiten der Menschen zu ändern. Wie? Er überrascht und er bereitet Freude. Das kann man sich abgucken!

Und in den Praxisalltag integrieren: So können Sie zum Beispiel mit Ihrem Team brainstormen, wie man ein bestimmtes Problem lösen könnte. Dabei gelten allerdings folgende Spielregeln:

1. Jede Idee zählt. Kein Lösungsansatz ist „doof“ oder „falsch“.

2. Bei der Lösung gibt es keinerlei finanzielle Einschränkungen.

Lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf. Wenn es etwa darum geht, mit einem schwierigen Patienten klarzukommen, wäre in diesem Fall eine „erlaubte“ Lösung, den betreffenden Herrn einfach in eine Rakete zum Mond zu setzen. Natürlich nur in Gedanken. Kreatives Herumblödeln macht nicht nur Spaß – Sie werden erstaunt sein, auf welche durchaus brauchbaren Lösungen Sie kommen, wenn Sie einmal losgelegt haben.

Ein anderes Beispiel:

Der sogenannte Rechnungsschmerz tritt auf, wenn die Rechnung den Patienten erreicht. Obwohl die Behandlung zufriedenstellend war, ist nun plötzlich nichts mehr so, wie man es wollte. Mögliche Lösungsansätze:

  • neinen Beschwerdeeimer einrichten

  • neinfach wegschmunzeln

  • nintern Wetten abschließen, wen der Rechnungsschmerz wohl treffen wird, dann trifft es einen selbst nicht mehr ganz so unerwartet.

Der Humorforscher John Morreall hat einmal beschrieben, wie Humor bei der Lösung eines Problems helfen kann. Meist benutzen Menschen konvergentes Denken, um Aufgaben zu lösen. Das heißt: Es gibt nur eine richtige Antwort. Im Unterschied dazu erlaubt divergentes Denken alle Arten von Antworten. Brainstorming ist dafür eine gute Methode.

Morreall hat beobachtet: Menschen fangen meist an, kreativ zu denken, wenn sie beginnen, humorvoll zu denken. Eine spielerische Grundeinstellung geht mit einer gewissen Offenheit einher – und manchmal auch dem Mut zum Risiko.

Morreall erzählt, wie Disneyland eröffnet wurde: Das Geld war knapp, die Grünanlagen noch nicht alle fertig. Auf manchen Flächen wuchs nur Unkraut. Alle gepflanzten Gewächse waren mit ihren lateinischen Namen beschriftet. Also bat Walt Disney seine Gärtner, die lateinischen Namen der Unkrautpflanzen herauszufinden und dann entsprechende Schilder davor aufzustellen. Disneyland wurde eröffnet, und niemand beklagte sich über die Grünanlagen.[John Morreall, „Humor and work“, Humor 4–3/4 [1991], 359–373.]

Disneys Lösung ist mit der Technik der positiven Umdeutung verwandt: Oft hilft ein Perspektivwechsel, um einen neuen Lösungsweg zu finden. Ähnlich kreative Lösungen können Sie auch in Ihrer Praxis anwenden. Eine Zahnärztin hatte beispielsweise Probleme mit einem Azubi, der allen Ermahnungen zum Trotz jeden Tag konsequent zu spät kam. Schließlich veranstaltete sie mit allen Mitarbeitenden einen Wettbewerb: Jeder sollte schätzen, wie viele Minuten der Azubi am nächsten Tag zu spät kommen würde. Für die genaueste Schätzung winkte ein Preisgeld von 50 Euro. Alle machten mit und amüsierten sich köstlich. Als der Azubi schließlich eintraf, wurde er mit lautem Gejohle, Klatschen und Gelächter begrüßt. Er kam nie wieder zu spät.

Wenn Sie im Team Spannungen haben und sich etwa zwei ZFAs immer wieder in die Haare kriegen, können Sie das Offensichtliche auch einfach mal benennen: „Achtung, hier kommt es gleich zum Kampf! Bitte alle ihre Schutzhelme aufsetzen! Ich hole noch schnell die Boxhandschuhe und stecke den Ring ab. Dann kann’s losgehen – aber bitte keine Schläge unter die Gürtellinie!“ So können Sie die angespannte Situation unterbrechen und ernten vielleicht sogar einen Lacher oder ein Grinsen. Anschließend ergibt sich die Möglichkeit, das Problem in Ruhe und mit kühleren Gemütern zu besprechen.

Mit Fantasie und einem Augenzwinkern lassen sich für viele Probleme alternative Lösungsansätze finden. Wichtig dabei ist, dass Sie anderen Menschen stets mit Wohlwollen begegnen und so im Bereich des ungefährlichen, sozialen Humors bleiben.

Katrin Hansmeier ist Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Humor, das 2005 in Leipzig gegründet wurde. Sie trainiert Unternehmen, die Ressource Humor für sich optimal zu nutzen.

Ihre Kollegin Dr. Kareen Seidler erforscht den Humor auf wissenschaftlicher Basis.

Die Initiative „Arzt mit Humor“ fördert wertschätzenden Humor bei Ärzten und Pflegekräften aller Fachrichtungen. Weitere Informationen unter www.arztmithumor.de

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