Ein Jahr Ukraine-Krieg

Was bei der Behandlung Geflüchteter aus der Ukraine zu beachten ist

Heftarchiv Zahnmedizin
Seit der russischen Invasion sind Millionen Menschen aus der Ukraine auf der Flucht. Viele haben auch in Deutschland Schutz gesucht. Nicht wenige Geflüchtete werden in einer zahnärztlichen Praxis vorstellig. Was bei der Behandlung zu beachten ist.

Von Ende Februar 2022 bis zum 30. Januar 2023 wurden dem Bundesinnenministerium zu­folge 1.056.416 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland registriert. Davon hatten rund 71 Prozent vorüber­gehenden Schutz nach § 24 Aufenthaltsgesetz erhalten, rund 25 Prozent diesen beantragt und rund vier Prozent waren ohne diesen Aufenthaltstitel [Mediendienst Integration, 2023].

Für die zahnärztliche Behandlung von Geflüchteten aus der Ukraine gilt das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Anspruch auf vertragszahnärztliche Behandlung besteht nur, sofern diese bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen erforderlich ist. Eine Versorgung mit Zahnersatz wird nur dann gebilligt, wenn sie im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.

Weitere Leistungen können gemäß AsylbLG nur dann gewährt werden, wenn sie zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind oder die besonderen Bedürfnisse von Kindern betreffen. Die Voraussetzungen hierfür müssen immer im konkreten Einzelfall geprüft und die Behandlungen dann danach ausgerichtet werden [KZBV, 2023]. Diese Patientenbehandlungen stellen die Zahnärzteschaft in vielerlei Hinsicht vor Herausforderungen.

Sprachliche Barriere

Geflüchtete suchen oft aufgrund akuter Zahn- beziehungsweise Kieferschmerzzustände zahnärztliche Praxen auf – auch ohne Dolmetscher. Die Kommunikation erfolgt meist mithilfe einer Übersetzer-App auf dem Smartphone. Wegen der evidenten Sprach- und Kenntnisprobleme – oftmals sogar in der eigenen Muttersprache – werden nicht alle Allergien, Endoprothesen, Herzschrittmacher und Krankheiten in der Anamnese angegeben.

Selbst wenn der Anamnesebogen in ukrainischer Sprache ausgehändigt wurde, erweisen sich die Angaben im Verlauf der Behandlungssequenzen oft als defizitär. In einigen Fällen können zahnärztliche Behandlungen aus diesem Grund zu allgemeinmedizinischen Komplikationen führen. Eine umfassende zahnmedizinische Aufklärung kann folglich nur unzureichend erfolgen. Die Sprachproblematik bedeutet für viele Zahnarztpraxen natürlich auch mehr Zeitaufwand.

Gesundheitliche Belastung

Der allgemeine Gesundheitszustand vieler Geflüchteter ist nicht gut. Neben psychischen Problemen durch Krieg und Einwanderung sind Krankheiten wie Hepatitis B und C sowie HIV keine Seltenheit. Zu den möglichen gesundheitlichen Belastungen gehören unter anderem akute oder chronische nicht-übertragbare und übertragbare Krankheiten mit der Notwendigkeit der Therapiefortsetzung. Beispielhaft können hier Diabetes mellitus, chronische Lungenkrankheiten, niedrige Impfquoten und ein erhöhtes Risiko für respiratorisch übertragbare Infektions­erkrankungen (COVID-19, Influenza, Masern, Windpocken, Tuberkulose) bei Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften genannt werden [RKI, 2022].

Diese Problematik ist für Zahnärztinnen und Zahnärzte mit einem nochmals erhöhten Hygieneniveau und somit zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden und stellt einen Stressfaktor für das gesamte Team dar.

Fehlende finanzielle Mittel und bürokratische Hürden

Der zahnärztliche Behandlungs­bedarf ist auch unabhängig von akuten Schmerzgeschehen häufig sehr hoch. Viele der Patientinnen und Patienten, die mit akuten Schmerzen Zahnarztpraxen aufsuchen, haben mehrere tiefe kariöse Läsionen mit endodontischen Kollateralbefunden, parodontale Probleme und insuffiziente prothetische Versorgungen. Aufgrund fehlender finanzieller Mittel kann eine umfassende zahnärztliche Behandlung jedoch nur in Ausnahme­fällen erfolgen.

Als therapeutische Maßnahmen kommen meist schmerzbeseitigende Behandlungen wie Extraktionen, Wurzelkanalbehandlungen und bestenfalls Füllungen zum Einsatz. Wenn doch festsitzender oder herausnehmbarer Zahnersatz eingegliedert werden muss, weil der Patient darauf angewiesen ist, muss diese Behandlung zunächst beantragt und die Kostenübernahme bewilligt werden – ein bürokratischer Prozess, der nicht selten mehrere Wochen Wartezeit für die Betroffenen sowie die zahnärztlichen Teams bedeutet.

Schlussfolgerung

Die Behandlung von ukrainischen Geflüchteten ist für viele Zahnärztinnen und Zahnärzte mit einem erhöhten zeitlichen und organisatorischen Aufwand verbunden. Es ist wünschenswert, dass die zuständigen Behörden aktiv dazu beitragen, dass die zahn­medizinische Versorgung unbürokratisch, schnell, zielgerichtet, kausal und nachhaltig erfolgen kann, um den teilweise traumatisierten Menschen zusätzliches Leid durch eine mangelhafte Mundgesundheit zu ersparen.

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