Diskussion um Medizinische Versorgungszentren

Was tun gegen Heuschrecken und Profitgier?

Im Dezember 2022 hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen Gesetzesentwurf zu (Investoren-betriebenen) MVZ angekündigt. Damit will er verhindern, dass Investoren mit „absoluter Profitgier“ Arztpraxen aufkaufen. Wie steht es damit?

Er wolle einen Riegel davorschieben, dass „Investoren mit absoluter Profitgier“ Arztpraxen aufkaufen, hatte Lauterbach zu Weihnachten in der „Bild am Sonntag“ angekündigt. Sein Plan: im ersten Quartal 2023 einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der den Einstieg „dieser Heuschrecken in Arztpraxen“ unterbindet. Seine Kritik galt auch großen Praxisketten, deren „absurde Gewinnkonzepte“ geändert werden müssten.

Bisher gibt es aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) dazu allerdings nichts Konkretes. Nur so viel wurde bekannt: Das Ministerium hat zwei Versorgungsgesetze in der Pipeline. Im ersten, das nach jetzigem Stand für das erste Quartal 2023 vorgesehen ist, soll es um „Kommunale MVZ“ gehen. Im zweiten soll dann die Weiterentwicklung von Investoren-betriebenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) im Fokus stehen.

Schon lange sehen die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hier Handlungsbedarf. Vor allem ländliche Bereiche seien unterversorgt, da die iMVZ vornehmlich in städtischen Ballungsräumen zu finden seien. Zudem werde teilweise ein erheblicher Druck zur Profitsteigerung auf die in iMVZ tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte ausgeübt. Ausdrücklich begrüßten KZBV und BZÄK deshalb Anfang Januar Lauterbachs Pläne. „Gerade in der zahnärztlichen Versorgung besteht durch die sehr dynamische Ausbreitung von iMVZ und den damit einhergehenden Gefahren für die Patientenversorgungdie Notwendigkeit, jetzt zielgenaue Maßnahmen zu ergreifen“, betonten die Vorstände von KZBV und BZÄK in einem Brief an den Minister.

Mit ihrem Schreiben übermittelten KZBV und BZÄK auch konkrete Vorschläge, um die wirtschaftlichen Strukturen von MVZ transparent zu machen und der fortschreitenden Vergewerblichung zulasten einer freiberuflichen Versorgung in der Zahnmedizin Einhalt zu gebieten. Mit ihren Vorschlägen stützen sich die Organisationen vor allem auf ein Rechtsgutachten von Prof. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, und ein versorgungspolitisches Gutachten des IGES-Instituts – beide von der KZBV in Auftrag ge­gebenen Gutachten wurden 2020 veröffentlicht.

Das schlägt die Zahnärzteschaft vor:

  • Für den zahnärztlichen Bereich sollte dringend eine räumliche und fachliche Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern eingeführt werden. Nur Krankenhäuser, die über einen zahnmedizinischen Fachbezug verfügen, sollten künftig zahnärztliche MVZ gründen dürfen. Räumlich muss das MVZ in demselben Planungsbereich wie das Krankenhaus liegen.

  • Es sollte eine Rechtsgrundlage für die Einrichtung von MVZ-Registern auf Landes- und Bundesebene geschaffen werden, um Transparenz über die häufig stark verschachtelten, intransparenten Inhaber- und Beteiligungsstrukturen von MVZ und insbesondere iMVZ zu erhalten.

  • Die Eignung insbesondere von iMVZ zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung sollte geprüft und gewährleistet sein.

  • Außerdem werden weitergehende Begrenzungen für iMVZ-Gründungen speziell in städtischen und großstädtischen Regionen vorgeschlagen. Einen Beitrag zur Sicherung der Versorgung in ländlichen oder strukturschwachen Regionen leisten diese MVZ durch ihre Konzentration auf Ballungsräume nämlich so gut wie gar nicht.

  • Wichtig ist aus Sicht der Zahnärzteschaft auch mehr Transparenz für die Patienten. Zahnärztliche MVZ sollten verpflichtet werden, auf ihrem Praxisschild und auf ihrer Homepage Angaben über ihren Träger und die Inhaberstruktur zu machen.

  • Durch eine Änderung im Zahnheilkundegesetz sollten außerdem weitere Einbruchstellen für Fremdinvestoren in den ambulanten zahnärztlichen Versorgungsmarkt geschlossen werden. Besonders sei sicherzustellen, dass juristische Personen, deren Unternehmens­gegenstand die Ausübung der Zahnheilkunde ist, ausschließlich von Zahnärzten – gegebenenfalls zusammen mit anderen Heilberufsangehörigen – gegründet, betrieben, geführt und kontrolliert werden.

Wie Finanzinvestoren Einfluss auf die Versorgung gewinnen, wurde von vielen Medien aufgegriffen. So stellte das ARD-Magazin Panorama das Beispiel einer Waiblinger Klinik in Baden-Württemberg mit gerade einmal 15 Betten vor – eine chirurgische Belegarztklinik ohne zahnmedizinischen Versorgungsauftrag –, die ein zahnärztliches MVZ am Starnberger See in Bayern gründete.

Auch die Ärzte sind alarmiert. So forderte die Bundesärztekammer (BÄK) Anfang des Jahres in einem Positionspapier ebenfalls den verpflichtenden örtlichen und fachlichen Bezug des Gründungskrankenhauses zu seinem MVZ. Es habe sich gezeigt, dass der mit der Kommerzialisierung von MVZ einhergehende (Rendite-)Druck so groß sein kann, dass ihm nicht allein mit der berufsrechtlichen Verpflichtung von Ärzten begegnet werden kann, die Behandlung allein am Wohl der Patienten auszurichten. Auch die BÄK fordert eine Anpassung der Rahmenbedingungen für die Zulassung und die ärztliche Tätigkeit in MVZ.

Auch das BMG steht einer ausgeprägten Renditeorientierung der Investoren kritisch gegenüber, wie aus einer Antwort der Bundesregierung Mitte Januar auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu den Auswirkungen Investoren-getragener MVZ auf das Gesundheitswesen hervorgeht. Man wolle die Transparenz über die Organisationsstrukturen von MVZ herstellen. In der Anfrage hatte Initiator Stephan Pilsinger, MdB CSU, auf vermehrte Hinweise verwiesen, dass iMVZ eine Gefahr für Patienten darstellen können – insbesondere wegen deren Tendenz zur Über- und Fehlversorgung und zum Aufbau von MVZ-Kettenstrukturen.

Die Bundesregierung verwies in ihrer Antwort auf die bereits eingesetzte Länderarbeitsgruppe unter der Leitung Bayerns. Dort werde derzeit – unabhängig von Entscheidungen auf Bundesebene – ein iMVZ-Regulierungsgesetz für eine Initiative des Bundesrats vorbereitet. Die Regierung ging auch auf einen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vom Juni letzten Jahres ein. Die Länderminister hatten dafür plädiert, auch im Bereich des Berufsrechts Regelungen zu treffen, mit denen Fremdinvestoren mit ausschließlichen Kapitalinteressen von der Gründung und dem Betrieb ärztlicher und zahnärztlicher MVZ ausgeschlossen werden. Aus Sicht des BMG bestehen erhebliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für solche Regelungen, heißt es in der Antwort der Regierung.

BMG: „Zu Alarmismus besteht kein Anlass"

Mittlerweile liegt aus dem BMG eine Expertenauswertung aller relevanten Studien zur Rolle von iMVZ vor: Zu Alarmismus bestehe kein Anlass. Plädiert wird zunächst für eine gründliche Abwägung weiterer gesetzlicher Eingriffe in den Markt der MVZ. In der Auswertung befinden sich auch Vorschläge für weitere Gründungs­einschränkungen.

Sofern vereinzelt aus der Beteiligung von Investoren an der zahnärzt­lichen Versorgung eine Gefahr für die Versorgung abgeleitet wird, werde vorgeschlagen, die Regelung der Versorgungshöchstquoten für zahnmedizinische Krankenhaus-MVZ zu verschärfen. Die Regelung lasse insbesondere in Ballungsgebieten noch immer erheblichen Spielraum für die Gründung zahnärztlicher Krankenhaus-MVZ, heißt es in dem Papier weiter. Außerdem beziehe sich die Begrenzung der Versorgungsanteile allein auf das einzelne Krankenhaus und verhindere damit nicht, dass ein Investor den Versorgungsanteil seiner zahnärztlichen Krankenhaus-MVZ durch Erwerb mehrerer Krankenhäuser vervielfacht.

Darüber hinaus schlagen die Experten vor, zahnärztliche Krankenhaus-MVZ nur dann zur Versorgung zuzulassen, wenn zwischen dem gründenden Krankenhaus und den zahnärztlichen MVZ ein räumlicher und fachlicher Bezug besteht. Zahnärztliche Krankenhaus-MVZ sollten nur dann zur Versorgung zugelassen werden, wenn die Sitze des Gründungskrankenhauses und des MVZ im selben Planungsbereich liegen, und wenn das Krankenhaus an der zahnmedizinischen Versorgung teilnimmt.

Memorandum: „Keine Evidenz für Verschlechterung"

Parallel dazu bringen sich jetzt der Bundesverband der Betreiber Medizinischer Versorgungszentren (BBMV) und der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) in Stellung. In einem kürzlich vorgestellten Memorandum unterstreichen sie, dass es in den bisherigen Studien keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass unterschied­liche Kapitalgeberstrukturen die ambulante Versorgung verschlechtern oder verteuern. Es gebe keine Evidenz dafür, dass Kapitalinteressen ärztliche Entscheidungen beeinflussen oder eine Zunahme von MVZ der Versorgung von Patienten schadet.

Mit Blick auf die drängenden strukturellen Herausforderungen in der medizinischen Versorgung sei ein qualitätsorientierter Wettbewerb mit einer größtmöglichen Vielzahl an Versorgungsformen, Trägern und Kapitalgebern notwendig, betonten BBMV und ALM. Das schließe MVZ mit nicht-ärztlichen, privaten Kapitalgebern ausdrücklich mit ein. pr

Fremdinvestoren im Bereich der zahnärztlichen iMVZ – Kennzahlen und Entwicklungen

Mitte Mai 2019 sind die durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführten Begrenzungen zur Gründungsbefugnis von Kranken­häusern für zahnärztliche MVZ in Kraft getreten. Betrachtet man die Anzahl der MVZ, die mehrheitlich in Investorenhand sind, so lässt sich auch nach Inkrafttreten des TSVG eine hohe Wachstumsdynamik feststellen. Hierzu ist allerdings nach Angaben der KZBV eine detaillierte und tiefergehende Analyse notwendig.

  • Entwicklung: Zum Stichtag 30. September 2022 konnten 415 MVZ identifiziert werden, die versorgungsfremden Investoren zuzuordnen waren. Dabei sind allein im dritten Quartal 2022 die Investoren-gehaltenen zahnärztlichen MVZ (iMVZ) um weitere neun Prozent angestiegen. Der Anteil der iMVZ am gesamten MVZ-Markt steigt ebenfalls kontinuierlich an. Er beläuft sich zum Ende des dritten Quartals 2022 auf gut 29 Prozent. Bis zum Ende des Jahres 2022 kann von einer weiteren Zunahme der MVZ mit Investorenbeteiligung auf etwa 435 MVZ ausgegangen werden.

  • Regionale Verteilung:Der Großteil der Investoren-MVZ verteilt sich auf die einwohner- und wirtschaftlich starken Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, in denen sich rund 61 Prozent aller iMVZ angesiedelt haben. Investoren-MVZ befinden sich nach wie vor fast ausschließlich in den alten Bundesländern (inklusive Berlin). In den neuen Bundesländern sind gerade einmal elf iMVZ, davon allein sechs in den Großstädten Leipzig, Dresden, Chemnitz und Magdeburg, beheimatet. Die 415 iMVZ, die sich derzeit in der Hand von Groß- und Finanzinvestoren befinden, verteilen sich fast ausschließlich auf Großstädte und Ballungs­räume. So finden sich 80 Prozent der Investoren-MVZ im städtischen Bereich. 80,5 Prozent aller Investoren-MVZ sind in Regionen zu finden, die ein im Bundesvergleich überdurchschnittliches Medianeinkommen der Bevölkerung aufweisen.

  • Trägerschaft: Von den insgesamt 437 MVZ in Krankenhausträgerschaft sind alleine 415 MVZ Finanzinvestoren zuzurechnen, dies entspricht einem Anteil von 95 Prozent an allen MVZ in Krankenhausträgerschaft. Auffällig ist hierbei, dass kein einziger Krankenhausträger, der von Finanzinvestoren zur MVZ-Gründung genutzt wird, eine Abteilung mit zahnärztlichem Bezug, zum Beispiel eine Abteilung für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, aufweist.

(Aktuelle Angaben der KZBV – Stand: 30.9.2022)

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