Nach Unfall mit schwerer Handverletzung

Dr. Huth behandelt jetzt einhändig

LL
Zahnarzt Dr. Andreas Huth ist passiert, wovor wohl jeder Mediziner Angst hat: Er verletzte sich bei einem Unfall schwer an der Hand. So schwer, dass sie nicht mehr einsatzfähig ist. Doch Huth wirft nicht hin. Er denkt Handgriffe neu und kann mit seiner Assistenz so ein- beziehungsweise dreihändig weiter seine Patienten behandeln.

Sieht man die Bilder unmittelbar nach dem Unfall, erscheint es unvorstellbar, dass die linke Hand überhaupt noch gerettet werden konnte. Sie war vollständig abgetrennt. Huth packt im Sommer mit an auf der Baustelle für sein Eigenheim, als plötzlich der Radlader umkippt und auf ihn stürzt. Er hat noch Glück im Unglück. Der Rest des Körpers bleibt unversehrt.

„Es hätte auch meinen Kopf treffen können oder meinen Rücken – dann wäre ich wohl nicht wieder in meiner Praxis zugange“, sagt der 37-Jährige, der sich 2018 in Leipzig niedergelassen hat. Geistesgegenwärtig drückte er sich selber den linken Arm ab, um nicht zu verbluten. Per Hubschrauber wurde er in eine Spezialklinik geflogen und dort zwölf Stunden lang operiert. Die Hand wird mit Spendergewebe aus anderen Körperregionen rekonstruiert. Vielleicht wird er sie irgendwann wieder benutzen können. Zurück am Patienten fängt Huth tatsächlich so gut wie von vorne an: „Beim Arbeiten mit einer Hand ist die Herausforderung, dass sämtliche Arbeitsprozesse neu gedacht werden müssen. Das beginnt beim Anziehen des Handschuhs. Der wird mir nun von meiner Assistenz übergestreift“, berichtet er.

Jeder Arbeitsschritt musste neu gedacht werden

Beim Einspannen und Wechseln der Bohrer, beim Halten von Instrumenten oder Prothesen – bei alldem hat er nur eine Hand zur Verfügung und braucht daher auch hier immer wieder die helfenden Hände. Ebenfalls herausfordernd ist das Schreiben am PC: „Es fehlt deutlich an Geschwindigkeit, wenn man nicht mehr mit beiden Händen tippen kann“, erzählt Huth. Besonders schwierig seien die einfachen Dinge, beispielsweise das Einschleifen einer Prothesendruckstelle. Er kann nicht die Prothese und das Werkzeug zugleich halten. „Auch die normale Kontrolluntersuchung ist schwieriger, da ich nicht Spiegel und Sonde gleichzeitig nutzen kann“, fügt er hinzu. Einfacher als gedacht hingegen seien die Präparation beim Zahnersatz und die klassische oder digitale Abformung.

Inzwischen stellt Huth aber fest, wie es ihm durch Training gelingt, die schwierigen Abläufe zu routinieren. Sich nach Jahren die Bewegungsabläufe bewusst zu machen und nun die Tätigkeit der einen Hand auf die Assistenz zu übertragen, sei schwer. Inzwischen klappe es aber sehr gut. Extra Kniffe habe er keine entwickelt. „Wichtig ist, geduldig zu sein und nach Fehlschlägen nicht aufzugeben“, betont er.

Die Assistenz müsse ihm vor allem Sicht verschaffen, das habe er bisher immer selbst mit der linken Hand gemacht. Und die Bohrer nicht mehr allein wechseln zu können, das müsse er halt akzeptieren. Beim angesprochenen Entfernen von Prothesendruckstellen hält seine Assistenz jetzt die Prothese. Oder beim CEREC trennt sie den Haltesteg zwischen Block und Krone ab.

„Wir sind jetzt seine linke Hand!"

Und wie war die Umstellung für die Assistenz? Zusammen habe man sich als Duo nach dem Prinzip „Learning by doing“ in die neue Situation hineingearbeitet. „Die angepassten Behandlungsabläufe waren schnell im Kopf", berichten Nancy Lipinski und Zina Al-Sadoon. Gezählt habe nur, dass ihr Chef noch lebt, und nicht, dass jetzt eventuell gewisse Dinge nicht mehr gehen. Kleinigkeiten wie Wange abhalten, den Bohrer wechseln oder Ähnliches haben die Mitarbeiterinnen direkt übernommen. „Wir sind jetzt seine linke Hand!"

Jeden Morgen bespricht Huth mit seinem Team, was für Patienten kommen und welche Behandlungen durchgeführt werden. Gemeinsam gehen sie dann die Behandlung, insbesondere eventuelle Problemstellen, durch. „Durch die mediale Aufmerksamkeit wissen inzwischen viele Patienten von meiner Einschränkung. Vorher ist es kaum jemandem aufgefallen, erst im Gespräch nach der Behandlung. Ablehnung musste ich bisher nicht erleben“, erzählt der Praxischef. Bei der Behandlungsplanung klärt er den Patienten über das Therapieziel auf und wie die Behandlung Schritt für Schritt abläuft. Versicherungstechnisch gibt es keine Einschränkungen.

Wenn eine Zahnentfernung ansteht, übernimmt seine angestellte Zahnärztin den Eingriff, da man eine zweite Hand zum Absichern benötige. „Ich bekomme trotzdem jeden Zahn entfernt – per Fräse, aber das ist nicht im Sinne der Patienten, sondern wäre nur um mein Ego zu befriedigen. Sicherheit und Qualität gehen vor!“

Was motiviert den Zahnarzt, trotz der Einschränkung weiterzumachen? Zu Hause würde ihm ja schnell langweilig, sagt er lachend und schließt an: „Selbstverständlich mache ich meinen Job gerne!“ Unvorstellbar ihn nicht mehr auszuüben. Außerdem war ihm trotz der Schwere des Unfalls klar, dass er nicht kampflos aufgeben will. Am offensichtlichsten ist momentan eine große Wölbung an seiner Hand. Diese stammt vom Fett des aufgenähten Leistenlappens, der die Hand vorm Absterben bewahren soll. „Ziel ist, dass ich wieder greifen kann, das aber ohne Sensibilität“, sagt Huth und meint damit, dass er sich vor allem nicht unterkriegen lassen will. LL

Darf ein Zahnarzt mit nur einer Hand behandeln? Der Einzelfall ist entscheidend!

Voraussetzung für die zahnärztliche Approbation ist, dass der Zahnarzt in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs geeignet ist. Fällt diese Voraussetzung im Laufe eines zahnärztlichen Berufslebens weg, kann die Approbation widerrufen werden oder aber auch für die Dauer der fehlenden gesundheitlichen Eignung ruhen gelassen werden.

Ob das beim Fehlen einer Hand der Fall ist, wie hier, müsste folglich die Approbationsbehörde gegebenenfalls nach Einholung von ärztlichen Attesten beurteilen. Der Fall hier lässt zunächst die Annahme zu, dass eine zahnärztliche Tätigkeit weiterhin möglich ist.

Die Verantwortung für sein Handeln trägt der Behandler 
allerdings selbst. Ob die Lage versicherungsrechtliche Folgen hat, hängt vom Versicherungsvertrag ab. Auch hier können sicherlich Anzeigepflichten gegenüber der Versicherung bestehen. Arbeitsrechtlich ist dies kein Problem, wenn – wie im Fall – der betroffene Zahnarzt auch der Praxisinhaber ist. Bei angestellten Zahnärzten können derartige Verletzungen zur Kündigung führen. Aber auch hier ist der Einzelfall entscheidend.

Rechtsabteilung Bundeszahnärztekammer

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Rebecca Richter

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