DGAZ-Jahrestagung in Berlin

Mehr Aufmerksamkeit für die Alterszahnmedizin

Am 11. September fand die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin (DGAZ) unter dem Tagungstitel „Herausforderungen und Ziele neu bewerten” in Berlin statt. In Präsenz! Inhaltlich sensibilisierten die Referenten die Kollegen unter anderem noch einmal für den kommenden Expertenstandard zur Mundgesundheit in der Pflege und die parodontale Behandlung bei den vulnerablen Patienten.

Nachdem im vergangenen Jahr die Veranstaltung aufgrund der Pandemie abgesagt werden musste, fand sie in diesem Jahr endlich wieder in Präsenz statt und das freute die Präsidentin der DGAZ, Prof. Dr. Ina Nitschke, ganz besonders. Bei der 30. Jahrestagung der DGAZ wurde die gesellschaftspolitische Bedeutung der Alterszahnmedizin gewürdigt. Die DGAZ besteht bereits seit 31 Jahren. Seit 2006 wächst ihre Mitgliederzahl. Es gibt viel zu tun – darüber waren sich die Teilnehmer einig.

Die Alterszahnmedizin wächst, nicht zuletzt, weil ihre Patienten immer älter werden. Sind diese multimorbide und nehmen deshalb viele verschiedene Präparate, muss das vor einer zahnärztlichen Behandlung abgeklärt sein. Auf die abnehmende Mobilität und zum Teil auch Kommunikationsfähigkeit der Senioren müssen die Zahnmediziner reagieren. Das ist den Initiatoren wichtig zu vermitteln, ohne dabei die Kollegen zu verschrecken.

Das war auch dem Präsidenten der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Christoph Benz, bei der Begrüßungsrede ein wichtiges Anliegen. Er betonte, dass neben aller Prävention die Versorgung der älteren Patienten und der Erhalt ihrer Mundgesundheit enorm wichtig seien. Mit dem demografischen Wandel stiegen auch die Herausforderungen an die Alterszahnmedizin. Der Bereich brauche „mehr Selbstvertrauen als bislang“, so Benz.

Als kurzen thematischen Disclaimer bedankte er sich noch einmal bei den Zahnärzten für die gute und sichere Arbeit in der Pandemie-Zeit: „Hätten alle Deutschen in der Zahnmedizin gearbeitet, wäre das Land sicher gewesen“, betonte er augenzwinkernd – und deutete damit auf den hohen Hygienestandard in den Praxen hin. „Wir sind der sicherste Arbeitsplatz gewesen”, fügte er hinzu und rechnete vor, dass es in Zahnarztpraxen nur 35 gemeldete Corona-Fälle pro 100.000 Berufsangehörige gab im vergangenen Pandemie-Jahr. Damit verzeichneten die Zahnärzte mit Abstand die wenigsten Infektionsfälle.

Nitschke und der Landesbeauftragte der DGAZ Baden-Württemberg, Dr. Elmar Ludwig, führten aus, was auf die Alterszahnmedizin zukommt. Dabei ging es vor allem um die laufende Evaluation des Expertenstandards zur Mundgesundheit in der Pflege, der im nächsten Jahr herausgegeben werden soll. Zum ersten Mal wird darin beschrieben, wie die Mundhygiene in den Einrichtungen umgesetzt werden muss, um weiteren Erkrankungen, etwa einer Lungenentzündung, aktiv vorzubeugen. Ludwig, der sich seit vielen Jahren für die Alterszahnmedizin in der Praxis und der Pflege einsetzt, betonte: „Das Thema hat noch nicht die Aufmerksamkeit, die wir uns wünschen.“

Immer wieder finde er katastrophale Zustände bei der Mundhygiene von pflegebedürftigen Senioren vor. „Das ist ein Einfallstor für Krankheitserreger und kann schwere Infekte bei den Patienten auslösen!“ Im Hinblick auf ein ergonomisches Arbeiten und die Vermeidung von Aspiration hätten sowohl zahnärztliche Experten als auch Spezialisten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in enger Abstimmung über Monate die wichtigen Kriterien herausgearbeitet. Daraus ist ein Erklärfilm entstanden (siehe QR-Code zum Videoclip).

Die Strukturen und Prozesse des Expertenstandards hat auch das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) an der Hochschule Osnabrück mitentwickelt und koordiniert. Ziel sei, einen Standard in den Pflegeeinrichtungen zu etablieren, denn nicht alle Pflegekräfte würden sich mit der Mundgesundheit von Senioren auskennen. Die Diagnose stellt aber nach wie vor der Zahnarzt, stellte Ludwig klar.

Prof. Dr. Dirk Ziebolz, Oberarzt für interdisziplinäre Zahnerhaltung und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Leipzig, thematisierte die parodontale Behandlung bei vulnerablen Patientengruppen: Was sagt die Leitlinie und was steht zwischen den Zeilen? „Wir haben damit mehr Flexibilität in vielen Bereichen gewonnen“, resümierte er. Die Diagnostik bleibe die Grundvoraussetzung – und diese sei komplexer geworden. Wichtig war ihm auch klarzustellen: „Die parodontale Diagnostik ist nicht delegierbar!“

Dr. Cornelius Haffner, Zahnarzt an der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie am Klinikum der Universität München, ging noch einmal auf die Abrechnungspositionen der neuen PAR-Leistungen ein. Er berichtete, dass jeder Patient über 65 Jahren in der Pflege eine behandlungsbedürftige Parodontitis aufweist. Bei der Mundhygiene habe es im vergangenen Jahr große Rückschritte gegeben: „Nach dem Pandemie-Jahr fangen wir zum Teil wieder von vorne an, das ist maßlos frustrierend.“

Rechtsanwalt Christian Nobmann von der KZBV gab eine Übersicht zum Paragrafen 22a SGB V und der neuen PAR-Leitlinie, die seit Juli gilt.

Mehr Aufmerksamkeit für die Alterszahnmedizin, Mut und Selbstvertrauen – das war das Anliegen der Veranstalter. In einer alternden Gesellschaft müsse dem Bereich noch stärker Unterstützung zukommen.

Link zum Video zum ergonomischen Arbeiten bei der Mundhygiene. 

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