Der besondere Fall mit CME

Submandibuläre Defektrekonstruktion mittels Fettgewebe

Heftarchiv Zahnmedizin
Peer W. Kämmerer
,
Andreas Pabst
,
Diana Heimes
Volumendefekte sind eine seltene Komplikation nach einer Submandibulektomie, die allerdings mit erheblichen ästhetischen Einschränkungen für die betroffenen Patientinnen und Patienten verbunden sein können. Die Klaviatur der plastisch-ästhetisch rekonstruktiven Verfahren reicht dabei von lokalen Lappenplastiken über die Applikation von Fillern und alloplastischen Implantaten bis hin zu mikrovaskulären Transplantaten. Dieser Fall zeigt eine ausgedehnte Volumenrekonstruktion nach einer Submandibulektomie mit autologem Fettgewebe, welches mittels Liposuktion gewonnen wurde.

Eine Patientin stellte sich aufgrund eines seit etwa einem Jahr bestehenden ausgedehnten submandibulären Volumendefekts rechts in Folge einer alio loco durchgeführten Submandibulektomie in einer Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und einer postoperativen Wundheilungsstörung und Infektion vor. Nach Abheilen der Akutsituation erfolgte alio loco bereits der Versuch einer Defektrekonstruktion mit autologem Fettgewebe aus dem Bereich einer Sectionarbe des Unterleibs. Auch dabei kam es zu einer postoperativen Wundheilungsstörung und zu einer Infektion des transplantierten Fettgewebes, so dass das Transplantat vollständig verloren ging und sich die Defektsituation weiter verschlechterte. Die Patientin stellte sich mit einem starken Wunsch nach einer plastisch-ästhetischen Rekonstruktion des submandibulären Volumendefektes vor, der für die Patientin mittlerweile eine große psychische Belastung darstellte.

In der klinischen Untersuchung zeigte sich der submandibuläre Volumendefekt rechts im Bereich der alten Narbe der Submandibulektomie. Zusätzlich zeigte sich zum Untersuchungszeitpunkt submandibulär rechts ein Fistelmaul. Die Haut im Bereich des alten OP-Gebietes war narbig und derb strukturiert und teilweise mit dem subkutanen Gewebe verbacken. Die Sensibilität zeigte mit Ausnahme des Bereiches der alten Operationsnarbe eine Normästhesie, die lokale Gewebeperfusion erschien soweit klinisch beurteilbar unauffällig. Die Funktion des N. facialis war bis auf eine leichte iatrogene Schädigung des N. marginalis und damit eines gering hängenden rechten Mundwinkels regelgerecht. Die Patientin hatte keine Schmerzen im Bereich des Volumendefekts, die Beweglichkeit des Halses war uneingeschränkt. Im Zuge der intraoralen Untersuchung und der begleitenden zahnärztlichen Bildgebung zeigte sich ein nicht erhaltungswürdiger Zahn 48 mit einer apikalen Entzündung, der gemeinsam mit der nach extraoral reichenden Fistel und dem extraoral gelegenen Fistelmaul entfernt wurde (Abbildung 2).

Nach Abheilen der Operationswunden und bei stabilen Wundverhältnissen ohne Hinweise auf ein Fistelrezidiv (Abbildung 1) wurde die Patientin bei bestehendem Rekonstruktionswunsch ausführlich und individuell über verschiedene Möglichkeiten und Alternativen der Defektrekonstruktion sowie deren individuelle Vorteile, Limitationen und Risiken aufgeklärt. Es erfolgte die Entscheidung zu einem erneuten Versuch einer Defektrekonstruktion mittels autologem Fettgewebe durch Liposuktion. Der Eingriff wurde in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Hierbei erfolgte die Entnahme von 400 ml autologem Fettgewebe mittels abdomineller Liposuktion (Abbildungen 3, 4), welches zu Teilen (circa 30 ml) in die submandibuläre Defektregion appliziert wurde (Abbildungen 5, 6).

Der postoperative Heilungsverlauf zeigte sich komplikationslos und führte zu einem ästhetisch ansprechenden Ergebnis (Abbildung 7). Die Patientin stellte sich nach einem halben Jahr wieder vor und präsentierte ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis (Abbildung 8). Bei Bedarf ist eine Re-Augmentation jederzeit möglich.

Diskussion

Die Liposuktion wurde in den 1920er Jahren durch den Pariser Chirurgen Charles Dujarier entwickelt und hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr an Popularität gewonnen. Im Jahr 2018 wurden weltweit rund 1,4 Millionen und in Deutschland rund 45.000 Liposuktionen durchgeführt [Schlarb, 2018]. Die ersten Schritte der Liposuktion waren allerdings mit einer Reihe teils schwerwiegender Komplikationen verbunden, wie dem Verlust von Extremitäten aufgrund der Verletzung von Blutgefäßen (A. femoralis) oder ausgedehnten Hautnekrosen. Ein wichtiger Meilenstein war die Einführung der Injektion hypotoner Kochsalzlösung und Hyaluronidase in das Fettgewebe im Jahr 1977, was als „Hydrodissektion“ bezeichnet wurde. Dadurch konnte neben der einfacheren Aspiration des Fettgewebes das hämorrhagische Risiko und das Risiko einer Verletzung von Nerven und Blutgefäßen deutlich verringert werden [Wu et al., 2020]. Die Liposuktion gilt mittlerweile als der am weitesten verbreitete Eingriff in der plastischen Chirurgie. Der ursprüngliche Sinn der reinen Fett-entfernung wandelte sich dabei in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr hin zu einem ästhetischen Ziel der Verbesserung von sichtbaren Muskelkonturen [Stein und Matarasso, 2022].

Die Anwendung der Liposuktion im Gesicht zur Veränderung der Gesichtskontur und zur Defektrekonstruktion sowie die Technik der Mikrolipoinjektion im Gesicht sind ebenfalls seit langem bekannte Verfahren [Asken, 1988]. Daneben ist die mittels Fettapplikation durchgeführte faziale Verjüngungstherapie beschrieben [Yang et al., 2020]. Hinsichtlich möglicher Komplikationen wurde bei alleiniger Liposuktion eine Komplikationsrate von 0,7 Prozent beschrieben, wobei in absteigender Reihenfolge Hämatome, pulmonale Komplikationen, Infektionen und Venenthrombosen beschrieben werden [Kaoutzanis et al., 2017]. Hinsichtlich potenzieller Entnahmeregionen bieten sich für die Liposuktion und die spätere faziale Applikation unter anderem das Abdomen, die Oberschenkel, die Innenseite des Knies, der untere Rücken und die Oberarme an [Lam et al., 2010].

Die Vorteile der Liposuktion im Rahmen der panfazialen Rekonstruktion können in der Minimalinvasivität des Verfahrens aufgrund der kanülierenden Entnahme und Applikation in der Empfängerregion und dem insgesamt geringen Operationsrisiko gesehen werden. Auch wenn die Durchführung in Allgemeinanästhesie erfolgen sollte, kann der Eingriff ambulant durchgeführt werden. Als mögliche Komplikationen in der Empfängerregion können beispielsweise Infektionen auftreten, die einen vollständigen Transplantatverlust bedingen können. Daneben kann die Volumenstabilität des applizierten autologen Fettgewebes nicht immer sicher vorhergesagt werden, so dass möglicherweise Folgeeingriffe und Korrekturen erforderlich sein können. Der mögliche Volumenverlust kann dabei von einer Vielzahl möglicher Faktoren abhängen, wie beispielsweise der Entnahme- und Applikationstechnik, der Qualität des entnommenen Fettgewebes und der Blutversorgung des Gewebes in der Empfängerregion [Sommer und Sattler, 2000; Dos Anjos et al., 2015].

Im Zuge von Brustrekonstruktionen mittels autologem Fettgewebe wurden Volumenverluste von etwa 30 Prozent innerhalb der ersten drei bis vier Monate beschrieben. Nach dieser Zeit stellte sich, sofern das Körpergewicht konstant blieb, eine stabile Situation ein [Delay et al., 2009]. Im Vergleich zu anderen rekonstruktiven Verfahren, wie beispielsweise mikrovaskulären Transplantaten, die bei ausgedehnten fazialen Volumendefekten ebenfalls eine Option darstellen können, überwiegen als Vorteil der autologen Fettgewebetransplantation nach Liposuktion die geringe Invasivität, die geringe Operationszeit und die geringe Komplikationsrate.

Bei der in diesem Fall angewendeten sogenannten Wasserstrahl-assistierten Liposuktion handelt es sich um ein neueres, sehr schonendes Verfahren zur Gewinnung von Fettgewebe. Hierbei wird eine Wasserstrahltechnik verwendet, mit der die Lösung und anschließende Absaugung der Adipozyten unter Verwendung einer, gegenüber herkömmlichen Verfahren, deutlich geringeren Menge an Tumneszenzlösung möglich ist. Ebendiese besteht in Abhängigkeit von der Anästhesie aus einer Mischung von lang- und kurzwirksamen Lokalanästhetika, Adrenalin zum Zweck der lokalen Blutstillung und Natrium-Bikarbonat zur Pufferung in isotoner Kochsalzlösung. Die Verwendung einer geringeren Menge Tumneszenzlösung erlaubt die Reduktion der postoperativen Schwellung und eine zügigere Heilung des chirurgisch gesetzten Traumas. Neben der Reduktion der Flüssigkeitsmenge bedingt die schonende Lösung der Zellen außerdem eine reduzierte Traumatisierung des Gewebes, was mit einer geringeren Hämatombildung und weniger Schmerzen einhergeht.

Fazit für die Praxis

  • Submandibuläre Volumendefekte stellen eine seltene, aber für die betroffenen Patientinnen und Patienten sehr belastende ästhetische Komplikation nach einer Submandibulektomie dar.

  • Die Defektrekonstruktion mit autologem Fettgewebe mittels Liposuktion stellt in solchen Fällen eine mögliche und wenig invasive Therapievariante dar.

  • Die Vorteile der Defektrekonstruktion mit autologem Fettgewebe mittels Liposuktion liegen in der Verwendung autologen Gewebes und der verhältnismäßig geringen Invasivität gegenüber anderen Verfahren, zum Beispiel den mikrovaskulären Transplantaten. Mögliche Limitationen des Verfahrens könnten in der nicht immer sicher vorhersehbaren Langzeitstabilität der Volumenrekonstruktion gesehen werden.

Literaturliste

Asken, S., Facial liposuction and microlipoinjection. J Dermatol Surg Oncol, 1988. 14(3): p. 297-305.

Delay, E., et al., Fat injection to the breast: technique, results, and indications based on 880 procedures over 10 years. Aesthet Surg J, 2009. 29(5): p. 360-76.

Dos Anjos, S., et al., Reproducible Volume Restoration and Efficient Long-term Volume Retention after Point-of-care Standardized Cell-enhanced Fat Grafting in Breast Surgery. Plast Reconstr Surg Glob Open, 2015. 3(10): p. e547.

Kaoutzanis, C., et al., Cosmetic Liposuction: Preoperative Risk Factors, Major Complication Rates, and Safety of Combined Procedures. Aesthet Surg J, 2017. 37(6): p. 680-694.

Lam, S.M., R.A. Glasgold, and M.J. Glasgold, Fat harvesting techniques for facial fat transfer. Facial Plast Surg, 2010. 26(5): p. 356-61.

Schlarb, D., [Liposuction]. Hautarzt, 2018. 69(2): p. 165-176.

Sommer, B. and G. Sattler, Current concepts of fat graft survival: histology of aspirated adipose tissue and review of the literature. Dermatol Surg, 2000. 26(12): p. 1159-66.

Stein, M.J. and A. Matarasso, High-Definition Liposuction in Men. Clin Plast Surg, 2022. 49(2): p. 307-312.

Wu, S., D.M. Coombs, and R. Gurunian, Liposuction: Concepts, safety, and techniques in body-contouring surgery. Cleve Clin J Med, 2020. 87(6): p. 367-375.

Yang, Z., et al., Fat Grafting for Facial Rejuvenation in Asians. Clin Plast Surg, 2020. 47(1): p. 43-51.

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