Leitlinien-Update „Dentale digitale Volumentomografie“

Die DVT ist keine Routinediagnostik

Anfang Februar wurde fast 25 Jahre nach der Einführung der Geräteklasse in die zahnmedizinische Bildgebung im Jahr 1998 die Leitlinie „Dentale digitale Volumentomographie“ aktualisiert. Sie enthält zahlreiche neue und aktualisierte Empfehlungen, die den Wissensstand zur DVT-Anwendung abbilden.

Die Aktualisierung ist die dritte Version der gleichnamigen Leitlinie, die erstmals 2009, damals allerdings nur als S1-Empfehlung, publiziert wurde. Der Prozess der Erstellung wissenschaftlicher Leitlinien unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat sich seitdem fundamental verändert. Die aktuell publizierte Version erscheint in derselben Ausbaustufe (s2k) wie deren Vorgängerversion. Hier kann man sicherlich fragen, warum kein Ausbau auf eine S3-Leitlinie erfolgte. Eine ehrliche Bewertung der vorhandenen Literatur — vor allem in Hinsicht auf Aus­sagen zum Patienten-Outcome — zeigte jedoch, dass eine rein evidenzbasierte Leitlinie nach wie vor unrealistisch ist.

Die DVT-Strahlendosis verlangt ein besonderes Protokoll

Eine Leitlinie aus dem Bereich der Röntgendiagnostik behandelt notwendigerweise immer wichtige Strahlenschutz-Aspekte, da hier Empfehlungen für den sinnvollen Gebrauch von potenziell schädlicher ionisierender Strahlung formuliert werden. Der Strahlenschutz in der zahnmedizinischen Röntgenbildgebung hat seit der Einführung der DVT fundamental an Bedeutung gewonnen, da diese dreidimensionale Röntgentechnik im Vergleich zum zweidimensionalen Röntgen (intra­orale Tubus-, Fernröntgen- und Panoramaschichtaufnahmen) eine substanziell höhere Dosis mit sich bringt [Ludlow et al., 2015; IAEA, 2022].

Dies hat sich trotz der Einführung Dosis-sparender Protokolle nicht wesentlich geändert, so dass zunehmende Bedenken hinsichtlich der Strahlenrisiken geäußert werden [White et al., 2014]. Zwar kann durch Optimierung eine deutliche Dosisreduktion erfolgen bei gleichzeitig immer noch diagnostizierbaren Bildern [Oenning et al., 2019], doch bleibt im Moment sehr fraglich, wie häufig derartig optimierte Protokolle in der täglichen Anwendung wirklich eingesetzt werden.

Das wichtigste international etablierte Strahlenschutzprinzip in der medizinischen Röntgendiagnostik ist das Rechtfertigungsprinzip. Dieses verpflichtet den Einsatz der Röntgendiagnostik darauf, dass die Anwendung einer bestimmten radiologischen Prozedur erwartbar einen Benefit für den Patienten darstellt, der das Risiko eines potenziellen Schadens durch die Prozedur aufwiegt [IAEA, 2018].

Zudem wird gefordert, dass individuelle Charakteristika des Einzelfalls in Kombination mit den relevanten Informationen aus vorherigen Aufnahmen für die Entscheidung zu einer Röntgenaufnahme herangezogen werden [IAEA, 2014]. Aus diesem Grund müssen die Empfehlungen der Leitlinie immer auf den Einzelfall bezogen werden und im Kontext mit den klinischen und bereits vorhandenen Bildinformationen betrachtet werden.

Wie deren Vorgängerversionen trägt die aktuelle Leitlinie diesen international etablierten Grundprinzipien im Strahlenschutz in Kombination mit den wissenschaftlich fundierten Anforderungen an die Bildgebung Rechnung. Es wurden insgesamt 34 Empfehlungen formuliert, von denen einige wenige hier kurz besprochen werden.

So wurde eine neue Empfehlung in die Leitlinie aufgenommen, nach der „die Aufteilung eines diagnostisch relevanten Bereiches in mehrere klein­volumige DVTs anstelle der Anfertigung eines auf diesen Bereich angepassten, einzelnen DVTs […] nicht indiziert [ist]“ (starker Konsens). Dieses Statement soll verhindern, dass mit Geräten, die nur über ein begrenztes Aufnahmevolumen verfügen, größere Feldgrößen durch das Aneinanderfügen von mehreren kleineren Volumina aufgenommen werden, da dies unweigerlich zu einer Erhöhung der effektiven Dosis führen würde.

DVT vor Weisheitszahnentfernung nur bei Risikosituationen

Interessant ist auch die Einschränkung der Indikation für eine DVT-Aufnahme bei den unteren Weisheitszähnen. Die entsprechende Empfehlung stellt fest, dass eine „dreidimensionale Bildgebung [...] vor einer Weisheitszahnentfernung nicht erforderlich [ist], wenn in der konventionell zweidimensionalen Bildgebung keine Hinweise auf eine besondere Risikosituation vorliegen“ (Konsens). Diese Einschränkung spiegelt die für diese Fragestellung mittlerweile recht eindeutige Literaturlage wider. Zudem werden Weisheitszähne zu einem Großteil bei einer jungen (unter 25 Jahre alten) und damit besonders strahlenempfindlichen Bevölkerungsgruppe entfernt.

Neu ist eine Empfehlung zur Kieferhöhlendiagnostik, wo bei klinischem Verdacht auf eine odontogene Sinusitis zur Ursachenabklärung eine intraorale Tubus- oder eine Panoramaschichtaufnahme angefertigt werden sollte — nur bei „erweitertem bilddiagnostischem Abklärungsbedarf der Kieferhöhlen sollte eine Schnittbilddiagnostik mit einem DVT oder CT erfolgen".

Generell zeigt die Leitlinie, dass die DVT nicht als routinemäßig einzusetzende Methode der Bildgebung angewendet werden sollte. Sie sollte überwiegend erst zum Zuge kommen, wenn die zweidimensionale Bildgebung und/oder auch die klinische Untersuchung therapeutisch relevante Fragestellungen nicht beantworten können oder eine besondere Risikosituation vorliegt, die durch eine 3-D-Bildgebung besser bewertet werden kann.

So stellt die Empfehlung 7 fest, dass die DVT „nicht zur routinemäßigen parodontalen Diagnostik angewendet werden“ sollte. Die anschließenden Empfehlungen 8 und 9 beschreiben dann den Indikationsrahmen für den DVT-Einsatz — hier wird auf die Relevanz für die Therapieentscheidung hingewiesen — und zahlreiche Fälle, in denen eine kleinvolumige DVT indiziert sein kann.

Zur Kariesdiagnostik ist die DVT nicht indiziert (Empfehlung 6), ebenso nicht zur kieferorthopädischen Routine­diagnostik. Die Empfehlungen für den Bereich der Implantologie orientieren sich auch in dieser Leitlinienversion an denen der "S3-Leitlinie Indikationen für die radiologische 3D Diagnostik und navigierte Implantatinsertion (Registernummer 083 - 011)" [AWMF, 2013], die derzeit ebenfalls überarbeitet wird.

Größtmögliche Transparenz bei Interessenkonflikten

Der gesamte Hintergrundtext wurde entsprechend der verfügbaren Literatur überarbeitet und auch der redaktionelle Anfangsteil der Leitlinie wurde gemäß den aktuellen Vorgaben der AWMF neu gestaltet. Der Methodenreport ist mittlerweile ein recht umfängliches Werk, in dem alle potenziellen Interessenkonflikte abgebildet werden. Der Prozess zur Bewertung der Interessenkonflikte ist gerade bei Leitlinien mit Beteiligung vieler Fachorganisationen nicht zu unterschätzen und führte de facto auch bei der vorliegenden Leitlinie zu vielen Diskussionen und mehreren Abstimmungen. Wichtig war der Leitliniengruppe, hier die größtmögliche Transparenz herzustellen.

An der vorliegenden Leitlinie haben insgesamt 24 Fachgesellschaften und Organisationen mitgearbeitet, was das große Interesse an der Thematik dokumentiert. Die lange Überarbeitungszeit zeigt jedoch auch, wie aufwendig der Prozess der Leitlinienerstellung inzwischen geworden ist.

Das zentrale Interesse der aktualisierten Leitlinie liegt in einer sinnvollen, auf den Einzelfall abgestimmten Anwendung der digitalen Volumentomografie — zum Nutzen der Patienten. Unbestritten ist die Bildgebung ein wichtiges Werkzeug der modernen Medizin, jedoch sollte im Vordergrund immer der Patient stehen und alle klinischen und anamnestischen Informationen sollten zur Diagnosefindung mit herangezogen werden.

Die DVT-Anwendung ist immer eine Einzelfallentscheidung

Wenn nach der Bewertung dieser Informationen durch den fachkundigen Arzt oder Zahnarzt die Indikation für eine Röntgenbildgebung (in diesem Fall eine DVT-Aufnahme) gestellt wird, so stellt dies eine fundierte und individuelle Entscheidung für die Aufnahme dar. Die aktualisierte Leitlinie kann die Anwender in diesem Prozess der Entscheidungsfindung substanziell unterstützen und zur sinnvollen Anwendung dieser Röntgenbildgebung beitragen.

ARö, DGZMK: „Dentale digitale Volumentomographie“, Langversion 3.0, 2022, AWMF-Registernummer: 083-005, www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/083-005.html

 

Literatur

Ludlow JB, Timothy R, Walker C, Hunter R, Benavides E, Samuelson DB, Scheske MJ. Effective dose of dental CBCT-a meta analysis of published data and additional data for nine CBCT units. Dentomaxillofac Radiol. 2015, Bd. 44, 1, S. 20140197.

IAEA.Safety Reports Series No. 108: Radiation Protection in Dental Radiology. International Atomic Energy Agency. Wien : International Atomic Energy Agency, 2022. S. 109, Safety Report Series.

White SC, Scarfe WC, Schulze RK, Lurie AG, Douglass JM, Farman AG, Law CS, Levin MD, Sauer RA, Valachovic RW, Zeller GG, Goske MJ. The Image Gently in Dentistry campaign: promotion of responsible use of maxillofacial radiology in dentistry for children. Oral Med Oral Pathol Oral Radiol. 2014, Bd. 118, S. 257-261.

Oenning AC, Pauwels R, Stratis A, De Faria Vasconcelos K, Tijskens E, De Grauwe A, group, Dimitra research und Jacobs R, Salmon B. Halve the dose while maintaining image quality in paediatric Cone Beam CT. Sci Rep. 2019, Bd. 9, S. 5521.

IAEA.Radiation Protection and Safety in Medical Uses of Ionizing Radiation. International Atomic Energy Agency IAEA. Wien : International Atomic Energy Agency IAEA, 2018. IAEA Safety Standards Series.

—. Radiation Protection and Safety of Radiation Sources: International Basic Safety Standards, IAEA Safety Standards Series No. GSR Part 3. Wien : International Atomic Energy Agency IAEA, 2014. S. 463, IAEA Safety Standards Series.

AWMF. Indikationen für die radiologische 3D Diagnostik und navigierte Implantatinsertion. [Hrsg.] Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften AWMF. S3-Leitlinie. 2013.Abgelaufen -- in Überarbeitung. Registernummer 083 - 011.

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