Interessante Trends auf der IDS – Prophylaxe/Parodontologie

Vom Scaling und Root Planing bis zur „Big-Data-Prophylaxe“

Christian Ehrensberger
Die Parodontologie ist ein im besten Sinne konservatives Gebiet, weil Therapie und Prophylaxe stets auf eine lange Zeitspanne ausgelegt sind. Und doch so dynamisch! Der Fokus liegt einmal auf mechanischen, ein andermal auf biologischen oder digitalen Strategien – oder auf einer Kombination. Wie die eigene Praxis zum Erfolg gelangt, zeigt die Internationale Dental-Schau, 12. bis 16. März 2019, in Köln.

In der klassischen professionellen Parodontalprophylaxe und -therapie ist die manuelle Instrumentierung von befallenen Taschen indiziert, gegebenenfalls ein chirurgisches Vorgehen. Was vor Jahrzehnten richtig war, ist auch heute nicht verkehrt, doch kommen kontinuierlich weitere Optionen hinzu.

Warum nicht einfach biologisch vorgehen? Gensonden unterscheiden entzündungsfördernde Mikroorganismen immer feiner. Bestimmte Testkits identifizieren gleichzeitig mehrere Parodontitis-Keime (etwa A. actinomycetemcomitans, P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola [Untch, 2015]) und bestimmen zusätzlich die Gesamtkeimzahl. Neben einer Chairside-Analytik können auch spezialisierte mikrobiologische Labor-Services in Anspruch genommen werden. Umfangreichere Tests umfassen zusätzlich zu den genannten Keimen auch P. intermedia, E. nodatum, P. micra, F. nucleatum/periodonticum, C. rectus, E. corrodens und Capnocytophaga spec. [www.micro-ident.de]. Dabei hat der Zahnarzt die Wahl zwischen einer Poolprobe (Gesamtsituation des Parodonts) und einer Einzelstellenanalyse (Situation in einer bestimmten Tasche).

Mikroorganismen bestimmen und gezielt ausschalten

Ebenfalls vornehmen lässt sich eine langfristige Parodontalrisiko-Abschätzung. Einen Ansatzpunkt stellt die genetische Prädisposition dar (zum Beispiel Polymorphismen in den Genen der Interleukin-1-Genfamilie). Freilich muss auf die Komplexität dieser Materie hingewiesen werden: Fast 30 Prozent aller bekannten menschlichen Gene werden vom Einsetzen einer Gingivitis bis zum Heilungsprozess in veränderter Weise exprimiert [Offenbacher, 2009]. Immerhin konnten schon einige Parodontitis-Risikogene identifiziert und validiert werden [Schäfer, 2015], was auf therapeutische Chancen hoffen lässt. Zur Komplexität trägt des Weiteren bei, dass sich (potenziell) pathogene Mikroorganismen in einem Biofilm anders verhalten als in isolierter Form (quorum sensing [www.thieme.de]).

Bei mikrobiologischen und genetischen Analysen fallen naturgemäß sehr große Datenmengen an. Durch immer leistungsfähigere Verfahren zu deren Auswertung können die praxisrelevanten Informationen genauer herausgefiltert und für Therapie und Prophylaxe nutzbar gemacht werden.

Die Auswertung großer Datenmengen eröffnet neue Chancen

In einem anderen Bereich der Prophylaxe eröffnet „Big Data“ bereits enorme Chancen: bei modernen Zahnbürsten. Denn diese reinigen nicht nur, sondern können auch Informationen zum Putzverhalten sammeln und auswerten. An der Universität Greifswald wurden im Rahmen einer Studie Zahnbürsten mit Bewegungsmeldern eingesetzt [www.zm-online.de]: Sie glichen die aufgezeichneten Putzbewegungen mit dem „Ideal“ ab und gaben via Smartphone-App Rückmeldung an den Patienten. Unter Einsatz dieses Konzepts konnten bei Kindern signifikante Lerneffekte beobachtet werden. 

In ähnlicher Weise sind bei einer Reihe von Zahnbürsten Monitoring-, Feedback- und Trainingsfunktionen integriert. Somit scheint eine systematische Verbesserung des Putzverhaltens möglich. Gleichzeitig treten Zahnpasten mit neuen antibakteriellen Wirkstoffkonzentrationen (SnF2, SnCl2) an, das Zahnfleischbluten und generell Zahnfleischerkrankungen zu reduzieren [Gerlach, 2018].

Eine Intensivierung der Analyse großer Datenmengen dürfte die Prophylaxe weiter stärken. Indes lassen sich fürs Scaling and Root Planing neue Chancen direkt auf der Messe in Köln „greifen“: klassische Handinstrumente, piezokeramisch oder magnetorestriktiv arbeitende Ultraschallgeräte, Pulverstrahlgeräte (ggf. unter Verwendung von Glycin- oder Erythritol-Pulvern). Zusätzliche bakterizide und hämostatische Effekte können Laser-gestützte Verfahren – selbst in anatomisch schwer zugänglichen Regionen – entfalten (photodynamische Therapie).

Christian Ehrensberger
Frankfurt am Main

Literaturliste

Untch M, Schlagenhauf U: Inter- and intra-test agreement of three commercially available molecular diagnostic tests for the identification of periodontal pathogens. Clin Oral Investig 2015 Feb 15. [Epub ahead of print]; PubMed PMID: 25680706 https://www.micro-ident.de/produkte/micro-ident-und-micro-ident-plus/welcher-test/5-oder-11-bakterien (Zugriff am 17.1.2019)

Offenbacher S et al.: Gingival transcriptome patterns during induction and resolution of experimental gingivitis in humans. J Periodont 2009;80(12);1963-1982 

Schäfer A, Dommisch H, Jepsen S: Neue Aspekte der Parodontitis. Genetische Risikofaktoren. zm 2015;105(12A):1-8 https://www.thieme.de/de/zahnmedizin/antibiotikatherapie-55291.htm (Zugriff am 17.1.2019) 

Höfer M, Alkilzy M, Treuner A, Splieth C: Kariesprophylaxe mit der App. www.zm-online.de/archiv/2017/12/zahnmedizin/kariesprophylaxe-mit-der-app/seite/alle (Zugriff am 16.1.2019)

Gerlach RW, Amini P, wie zitiert in: Keine Mundgesundheit ohne gesundes Zahnfleisch: Oral-B bringt innovative Spezialzahncreme gegen Zahnfleischprobleme auf den Markt. dental:spiegel 2018(10);54 

Dr. Christian Ehrensberger

Wissenschaftliche Leitung, Redaktion bei Dr. Kaschny PR GmbH

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