Australische Persönlichkeitsstudie

Ärzte sind gewissenhafter, aber auch neurotischer als Patienten

Ärzte und Patienten weisen unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale auf, zeigt eine australische Studie. Das könnte das Arzt-Patienten-Verhältnis und die Versorgungsqualität beeinflussen.

Wissenschaftler der Carleton University in Ottawa, Kanada, wollten anhand von zwei repräsentativen australischen Erhebungen herausfinden, wie sehr sich die Persönlichkeit von Ärzten, Patienten, Fach- und Pflegekräften unterscheidet. Dazu werteten sie die Angaben von 23.358 Frauen und Männern aus der australischen Bevölkerung (darunter Patienten und Pflegekräfte) und von 19.351 Ärzten (Allgemeinmediziner, Spezialisten und Fachärzte) aus. Der Schwerpunkt der Studie lag dabei auf der Kontrollüberzeugung und den Big-Five-Persönlichkeitsmerkmalen:

  • 1. Verträglichkeit (einfühlsam, freundlich, kooperativ und warmherzig),

  • 2. Gewissenhaftigkeit (ordentlich, systematisch, effizient),

  • 3. Extraversion (gesprächig, selbstbewusst, laut, mutig, lebendig),

  • 4. Neurotizismus (missgünstig, launenhaft, empfindlich, eifersüchtig, temperamentvoll) und

  • 5. Offenheit (philosophisch, kreativ, intellektuell, komplex und einfallsreich).


Die Kontrollüberzeugung misst, inwieweit man denkt, dass eigenes Verhalten oder äußere Umstände die Ereignisse herbeiführen. Personen mit einer stärkeren internen Kontrollüberzeugung nehmen ihr Leben mehr in die Hand. Personen mit einer stärkeren externen Kontrollüberzeugung glauben, dass Glück oder Dritte den Lauf der Dinge bestimmen.

Im Ergebnis sind Ärzte signifikant verträglicher und gewissenhafter als Patienten oder die Allgemeinbevölkerung. Persönlichkeitsunterschiede zwischen den Arztgruppen waren dagegen kaum vorhanden. Allerdings sind die Behandelnden in der Regel extrovertierter und neurotischer. Außerdem hatten sie häufiger als die Allgemeinbevölkerung externale Kontrollüberzeugungen. Patienten erwiesen sich dagegen als aufgeschlossener als die Mediziner.

Ärzte scheinen sich hinsichtlich ihrer Persönlichkeit zu gleichen

Was kann man daraus für die Praxis ableiten? Für den maximal möglichen Therapieerfolg sei es wichtig, dass sich Mediziner etwaiger Persönlichkeitsunterschiede zwischen ihnen und ihren Patienten bewusst sind. Denn womöglich überschätzten gewissenhafte Ärzte die Fähigkeit ihrer Patienten, Empfehlungen zu befolgen. Ein höherer Neurotizismus bei Ärzten, der mit Stress zusammenhängt, könnte wiederum dazu führen, dass sie Stress als einen normalen Teil des Lebens betrachten und somit die Auswirkungen von Stress auf das Wohlbefinden ihrer Patienten unterschätzen. Und Freundlichkeit und Gewissenhaftigkeit des Arztes macht die zwar die Patienten zufriedener, könnten jedoch auch dazu führen, dass Ärzte ihre Patienten – im Gegensatz zu sich selbst – für konfrontativer und weniger gewissenhaft halten. Dies führe zu einer Asymmetrie in der gegenseitigen Beurteilung von Ärzten und Patienten, was sich auf den Outcome auswirken könnte.

„Ärzte scheinen sich hinsichtlich ihrer Persönlichkeit eher zu gleichen“, folgern die Autoren. „Aber offenbar unterscheiden sich die Persönlichkeitsmerkmale zwischen Ärzten, Patienten und der Bevölkerung. Sich dieser Unterschiede bewusst zu sein, könnte die Arzt-Patienten-Kommunikation verbessern und es Patienten erleichtern, Behandlungsempfehlungen zu verstehen und umzusetzen.“ Die Ergebnisse stützen demzufolge frühere Hypothesen über die Schlüsselrolle von Verträglichkeit (einschließlich Empathie) und Gewissenhaftigkeit sowie die große Bedeutung nicht-kognitiver Fähigkeiten bei Ärzten und damit bei der Auswahl von Medizinstudierenden. Zukünftige Forschung sollte sich auf den Faktor Neurotizismus bei Ärzten und seine Rolle in der medizinischen Praxis konzentrieren.

Die Studie:
Ammi M, Fooken J,Klein J, et al.: Does doctors’
personality differ from those of patients, the highly educatedand other caring professions? An obser­vational study using two nationally representative Australian surveys. BMJ Open2023;13:e069850.
doi:10.1136/bmjopen-2022-069850

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