Was tun gegen „Rücken“?
Muskuloskelettale Beschwerden stellen nicht nur eine psychische Belastung dar, sondern können auch zu Fehlzeiten, finanziellen Ausfällen oder sogar Berufsunfähigkeit führen.
In einer italienischen Querschnittsbeobachtungsstudie gaben rund 84,6 Prozent von 284 befragten Zahnärztinnen und Zahnärzten an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten arbeitsbedingte Schmerzen des Bewegungs- und Halteapparats hatten. Dabei hatten Frauen eine höhere Prävalenz (87 Prozent) als Männer (80 Prozent). Das Auftreten von Schmerzen korrelierte mit der täglichen Arbeitsdauer: Je mehr Stunden gearbeitet wurden, desto höher war die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Beschwerden. Die Grenze liegt den Autoren zufolge bei fünf Stunden pro Tag und mehr als 30 Wochenstunden. Wer diese Marke überschreitet, erhöht das Risiko für arbeitsbedingte Schmerzen des Bewegungs- und Halteapparats. Mehrere Pausen täglich hatten positive, das Durcharbeiten dagegen negative Effekte.
Ein vorgeneigter Kopf ist Problematisch
In der Studie traten die Beschwerden mit 59,9 Prozent am häufigsten im Nackenbereich auf, gefolgt von der Lendenwirbelsäule (52,1 Prozent), den Schultern (43,3 Prozent), dem mittleren Bereich der Wirbelsäule (37,7 Prozent). Ein Drittel der Probanden erwähnte Schmerzen in den Handgelenken. Den Grund für die Beschwerden sehen die Forschenden in der asymmetrischen Arbeits- sowie der immerzu nach vorn geneigten Kopfhaltung, wodurch insbesondere die Nackenmuskulatur überlastet wird.
Im Lendenbereich hängen die Beschwerden „vor allem mit dem Verlust der Lendenlordose durch falsche Sitzhaltung, mangelnde Hüftneigung beim Sitzen und Vorwärtsbeugen bei der Arbeit sowie mit der relativen Schwäche der Stabilisierungsmuskeln der Lendenwirbelsäule durch langes und falsches Sitzen zusammen”, bilanzieren die Autoren. [Gandolfi et al., 2021].
Yoga oder Stretching In der Pause helfen
Bemerkenswert sei, dass Berufsanfänger nach zwei bis fünf Jahren Tätigkeit am häufigsten berufsbedingte Schmerzen angaben. Im ersten Jahr nach Berufsbeginn sowie in späteren Berufsjahren (30 Jahre berufliche Praxis) waren die Beschwerden vergleichsweise geringer. Die AutorInnen vermuten, dass im ersten Berufsjahr häufiger kürzere und einfachere Behandlungen im Vordergrund stehen und sich mit Lern- und Studienphasen abwechseln, während komplexere und längere Behandlungen im späteren Berufsleben folgen.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch: Wer regelmäßig Yoga oder Stretching praktiziert, hat vergleichsweise weniger Malaisen. Die Forschenden verweisen hier auf frühere Studien – diese hatten bereits gezeigt, dass Yoga zu einer tiefen Muskelentspannung führen und Immobilität entgegenwirken kann.
In einer weiteren Studie befassten sich Forschende aus Italien mit berufsbedingten muskuloskelettalen Beschwerden von DentalhygienikerInnen (DH). Insgesamt umfasste die Befragung 396 weibliche und 72 männliche Probanden. Ergebnis: Die Berufsgruppe hatte ähnliche Beschwerdebilder wie ZahnärztInnen. So gaben 30,6 Prozent an, Schmerzen im Bereich der Nackenwirbelsäule zu haben. 23,3 Prozent berichteten von Beschwerden in der Lendenwirbelsäule und 25 Prozent von Beschwerden in den Schultern.
Außerdem gaben 18 Prozent an, aufgrund von berufsbedingten Schmerzen bereits Arbeitsausfälle gehabt zu haben. Von ihnen litt rund die Hälfte an chronischen, die andere Hälfte an akuten Schmerzen. Es zeigte sich, dass Dehnübungen und Bewegung die Beschwerden verringern konnten.
Den Forschenden zufolge unterscheiden sich die arbeitsbedingten Belastungen in dieser Berufsgruppe insbesondere durch intensive, repetitive Handbewegungen und stärkere Vibrationen im Bereich des Handgelenks von denen der ZahnärztInnen.
Es ist wohl keine Frage des Stuhls
Allerdings wurde das Auftreten von Muskel- und Skeletterkrankungen nicht von der Art der Sitzgelegenheit beeinflusst, obwohl vorangegangene Studien Hinweise darauf gefunden hatten, dass etwa der Sattelstuhl durch seine ergonomischere Haltung eine präventive Wirkung haben könnte. Ebenso wenig zeigten sich bei den Zahnärzten positive Effekte beim regelmäßigen Verwenden einer Lupenbrille. Nur bei DH, die regelmäßig mit einer Lupenbrille arbeiten, traten Nackenbeschwerden weniger häufig auf – der Effekt war aber nicht statistisch signifikant. Der größere Abstand zum Arbeitsbereich ermöglicht freilich eine aufrechtere und ergonomischere Haltung, schreiben die AutorInnen, was einer Überlastung der Nackenmuskulatur entgegenwirken kann.
Die Prävention sollte in der Ausbildung starten
Die Schlussfolgerung aus beiden Studien lautet: Mit der Prävention sollte bereits in der Ausbildung begonnen werden. Ergonomische Schulungen sind zwar häufig schon Bestandteil der Lehre, sollten aber noch mehr Raum einnehmen, fordern die AutorInnen. Vergrößerungshilfen und die passende Bestuhlung könnten helfen, ergonomischer zu arbeiten. Ist eine Verkürzung der Arbeitszeit am Stuhl nicht möglich, sollten zumindest regelmäßige Pausenzeiten eingehalten und Dehnübungen durchgeführt werden, um die Beschwerden zu mildern.
Originalpublikationen: Saccucci M, Zumbo G, Mercuri P, Pranno N, Sotero S, Zara F, Vozza I: Musculoskeletal disorders related to dental hygienist profession. Int J Dent Hyg. 2022 May 2. doi: 10.1111/idh.12596. Epub ahead of print. PMID: 35499290.
Gandolfi MG, Zamparini F, Spinelli A, Risi A, Prati C: Musculoskeletal Disorders among Italian Dentists and Dental Hygienists. Int J Environ Res Public Health. 2021 Mar 8;18(5):2705. doi: 10.3390/ijerph18052705. PMID: 33800193; PMCID: PMC7967428.