IDZ-Studie

Der Nachwuchs hat ein ambivalentes Verhältnis zur Standespolitik

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In den vergangenen Heften haben wir uns näher mit dem neuen Buch „Junge Zahnärztinnen und -ärzte“ von Nele Kettler beschäftigt. In diesem Beitrag geht es um den Stellenwert der Freiberuflichkeit für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte und deren Verhältnis zu den Standesorganisationen.

Der abschließende Überblick über die neue IDZ-Monografie von Dr. Nele Kettler mit dem Titel „Junge Zahnärztinnen und -ärzte – Berufsbild – Patientenversorgung – Standespolitik“ beleuchtet zwei Themen, die eng miteinander verknüpft sind: Welchen Stellenwert hat die Freiberuflichkeit für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte? Und wie nimmt die nachrückende Generation die zahnärztliche Standespolitik wahr? Eng verwoben miteinander sind beide Fragen nicht zuletzt, weil die zahnärztlichen Standesorganisationen die Bedeutung der Freiberuflichkeit für ihr Selbstverständnis betonen: „Freiberuflichkeit ist ein Grundwert des zahnärztlichen Berufsstandes.“ So positionieren sich die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) in ihrem gemeinsamen Leitbild „Zukunft der zahnärztlichen Berufsausübung“.

Für einen Großteil der jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte scheint die Freiberuflichkeit jedoch auf den ersten Blick einen sehr geringen Stellenwert zu haben, das heißt, sie können sich vermeintlich nicht dafür begeistern. Lediglich für 5,2 Prozent der im Jahr 2019 befragten jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte war „die Möglichkeit, freiberuflich zu arbeiten“ eines der drei wichtigsten Entscheidungskriterien für den weiteren Berufsweg. Das bedeutet nicht, dass die Freiberuflichkeit von den anderen Befragten abgelehnt würde, sondern dass für sie der Grundwert der Freiberuflichkeit von eher nachrangiger Bedeutung zu sein scheint. Auffällige Unterschiede ergaben sich bei den Antworten nach Geschlecht: So betonten 10,6 Prozent der Männer die Wichtigkeit von Freiberuflichkeit, aber nur 3,0 Prozent der Frauen. Auch war den Befragten mit Niederlassungspräferenz die Freiberuflichkeit mit einem Anteilswert von 7,1 Prozent deutlich wichtiger als den Befragten mit Anstellungswunsch (2,3 Prozent).

Freiberuflichkeit wird auf Niederlassung reduziert

Die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte wurden gebeten, in zwei offenen Fragen mit eigenen Worten zu antworten, nämlich auf die Fragen „Welches sind für Sie persönlich positive Aspekte der Freiberuflichkeit?“ und „Welches sind für Sie persönlich negative Aspekte der Freiberuflichkeit?“. In den Antworten fanden sich zwar zentrale Elemente der Definition von Freiberuflichkeit wieder. Allerdings projizierten die meisten Befragten die entsprechenden Facetten der Freiberuflichkeit nicht auf ihren gesamten Berufsstand, sondern auf ihre eigene berufliche Situation. Viele Befragte setzten hier Freiberuflichkeit mit Niederlassung in eigener Praxis gleich. Dennoch war erkennbar, dass einzelne Aspekte der Freiberuflichkeit durchaus geschätzt werden, im Besonderen die „Persönlichkeit der Leistungserbringung“, von der sie sich die Möglichkeit eines „Einbringens der Persönlichkeit in den Beruf“ erhoffen. Die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte schätzen insofern sehr wohl die „Entscheidungsfreiheit in der Behandlung“ sowie die „Unabhängigkeit von fremden Einflüssen“. Doch scheut ein Teil der Befragten anscheinend die damit einhergehende Verantwortung. Bei Problemen etwa mit den Patienten oder der Bürokratie fürchten sie, auf sich allein gestellt zu sein – Probleme, mit denen sie sich in der Anstellung weniger konfrontiert sehen.

Ein wichtiger Aspekt der Freiberuflichkeit ist jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten das prosoziale Handeln ihrer Tätigkeit im Sinne der Gemeinwohlverpflichtung. Sie widmen sich ihrer Arbeit, um „den Patienten zu helfen, schwierige Situationen zu meistern“ und möchten dabei den Patienten so helfen, „wie man es sich selbst für sich wünschen würde“. Dabei stehen nicht nur der einzelne Patient und die einzelne Patientin im Fokus. Einige Befragte sorgen sich um die „Sicherstellung der Versorgung“ oder darum, dass die „Krankenkassen [...] für die Patienten nicht die wichtigen Therapien bezahlen“.

Die Frage, ob die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte das Konzept der Freiberuflichkeit befürworten, lässt sich somit nicht pauschal beantworten. Die Antworten einzelner Befragter deuten einerseits darauf hin, dass sie sich mit Grundprinzipien wie der Unabhängigkeit oder der Gemeinwohlverpflichtung identifizieren. Andererseits irritiert die häufige gedankliche Verengung von Freiberuflichkeit auf den Aspekt der Niederlassung.

Große Zurückhaltung gegenüber Standespolitik

In gleicher Weise wird die Selbstverwaltung der Zahnärzteschaft ambivalent wahrgenommen. Die grundsätzliche Möglichkeit, „eigene Regeln des beruflichen Miteinanders festlegen zu können und den Berufsstand (theoretisch) selbstständig verwalten zu können“, wird auf der einen Seite sehr positiv bewertet. Die daraus resultierende Abhängigkeit von der Selbstverwaltung wird auf der anderen Seite aber auch kritisch gesehen. So werden bürokratische Vorgänge und Regelungen als „Gängelung durch Institutionen, die man sogar selbst noch durch Beiträge finanzieren muss“, charakterisiert. Bemängelt werden mitunter auch „verkrustete Strukturen in der Selbstverwaltung, es fällt schwer, daran teilzunehmen“.

Aus dieser ambivalenten Einstellung gegenüber den eigenen Standesorganisationen resultiert eine deutliche Zurückhaltung gegenüber der Frage eines standespolitischen Engagements, wie das folgende Befragungsergebnis verdeutlicht (Mehrfachantworten waren möglich).

Demnach engagieren sich lediglich 3,3 Prozent der Befragten bereits oder haben sich sehr konkret ein standespolitisches Engagement vorgenommen. Insgesamt 20,8 Prozent der Befragten gaben an, dass sich zunächst die Voraussetzungen in der Standespolitik ändern müssten, damit eine aktive Beteiligung für sie infrage kommt. Veränderungen werden im Hinblick auf die Inhalte, die Strukturen und Denkweisen sowie den Zugang zur Standespolitik gewünscht (Abbildung 1).

Für weitere 18,3 Prozent der Befragten liegen die Hindernisse primär abseits der Standespolitik. Hier besteht zwar durchaus Interesse an der Standespolitik, berufliche und private Zielsetzungen werden in der momentanen Lebenssituation aber doch (noch) stärker gewichtet und vor allem zeitliche Konflikte gesehen (Abbildung 2). Für die Mehrheit der Befragten, insgesamt 63,9 Prozent, scheint ein standespolitisches Engagement allerdings grundsätzlich auch für die Zukunft nicht infrage zu kommen. 

Dr. David Klingenberger

Stellvertretender wissenschaftlicher

Direkor des Instituts der Deutschen

Zahnärzte (IDZ) in Köln

David Klingenberger

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