Die zm-Kolumne rund um die relevanten Praxisfragen

Nutzen Sie die Corona-Zeit für Ihre Azubis!

Christian Henrici
Es ist so einfach, schnell von der Hand gehende Arbeiten zu delegieren und „Liegengebliebenes“ aufzuarbeiten. Aber ich empfehle: Nutzen Sie die Kurzarbeit zur Ausbildung Ihres Super-Azubis! Verstehen Sie mich nicht falsch: Schränke säubern und Telefondienst sind Aufgaben, die erledigt werden können und müssen, aber viele Praxen haben den Fehler gemacht, die Lockdown-Zeit und auch die Berufsschultage wegen des fehlenden Präsenzunterrichts genau dafür zu verwenden – statt dem Azubi Zeit zu geben, seinen Stoff zu lernen.

Mittlerweile haben die Berufsschulen entweder eingeschränkt wieder den Präsenzunterricht aufgenommen oder sind vollständig auf Homeschooling umgestiegen. Ich kann Ihnen nur raten, Ihrem Azubi gerade jetzt mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und ihm Zeit zum Lernen zu gewähren. 

Auch Lernen will gelernt sein

Vielen Berufseinsteigern fällt selbst organisiertes Arbeiten zunächst schwer. Der Begriff Prokrastination ist in diesem Zusammenhang sicherlich angebracht: Anstehende Tätigkeiten oder Aufgaben werden aus Angst vorm Scheitern gerne verschoben. Viele Auszubildende befinden sich im ersten Lehrjahr, sie müssen den Wechsel zwischen praktischer Arbeit und Schule erst lernen. Bitte vergessen Sie auch nicht, dass Azubis gerade am Anfang unfassbar motiviert sind und lernen wollen!


Denken Sie daran, Ihrem Azubi – auch wenn der Präsenzunterricht nicht stattfindet – ausreichend Zeit zu gewähren, um selbstständig oder im digitalen Unterricht zu lernen. Es ist nicht hilfreich, den Azubi an regulären Berufsschultagen (es sei denn der Unterricht fällt vollständig aus!) zusätzlich zu langen Arbeitszeiten in der Praxis zu „verdonnern“. Die Azubis sollen vielmehr aktiv etwas lernen. Bei einer solchen Umstellung vom Präsenz- auf im besten Fall digitalen Unterricht kann es aber durchaus vorkommen, dass man für das effektive Lernen etwas mehr Zeit braucht.

Sollte Ihr Terminbuch derzeit noch Lücken aufweisen, dann nehmen Sie sich doch persönlich Zeit, um Ihre Auszubildenden zu motivieren und ihnen über diese schwierige Phase hinwegzuhelfen. Üben Sie ohne echten Patienten das Anmischen von Materialien, das Nehmen und Ausgießen von Abformungen oder die Herstellung von Provisorien. Letztlich hilft das stressfreie Üben dieser Tätigkeiten für eine künftig selbstständige Arbeitsweise und ganz nebenbei kann der Unterrichtsstoff der ausgefallenen Berufsschultage durchgesprochen werden. 

Fordern, aber nicht überfordern

Da Azubis kein Kurzarbeitergeld erhalten und unter den Praxisinhabern oft der (nachvollziehbare) Gedanke besteht, dass die Azubis dann auch arbeiten können, kann die Zeit auch gut für das Schreiben des Berichtshefts genutzt werden. Wussten Sie, dass lediglich 54,4 Prozent der Azubis erlaubt wird, das Berichtsheft auf der Arbeit zu schreiben, obwohl Arbeitgeber laut Berufsbildungsgesetz den Auszubildenden die Möglichkeit geben müssen, das Berichtsheft in ihrer Ausbildungszeit zu führen?

Eine weitere Idee ist, dem Auszubildenden eine wichtige Rolle innerhalb des Praxisteams zukommen zu lassen, indem man ihm zum Beispiel einen eigenen Aufgabenbereich zuteilt und ihn hierfür zur Weiterbildung an Webinaren teilnehmen lässt. So fühlt sich der Auszubildende gebraucht und wichtig und lässt, auch wenn das Terminbuch eine Zeit lang nicht voll ausgelastet ist, nicht in seiner Leistung durch Demotivation nach. Achten Sie hier darauf, dass die Aufgabe oder das Projekt für den Azubi im Rahmen seiner Möglichkeiten liegt. Laut Ausbildungsreport 2019 fühlen sich ganze 22,9 Prozent der ZFA-Azubis überfordert!

Seien Sie ansprechbar für Ihren Azubi oder stellen Sie sicher, dass es immer einen Ansprechpartner innerhalb des Praxisteams gibt. Gerade während des Lockdowns gab es für einige Auszubildende Hemmnisse, ihre Nöte kundzutun. Die Berufsschulen haben zum Teil den Unterrichtsstoff per E-Mail verschickt, vergewissern Sie sich, dass der Auszubildende auch Zugang zu den entsprechenden Medien hat und lassen Sie beispielsweise seinen Unterrichtsstoff in der Praxis ausdrucken. Zeigen Sie Interesse und lassen Sie sich den Stoff präsentieren! Bei digitalen Unterrichtsangeboten der Berufsschulen könnten Sie Ihren Azubi an einem ruhigen Ort in Ihrer Praxis teilnehmen lassen – aber bitte keinesfalls, um ihn zu kontrollieren, sondern um verfügbar zu sein und ein ruhiges Umfeld zu ermöglichen. Nicht jede heimische Umgebung ist zum konzentrierten Lernen geeignet. 

Immer ansprechbar bleiben

Auch mit Lob kann man den Auszubildenden gut motivieren. Erkennen Sie es an, wenn sich Ihr Azubi ins Zeug legt und viele (sinnvolle) Fragen stellt. Bringen Sie doch Ihrem Azubi das digitale Arbeiten etwas näher, Studien zufolge fühlen sich 53,3 Prozent der Auszubildenden eher nicht auf die Nutzung digitaler Technologien vorbereitet.

Viele Praxen arbeiten noch reduziert, die Berufsschule ist jedoch wieder gestartet und prüft inzwischen auch den Lernstoff, der nicht im Präsenzunterricht vermittelt wurde. Helfen Sie Ihren Auszubildenden, indem Sie sie an diesen Lernstoff erinnern – und ihn anhand von Praxisbeispielen erklären, denn auch gute Zensuren fördern Motivation.

In diesem Sinne ...
Ihr Christian Henrici

zusammen mit Diana Dorißen,
Mitglied im Team Praxisflüsterer

Henrici@opti-hc.de, www.opti-hc.de

Christian Henrici

Dipl. Kfm. Christian Henrici ist seit 2006 Gründer und Geschäftsführer der OPTI health consulting GmbH, die nach eigenen Angaben seit 2006 rund 3.000 Zahnarztpraxen in Deutschland beraten hat. Henrici ist Lehrbeauftragter und Referent für Controlling, Personal und Businessplanung. Als Autor erschien von ihm im Quintessenz-Verlag das Buch „Wer braucht schon gutes Personal? – Erfolgreich führen in der Zahnarztpraxis“. Christian Henrici schreibt Fachbeiträge zu den Themen Betriebswirtschaft, Organisation und Führung & Personal in der Zahnarztpraxis und seine regelmäßige Kolumne in den zm.

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