Beschluss im Bundestag

Die neue Triage-Regelung ist verabschiedet

Der Bundestag hat das Infektionsschutzgesetz angepasst, um der Triage-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu genügen: Vulnerable Patienten sollen bei knappen Kapazitäten nicht schlechter behandelt werden als andere. Das Gesetz verbietet auch die sogenannte „Ex-Post-Triage“. Damit soll verhindert werden, dass eine bereits laufende Behandlung zugunsten eines Patienten mit besseren Überlebenschancen abgebrochen werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2021 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entschieden, dass sich aus dem Grundgesetz für den Staat der Auftrag ergibt, Menschen mit Behinderung bei knappen intensiv-medizinischen Kapazitäten vor Benachteiligung zu bewahren. Gibt es aufgrund einer übertragbaren Krankheit keine ausreichenden intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten, soll die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit das maßgebliche Kriterium für die Zuteilungsentscheidung sein.

Eine Zuteilungsentscheidung scheidet laut Gesetz aus, wenn betroffene Patienten anderweitig intensivmedizinisch behandelt, insbesondere regional oder überregional verlegt werden können. Das Gesetz verbietet auch eine „Ex-Post-Triage“. Damit soll verhindert werden, dass eine bereits laufende Behandlung zugunsten eines Patienten mit besseren Überlebenschancen abgebrochen werden kann.

Niemand darf benachteiligt werden

Mit der Neuregelung soll klargestellt werden, dass bei der Zuteilungsentscheidung niemand benachteiligt werden darf, insbesondere nicht aufgrund einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Weiterhin unklar bleibt laut der Unionsfraktion allerdings, wer die Entscheidungen treffen muss. Statt Rechtsklarheit zu schaffen, verunsichere das Gesetz Ärzte und Patienten noch mehr. Der Abgeordnete Hubert Hüppe (CDU) kritisierte eine mangelnde Beteiligung der Betroffenen aus Behinderten- und Ärzteverbänden.

„Wer ein Intensivbett benötigt, muss es bekommen – auch in der Pandemie. Dafür werden wir uns weiter einsetzen. Aber prinzipiell muss klar sein, dass Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen auch in Zeiten knapper Kapazitäten nicht benachteiligt werden. Diesem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts trägt das heute beschlossene Gesetz Rechnung.“ Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach

Im Vorfeld der Abstimmung hatte es intensive Diskussionen in der Öffentlichkeit gegeben. So hatten etwa kirchliche Wohlfahrtsverbände wie Caritas und Diakonie das Verbot der Ex-Post-Triage im Vorfeld begrüßt. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, hatte in einer Stellungnahme das Gesetz begrüßt, aber vor Problemen im Klinikalltag gewarnt.Kritik kam aus der Ärzteschaft: So argumentierte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, dass neben der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit immer auch die ärztliche Indikation und der Patientenwille entscheidend für Zuteilungsentscheidungen sein müssten. „Das hätte im Gesetz verankert werden müssen.“ Für Ärztinnen und Ärzte sei außerdem unabdingbar, dass die Rechtslage eindeutig geklärt ist, wenn sie in schwierigen Situationen Entscheidungen treffen müssen.Vor dem Ausschluss der Ex-Post-Triage hatte zuvor bereits der Marburger Bund gewarnt. Die Regelung führe zu Rechtsunsicherheit für die behandelnden Ärzte, so der Verband. Er hatte gefordert, in einer Ausnahmesituation das Kriterium der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit auf alle Patienten anzuwenden, die eine intensivmedizinische Behandlung brauchen, und somit die Ex-Post-Triage zuzulassen.

Der Gesundheitsausschuss billigte das Gesetz

366 Parlamentarier stimmten für das Gesetz, 284 dagegen, fünf enthielten sich. Zuvor hatte der Gesundheitsausschuss das Gesetz gebilligt und letzte Änderungen eingefügt. Es ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Das Gesetz sieht eine externe Evaluation der Neuregelung vor. Diese soll spätestens bis zum 31. Dezember 2025 beauftragt werden und interdisziplinär auf der Grundlage rechtlicher, medizinischer und ethischer Erkenntnisse durch unabhängige Sachverständige erfolgen.

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