Neuorganisation der UPD

Ab jetzt unter der Regie der Krankenkassen

Bei der Neuausrichtung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) hat sich der GKV-Spitzenverband vom Bundesgesundheitsministerium Durchgriffsrechte zugesichert. Die Patientenorganisationen fühlen sich düpiert. Und die Fraktion der Linken im Bundestag hat eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses beantragt.

Der GKV-Spitzenverband hat seine Blockade in Sachen UPD aufgegeben. Der Verband werde sich nun doch an der Errichtung der UPD-Stiftung beteiligen, beschloss dessen Verwaltungsrat. Vorangegangen waren „konstruktive Gespräche“ mit dem Ministerium, auf deren Basis „eine Neubewertung des Sachverhalts zur Errichtung der UPD-Stiftung“ erfolgt sei, erklärte der GKV-Spitzenverband: „Hierbei konnten offene Fragen geklärt und zu den wesentlichen Kritikpunkten eine übereinstimmende Sichtweise gefunden werden.“ Dies gelte insbesondere für die Punkte Qualität und Evidenz des Beratungsauftrags.

So solle der Zweck der Stiftung in der Satzung auf die Leistungen nach dem SGB V und die gesetzlich Versicherten konkretisiert werden. Außerdem habe das BMG eine Unterstützung in Finanzfragen zugesagt. Des Weiteren wollten das BMG und der GKV-Spitzenverband frühzeitig eine eigene Evaluation durchführen, um die Stiftungstätigkeit am Bedarf auszurichten, heißt es weiter. Einen entsprechenden Brief des BMG haben demnach die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) sowie der beamtete Staatssekretär Thomas Steffen unterzeichnet.

Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, sicherte das BMG den Kassen schriftlich weitreichende Befugnisse zu, die diese in die Satzung schreiben können – etwa Widerspruchsrechte bei den künftigen Haushaltsberatungen, Einfluss auf die Besetzung der künftigen Geschäftsführung sowie auf die Beratungsthemen. Da sich diese künftig auf das SGB V und GKV-Versicherte beschränken sollen, würde etwa die Pflegeberatung dann nicht mehr zum Beratungsumfang gehören.

Mitte Juni hatte der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands beschlossen, sich vorerst nicht an der Satzung zur Errichtung der UPD-Stiftung zu beteiligen. Er verwies auf seine schon früher geäußerte Kritik, weder auf die inhaltliche Ausrichtung noch auf haushalterische Entscheidungen Einfluss nehmen zu können. Eine Finanzierung aus Beitragsmitteln halte man für nicht angebracht, nach wie vor sei die beste Lösung eine Finanzierung aus Steuermitteln. Im UPD-Gesetz ist vorgesehen, dass der GKV-Spitzenverband die UPD-Arbeit finanziert.

Zum Hintergrund

Das UPD-Gesetz sieht vor, dass für die künftige UPD eine Stiftung errichtet wird. Da dafür keine Steuermittel zur Verfügung standen, soll der GKV-Spitzenverband die Arbeit dieser Stiftung finanzieren, was bei den Kassen zu großem Protest und am Ende zur Blockade des Gesetzes führte: Ende Juni entschied der Verwaltungsrat, die Arbeit an der Satzung zu boykottieren.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte keine Handhabe, den GKV-Spitzenverband zu zwingen, dem Willen des Gesetzgebers zu folgen. Um die Blockade aufzulösen, machte das BMG den Krankenkassen weitgehende Zugeständnisse, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtete, dem die Sitzungsunterlagen des GKV-Verwaltungsrates vorliegen.

Auch die maßgeblichen Patientenorganisationen unterstrichen in einer Erklärung, dass sie nicht an einer UPD mitwirken werden, die vollständig unter der Regie des GKV-Spitzenverbands steht: „Damit liefert Minister Lauterbach die Unabhängige Patientenberatung vollständig den Krankenkassen aus. Ausgerechnet der Teil der Selbstverwaltung, der seit mehr als 15 Jahren am häufigsten Anlass zur Kritik der Patient:innen bietet, soll nun das absolute Sagen haben“, heißt es darin.

Wie der Sozialverband Deutschland (SoVD ausführt, würden die Patientenorganisationen gesetzeswidrig übergangen. Demnach dürfe der Spitzenverband zukünftig die Finanzen, den Vorstand, die Themen und Zielgruppen der Beratung, die Qualifikation der Berater und die wissenschaftliche Begleitung der UPD bestimmen. Dies sei beschlossen worden, ohne die maßgeblichen Patientenorganisationen zu konsultieren. Dabei sei nach dem Willen des Gesetzgebers eine intensive Beteiligung dieser an der Neuaufstellung vorgesehen.

Schwartze: „Das widerspricht dem Willen des Parlaments!“

Harsche Kritik kommt auch von Stefan Schwartze, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten: „Die Einigung mit dem GKV-Spitzenverband gefährdet die Unabhängigkeit der UPD. Unter diesen Voraussetzungen habe ich große Zweifel, ob so die beste Beratung für die Patientinnen und Patienten erreicht werden kann. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass die Patientenorganisationen unter diesen Umständen nicht mehr an der Stiftung mitwirken werden. Dies widerspricht dem ausdrücklichen Willen des Parlaments.“

Erst vor Kurzem hatten die Mitarbeitenden der UPD vor dem BMG protestiert, um vor den drohenden Konsequenzen zu warnen. Die UPD habe schon im Gesetzgebungsprozess auf die Problematik einer Finanzierung der geplanten Stiftung aus GKV-Mitteln hingewiesen – eine Finanzierung aus GKV-Mitteln könne den Anschein einer fehlenden Unabhängigkeit erwecken.

„Die Befürchtungen wurden auf ganzer Linie bestätigt“

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UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede

Wie schätzen Sie die Einigung von Bundesgesundheitsministerium und GKV-Spitzenverbandzur Errichtung der UPD-Stiftung ein?

Mit der Einigung wurden unsere Befürchtungen über die Gefahren einer Finanzierung der künftigen Stiftung aus Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen auf ganzer Linie bestätigt. Der GKV-Spitzenverband erhält umfassenden Einfluss auf den Haushalt, die personelle Besetzung und die inhaltliche Ausrichtung. Damit hat der GKV-SV alle Hebel in der Hand, um die Arbeit der Stiftung in seinem Sinne in die gewünschte Richtung zu lenken.

Dem Vernehmen nach sollen ganze Beratungsbereiche wie etwa die Beratung zu Pflegethemen künftig wegfallen – ein Desaster für hilfesuchende Bürgerinnen und Bürger. Weder die UPD noch die maßgeblichen Patientenorganisationen und anscheinend auch nicht die Abgeordneten im Bundestag wurden in die Gespräche zwischen BMG und GKV-SV einbezogen. Das Ergebnis der Gespräche wird einen Schaden für die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der zukünftigen Stiftung nach sich ziehen.

Was genau bedeutet das für die Unabhängigkeit der UPD?

Der UPD in ihrer aktuellen Form wurde im Rahmen von externen Audits und wissenschaftlichen Evaluationen immer wieder die Wahrung der Unabhängigkeit bescheinigt. Sollte die Einigung zwischen BMG und GKV-Spitzenverband so umgesetzt werden, ist es damit definitiv vorbei.

Über die Jahre hat die UPD hunderttausende Beratungen bei Problem mit und Fragen zur gesetzliche Krankenkassen durchgeführt, im vergangenen Jahr war dieser Bereich mit rund 26.000 Beratungen in der rechtlichen Beratung wieder Spitzenreiter. Dass nun ausgerechnet die Interessenvertretung der gesetzlichen Krankenkassen umfassenden Einfluss bekommen soll, bedeutet de facto das Ende der Unabhängigkeit der UPD.

Wie geht es jetzt mit der UPD und ihren Mitarbeitenden weiter?

Die Einigung zwischen BMG und GKV-Spitzenverband könnte zwar theoretisch bedeuten, dass die zu befürchtende Lücke im Beratungsangebot im nächsten Jahr nicht ganz so groß ausfällt, falls die formelle Gründung der Stiftung schnell erfolgen sollte. Wir halten ein arbeitsfähiges Beratungsangebot ab Anfang Januar 2024 zum aktuellen Zeitpunkt aber weiterhin für äußerst unrealistisch. Nach wie vor gibt es kein inhaltliches Konzept für die Struktur der Stiftung und den Aufbau des Beratungsangebots.

Dazu kommt: Die maßgeblichen Patientenorganisationen, die die Neuaufstellung der UPD inhaltlich wesentlich mitgestalten sollen, haben angekündigt, eine UPD-Stiftung von Gnaden der gesetzlichen Krankenkassen nicht mitzutragen. Damit kann dem Stiftungskonstrukt kein Leben eingehaucht werden.

Für die hilfesuchenden Bürgerinnen und Bürger bedeutet diese Situation nach wie vor im nächsten Jahr sehr wahrscheinlich den Wegfall des qualitätsgesicherten UPD-Beratungsangebots auf unbestimmte Zeit. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen die fehlenden beruflichen Perspektiven weiter. Die UPD in ihrer aktuellen Form wird zum Jahresende den Beratungs- und Geschäftsbetrieb einstellen.

Die Fragen stellte Gabriele Prchala.

Jetzt hat sich auch die Fraktion die Linke im Bundestag eingeschaltet. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Kathrin Vogler, hat eine Sondersitzung des Bundestags-Gesundheitsausschusses zur UPD beantragt. Sie sieht die Unabhängigkeit der Beratung in Gefahr.

Die UPD-Stiftung soll 2024 ihre Arbeit aufnehmen und wird mit 15 Millionen Euro von den gesetzlichen Kassen finanziert. Für die private Krankenversicherung ist nur eine freiwillige Beteiligung vorgesehen.

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